Früher war das Leben eines Filmfans mühsam und beschwerlich.
Wollte man mehr über einen geliebten Film erfahren, blieb einem
nichts anderes übrig, als sich durch mehr oder minder obskure
Zeitschriften zu lesen und viel Geld in den Kauf von (meist
ausländischen) Büchern zu investieren. Konnte man derart Jahre,
wenn nicht gar Jahrzehnte, nach dem regulären Kinostart ergründen,
wie etwa die Spezialeffekte im EXORZISTEN oder in 2001 entstanden,
freute man sich wie ein kleines Kind und prahlte mit dieser
Kenntnis vor anderen Cineasten. Mochte man darüber hinaus etwas
über die menschlichen Produktionsbedingungen erfahren, las man die
Biographien der beteiligten Künstler und baute sich aus den
verschiedenen Erzählungen eine eigene Vorstellung von den
Dreharbeiten zusammen. Nur wenige, ausgewählte Filme hatten
damals das Glück, daß ihnen ein ganzes Buch gewidmet wurde und nur
eine Handvoll brachte es zu einem filmischen Making of, daß
wiederum für sich selber als Dokumentarfilm bestehen konnte (etwa
HEART OF DARKNESS über die Dreharbeiten zu APOCALYPSE NOW).
In diesen seligen Zeiten, die noch keine zehn Jahre zurückliegen,
sahen viele Regisseure generell keine Veranlassung, sich durch ein
Making of in die Karten schauen zu lassen und Vorabberichte über
die Dreharbeiten setzten sie mit Spionage gleich. Seit diesen Tagen
hat sich einiges verändert
Heute wird, sowie in Hollywood ein Produzent sauer aufstößt, eine
Webseite, auf der man von nun an alle Entwicklungsstadien des neuen
Filmes beobachten kann, eingerichtet. Heute braucht die
Filmindustrie Making of’s, Outtakes, Trailer und sonstigen Unsinn,
um die immer unersättlicheren Speicherkapazitäten von DVD und
Laserdiscs auszufüllen. Heute ist die Technikgeilheit so groß, daß
jede neue Tricktechnik in den Medien wie die Neuerfindungen des
Rades gefeiert wird. Heute genügt es den Verleihern nicht
mehr, an Journalisten (die dummerweise meist eine eigene Meinung
haben) glorifizierende Pressemappen zu verteilen, weshalb man jetzt
das gesamte Publikum in diesen Genuß kommen läßt. Heraus kommt
dabei eine 45minütigen Making of - Sendungen, die uns vor allem das
Privatfernsehen zum Start jedes größeren Hollywoodfilms
präsentiert. Wenn sie die Versprechungen von Teleshoping Angeboten
für die Krönung aller Lügen halten, dann sei ihnen das Studium
einer solchen "Reportage" empfohlen.
Die Dreistigkeit, mit der in diesen Sendungen für den
besprochenen Film geworben wird, ist dabei ebenso ekelerregend wie
die endlos nette Grundstimmung. Während die Clips aus dem
tatsächlichen Film noch ein wenig zur Meinungsbildung des
Zuschauers beitragen können, beginnt bei der Präsentation der
Hinter-den-Kulissen - Szenen eine abstoßend freundliche Lobhudelei,
die selbst einem Zeugen Jehovas zuviel wird. Da wird auf dem
Set gelacht und Spaß gemacht, da wird konzentriert gearbeitet, da
werden scheinbar unlösbare Probleme aus der Welt geschafft, da
sieht man die Stars einmal ganz entspannt und privat, da herrscht
Harmonie zwischen Schauspielern, Regisseur und Produzent, da trotzt
man geduldig widrigen Umständen wie schlechtem Wetter und bei all
dem ist man gut gelaunt.
Als ob diese Schönfärberei nicht schon zuviel wäre, dürfen sich
dazwischen beinahe alle Beteiligten auch noch selber zu Wort
melden, um eine Flut von Komplimenten über ihre Mitarbeiter und
Kollegen auszuschütten. Die Schauspieler wollten immer schon mit
dem Regisseur zusammenarbeiten (selbst wenn er gerade sein Debüt
gedreht hat), die Schauspielkollegen sind so wahnsinnig
professionell und nett, der Produzent lobt den Regisseur als großen
Künstler und guten Freund, der Regisseur dankt dem Produzenten für
die gewährten Freiheiten und den Schauspielern für ihr Engagement,
der Kameramann dankt dem Kabelträger und dem Kaffeekoch usw.
usf.
Man fragt sich, wo auf einmal die diktatorischen Regisseure
geblieben sind und wo die exzentrischen Schauspieler (man
vergleiche dazu etwa den in Cannes gelaufenen Dokumentarfilm MEIN
LIEBSTER FEIND von Werner Herzog über seine Arbeit mit Klaus
Kinski) ? Wo sind die allmächtigen, gnadenlosen Produzenten, wo die
eigenwillig sturen Techniker, wo die verzweifelten
Drehbuchautoren.....? Warum beschwert sich plötzlich niemand
mehr über das Aufstehen um 4.00 Uhr morgens, über das endlose
Schminken, die nervtötende Warterei zwischen den Aufnahmen, die 30
oder 40 mal wiederholten Szenen, die willkürlichen Änderungen im
Drehbuch........? Wer sehen will, was für ein Wahnsinn und
welche Qual das Filmemachen wirklich sein kann, dem seien Filme wie
THE PLAYER, MISTRESS, DANGEROUS GAME oder LIVING IN OBLIVION ans
Herz gelegt.
Jetzt ist der Gedanke, von allen Beteiligten dieser Making of -
Berichte aus Werbegründen belogen zu werden ärgerlich und
abstoßend. Was mich tief im Inneren aber viel mehr beunruhigt, ist
die Vermutung, daß diese allumgreifende Harmonie echt ist. Als
bei einem Interview mit Will Smith zu seinem Film DER STAATSFEIND
NR. 1 das Gespräch auf seine Kollegin Lisa Bonet kam, schwärmte
dieser eben nicht von der verführerischen Schauspielerin, sondern
von deren kleiner, reizenden Tochter, die so schön mit Wills
kleinem Sohn auf dem Set gespielt hat. "So cute, so sweet !!!"
ruft der Amerikaner bei einer solchen Gelegenheit laut aus, während
ich froh bin, daß W.C. Fields das nicht mehr miterleben
muß.
Michael
Haberlander
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