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Oder: Warum Artechock momentan nicht so
großartig ist wie gewohnt, es aber bald noch viel mehr sein
wird
Sie, liebe Leser, sind ja manches von uns gewohnt. Aber doch eher
nicht, daß zwei Wochen ins Land gehen, ohne daß bei Artechock
Kritiken zu den aktuellen Filmen zu finden sind. Da ist dann wohl
unsererseits eine Entschuldigung und eine Erklärung fällig.
Also: 1. Entschuldigung. Soll möglichst so schnell nicht wieder
vorkommen. 2. Das Filmfest München naht. Und da dieses Jahr
Artechock die Ehre hat, dessen Internet-Auftritt zu betreuen,
kommen wir hier kaum noch zum Schreiben. Dafür gibt's wunderschöne
Filmfest-Seiten - und im Zuge der ganzen Aktion demnächst auch ein
wunderschönes Artechock Re-Design. Das wir dann wieder fleißig mit
Inhalt füllen werden... Es wird also letzendlich doch alles
besser und eines Tages vielleicht sogar gut.
Damit Sie jetzt aber nicht aus lauter Verzweiflung ob der
fehlenden cineastischen Handreichungen unsererseits ihre kostbare
Zeit und ihr mühsam verdientes Geld in die flaschen Filme
investieren, wenigstens ein kurzer Überblick über die wichtigsten
Filme, die derzeit über Münchner Leinwände
flackern:
ALLES ROUTINE (OFFICE SPACE): Beavis &
Butthead-Schöpfer Mike Judge begibt sich ins Reich des Realfilms,
mit durchaus akzeptablem Resultat. Nicht, daß er uns etwas Neues
erzählt: Daß Büroarbeit die Hölle ist, wissen wir sowieso. Und wie
Judge afro-amerikanische Kultur zum unverdorbenen Garant für
authentisches Leben stilisiert, und wie er letzlich dann doch zum
recht versöhnlichen Fazit kommt, daß kapitalistische Arbeit schon
in Ordnung ist, wenn sie nur ein bißchen weniger entfremdet ist,
ist weniger toll als das konsequent anarchische Treiben seiner
Cartoon-Helden. Aber die Gags zünden, und allein für den
psychopathischen Milton ("Gonnashowthemgonnaburndown the building")
lohnt sich der Film allemal.
AUF DEN ERSTEN BLICK (AT
FIRST SIGHT): Ich hab' ihn nicht gesehen (no pun intended),
aber Max sagt: "Hoffnungslose Schmonzette (oder: Gnadenlose
Schmonzette... oder: gnadenlos peinvolle Schmonzette?)" (Und er
steht da auch voll dahinter!)
BARRACUDA: Im Ansatz
gut - der nette, alte Nachbar von nebenan entpuppt sich als
Psychopath, der eine Schaufensterpuppe als Frau hat, und macht sich
den jungen Protagonisten zum Gefangenen. Aber nach ca. 20 Minuten
ist der Großteil des Pulvers verschossen, und dann reichen
Intelligenz und Können der Macher nicht mehr so recht, um auch den
Rest des Filmes noch wirklich interessant zu gestalten. Aber es
gibt durchaus Schlechteres...
z.B.: DIE MUMIE (THE
MUMMY): Ein Film, der sich auf der Flucht vor seiner
bodenlosen Hohlheit hysterisch vorwärtsstürzt in pausenlosen
blinden Aktionismus. Warum jemand soviel Zeit, Geld und Arbeit
investiert in den Versuch, billige Abenteuerserials der 20er und
30er wiederaufleben zu lassen, ist mir schleierhaft - zumal die für
solche Projekte mit der INDIANA JONES-Trilogie gelegte Meßlatte
auch noch weit unterschritten wird. (Daß das Ganze mit Karl Freunds
wunderbarem THE MUMMY nichts zu tun hat, ist eh' klar - aber da der
Film da gar keinen Bezug will, wäre es auch unfair, ihn zu
verlangen.) Aber anscheinend bin ich der einzige, der sich durch
die bloße Tatsache, daß es auf der Leinwand dauernd Knall und Peng
und Bumm macht, noch lange nicht unterhalten fühlt, der einzige,
der über den uninspirierten, kindischen Pseudo-Humor nicht lachen
kann, der einzige, dem der abgelutschte Plot und die
0,5-dimensionalen Pappcharaktere dermaßen am Arsch vorbeigehen...
Also - gehn's halt nei, wie alle anderen auch, und fressen's ein
Eimer Popcorn, damit der Abend wenigstens irgend eine Substanz
Gehabt hat. Ich kann Sie eh' nicht abhalten, ich weiß...
Während jetzt aber THE MUMMY in allen Kinos rauf- und
runtergenudelt wird wie blöd und somit wohl als veritabler, großer
Film gilt, wird der ungleich interessantere und
vielschichtigere SOLDIER (zu gut deutsch: STAR FORCE
SOLDIER) in zwei Schundkinos verheitzt und wird offenbar als
tumbes B-Picture für Prol-Publikum verstanden. Dabei ist einiges
los in dem neuesten Film von Regisseur Paul Anderson (SHOPPING und
der ebenfalls bös unterschätzte EVENT HORIZON) und Drehbuchautor
David Webb Peoples (BLADE RUNNER, UNFORGIVEN, 12 MONKEYS). Das
Ganze beginnt als pazifistisch angehauchte Fabel über das
soldatische Weltbild, gönnt sich dann lange, lyrische Momente und
endet schließlich in einer Riefenstahl-ähnlichen Fetisch-Schau von
schweiß- und bluttriefenden Männer-Körpern. Aber mit etwas Glück
erzählt uns die werte Kollegin Regine Welsch demnächst noch ein
bißchen mehr über das alles, denn die findet den Film richtiggehend
genial (so weit würde ich dann doch nicht gehen mit meiner
Begeisterung - ich finde SOLDIER sehr faszinierend, aber kein
Meisterwerk). Hoffen wir also, daß Regine sich zum Verfassen eines
ihrer bekannt schönen Texte überreden läßt - und gucken einstweilen
den Film.
VERFÜHRERISCHE FALLE (ENTRAPMENT) kann man
sich auch anschauen, muß man aber wirklich nicht - Connery ist
chronisch unterfordert, Catherine Zeta-Jones lang nicht so toll,
wie sie selbst zu glauben scheint, und Buch und Regie wissen mit
den interessanten Ansätzen, die sie bieten, selbst absolut nichts
anzufangen.
ENTRAPMENT würde ich wirklich nur denen empfehlen, die sonst
schon alles gesehen haben. Es gibt nämlich wesentlich sinnvollere
und gewinnbringendere Möglichkeiten, einen Kinoabend zu
gestalten. Erstmal wäre da - für alle, die tapfer darauf
gewartet haben, und für alle, die sich schon die Synchro angetan
haben, aber den Film noch mal so erleben wollen, wie er gehört - im
Maxim endlich die lange ersehnte OmU-Fassung von FESTEN (DAS
FEST). Hinein, hinein, hinein, kann ich nur raten - denn
bekanntlich ist ein Dogma 95-Film (laut Dogma-Regel No.2) nur dann
wirklich ein solcher, wenn ausschließlich am Drehort aufgenommener
Ton zu hören ist. Und jetzt hoffen wir dann auch ganz fest noch auf
IDIOTERNE (IDIOTEN) im Original! Dann Mike Hodges: Die halbe
Retro im Filmmuseum ist leider schon wieder vorrüber - aber einige
schöne Filme kommen da noch, und am Wochenende ist der Meister
selbst zu Gast! Also: Pflicht! Wer's aber am Sonntag verpaßt,
der sollte sich wenigstens anderweitig CROUPIER ansehen.
Kein Glanzstück an Production Values, keine berauschende optische
Oberfläche, gewiß. Aber an Tiefe und Komplexität kommt in der
derzeitigen Kinolandschaft wenig ran. Dazu jedoch mit etwas Glück
demnächst mehr in einem ausführlichen Text. Und dito zu meinem
persönlichen Tip der Woche: THE WISDOM OF CROCODILES (DIE
WEISHEIT DER KROKODILE) - ein wunderbar sinnlicher,
vielschichtiger, genau gearbeiteter und zurückhaltender Beitrag zum
Vampirfilm-Genre, der auf diesem tausendfach durchgepflügtem
Untotenacker mit ganz neuen Ansätzen glänzt. Aber auch für alle,
die einfach nur gutes Kino lieben, ein Muß.
So, das sollte dann wenigstens bis nächste Woche über den Mangel
an Artechock-Kritiken hinwegtrösten - und wenn alles so geht, wie
es soll, dann melden wir uns da wieder mit einem reichhaltigeren
Angebot an Texten zurück. In der Hoffnung, Sie auch dann wieder
als treue Leser begrüßen zu dürfen.
Thomas
Willmann
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