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13.05.1999
 
 
   
 

Das Doku - Drama

 
KURT GERRONS KARUSSEL
     
 
 
 
 

Das 14. Münchner Dokumentarfilmfestival, das am 9.5. endete, hatte trotz ausgiebiger und wohlwollender Berichterstattung der Medien, wie üblich eine eher verhaltene Aufmerksamkeit - zumindest im Vergleich zum Filmfest München - erregt.
Kein Wunder, könnte man meinen, da auch im restlichen Jahr von der Vielzahl der gedrehten Dokumentarfilme nur ein gutes Dutzend (wovon wiederum die Hälfte Musikdokus wie BLUE NOTE, A TICKLE IN THE HEART oder zuletzt LAGRIMAS NEGRAS sind) den Weg in die einschlägigen Programmkinos schafft.

Es gilt offensichtlich die Ansicht, daß Dokumentarfilme nur von einer winzigen, wenig lukrativen Randgruppe geschätzt werden, weshalb es Verleihfirmen im Zweifelsfall vorziehen, einen unbekannten amerikanischen Independentfilm ins Rennen zu schicken und auf ein kleines Wunder zu hoffen, als sich mit dem Verleih einer Dokumentation in den scheinbar sicheren Verlust zu stürzen.
Betrachtet man die tatsächlichen Einspielergebnisse der wenigen im Kino laufenden Dokus, so wird das Verhalten der Verleiher irgendwie verständlicher, während die Verantwortung für diese Misere immer mehr in Richtung der Zuschauer rückt; doch gerade das verwundert.

Eine alte Hollywoodweisheit besagt, daß Frau X, nach ihrer Arbeit in der Fabrik, im Kino keine Frau X bei der Arbeit in einer Fabrik sehen will. Hundertprozentig hat diese Aussage noch nie gestimmt, doch mittlerweile wird sie von der Realität täglich widerlegt.
Denn gerade das krankhafte Bedürfnis der Zuschauer nach echten Gefühlen und wahren Geschichten, produziert eine voyeuristische Medienwelt, die seinerseits zum Lieblingsthema des Kinos avanciert (siehe u.a. DIE TRUMAN SHOW, LATE SHOW, SITCOM).
Warum, so frage ich mich deshalb, sitzen die Menschen vor dem Fernseher, um darin die Realität, in der sie täglich leben, zu beobachten, während sie im Kino nur das Künstliche und Erfundene sehen wollen ? Warum erzeugt bei den Zuschauern ein Satz wie "Dieser Film beruht auf einer wahren Geschichte" einen wohligen Schauer, während die Darstellung der echten Umstände in einem Dokumentarfilm die Leute abschreckt ?

Noch unverständlicher wird die Ablehnung des Dokumentarfilms, wenn man ihm sein literarisches Pendant, das Sachbuch, gegenüberstellt. Der Markt der Sachbücher wächst unvermindert an, selbst Bücher zu schwierigen Wissenschaften wie Quantenmechanik oder Astrophysik erreichen erstaunliche Auflagen und gefällig gemachte Abhandlungen zu Themen wie Verschwörungen, Wissen- und Wirtschaftsskandalen oder Geschichtsirrtümer verkaufen sich ähnlich gut wie die Romane von Grisham und Co.
Im Gegensatz zu jedem anderen Bestseller kommt im Fall von erfolgreichen Sachbüchern jedoch kaum jemand auf die Idee, sie zu verfilmen, weshalb der Film zu Stephen Hawkings EINE KURZE GESCHICHTE DER ZEIT von Errol Morris eine der seltenen Ausnahmen bleibt.

Ich kann mir deshalb die Erfolglosigkeit der Dokumentarfilme nur noch durch eine Traumatisierung der Kinogänger während ihrer Schulzeit erklären. Wer jemals im Biologieunterricht einen Lehrfilm über das nicht besonders schillernden Leben der Eulen ertragen mußte, oder in Geschichte die Trilogie FRANZÖSISCHER MERKANTILISMUS I - III sah, weiß, wovon ich rede.

Michael Haberlander

P.S.: Und dennoch kommen wieder Dokus, die auf dem Festival liefen, auch in die Kinos. Dazu zählt neben Kopfleuchten, der im Maxim zu sehen ist, auch Kurt Gerrons Karussel, der im Rottmann und Isabella gezeigt wird!

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