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editorial

In Münchens Museen tut sich zur Zeit einiges: seit dem 10. April hat die Staatsgalerie moderner Kunst geschlossen; eigentlich für immer - die Sammlung wird in die Neue Pinakothek der Moderne verlagert -, aber dann doch nicht ganz für immer. Vom 9. Juni bis 8. Oktober ist die Sammlung Brandhorst dort ausgestellt, über die wir leider auch noch keine näheren Informationen haben.
Ersatzweise, für den Verlust der Staatsgalerie-Sammlung gibt es Neuerungen in den Pinakotheken: nicht nur, daß Sonntags der Eintritt jetzt frei ist, sondern ab Mai haben beide Häuser einen langen Donnerstag, das heißt bis 22.00 Uhr geöffnet.
Leider muß der guten Nachricht noch eine schlechte hinzugefügt werden: nicht nur die Staatsgalerie hat ihre Tore geschlossen, sondern auch die Antikensammlung macht im Mai für ein Jahr zu: Der Bau muß saniert werden, daher wird zumindest ein Teil der Vasenkunst für längere Zeit in der Glypthothek ausgestellt. Wer sich vorher nochmal ausgiebig über antike Vasen, Goldschmuck etc. informieren will, hat im April und Anfang Mai die Gelegenheit an Sonderführungen (s. unsere Termine) teilzunehmen, die extra aufgrund der Schließung organisiert wurden.
   

abschied von beuys' installation

"das ende des 20. jahrhunderts"

"Das Ende des 20. Jahrhunderts" - so lautet der Titel der Plastik von Joseph Beuys, die Annette Philp in der Staatsgalerie für Moderne Kunst vorstellte. Ein Trümmerfeld von 44 unordentlich umgeworfenen Steinsäulen.
Unordnung - das erste Stichwort, mit dem Annette Philp ihr Publikumsexperiment startete.
„Stellen sie sich so in den Raum, dass sie das Gefühl haben, es herrsche Unordnung und spüren sie sich dabei selbst! “ Wie fühlen sie sich? Entspannt. Ruhig.
„Stellen sie sich nun so auf- sie hält eine Tablettenschablone als Formbeispiel hoch - und spüren sie sich in ihrer Umgebung! “ Jetzt fühlt man sich wie beim Militär, wie in der Schule oder im Kindergarten. In Reihen marschieren wir nun vor zu dem Wandspalt, der die Beuys`sche Plastik freigibt. Die Assoziationen, die das Steinfeld beim langsamen Vorüberziehen im Besucher hervorruft reichen von Starrheit oder Kraft über Ewigkeit oder Vergänglichkeit bis zu geordneter Unordnung. Aah ja.
Chaotisch und gleichzeitig in einer Form. Das sind auch die Gegensätze, die Beuys sah:
Chaos - Form
Im Basalt sah er die Möglichkeit beide Pole gleichzeitig in einem natürlichen Material zu präsentieren, bedingt durch den Entstehungsprozeß der Basaltsäulen. Nach einem Vulkanausbruch fließt die noch heiße Lava mit großer Geschwindigkeit bergab. Beim Erkalten erstarrt sie zu einer Art länglichem Sarg, den man später mühelos aus dem übrigen Felsgestein lösen kann.
Der chaotische Anfangszustand geht in
natürliche Ordnung über und verliert dabei seine Energie, seine Bewegung.
Gedanken haben wir schon erfaßt und klar umgrenzt, wir können sie benennen. Das Chaos dagegen, die Grundlage der Form ist nicht benennbar.
Es ist nun unsere Aufgabe den starren Gedankenformen ihre Bewegung zurückzugeben.
Beuys hat aus den Steinen einen Kegel herausgeschnitten, ihn mit Filz umwickelt und mit Ton wieder in den Stein zurückgesetzt (es ähnelt einem Auge im Stein), und damit durch einen technischen Eingriff dem Betrachter einen Anhaltspunkt gegeben, auf den sich der Blick richtet. Durch den Eingriff des Menschen am Stein wird dieser entmaterialisiert, weil eine Konzentration auf eine Stelle des Steines entsteht. Der Kegel, das Auge, provoziert die Frage nach dem `Warum´, nach der Absicht des Künstlers - Beuys bringt durch das Auge Leben in den erkalteten Stein zurück.
Im Stein - aus Stein - durch Stein geschieht Bewegung. Im Menschen - aus Menschlichem und durch den Menschen.Das Potential liegt im Material selbst.

Das Ende des 20. Jahrhunderts. Ein Befund Beuys mit der Aufforderung an den Menschen zur Handlung, zur Bewegung, zur Wiederbelebung der technischen Welt - denn jeder Mensch ist ein Künstler.
Erst im Dialog und durch Verständigung kamen wir auf diese Ideen und indem gegensätzliche Eindrücke geäußert wurden, erweiterte sich die subjektive Sicht, es wurden eben beide Gegensätze berücksichtigt. In Gemeinschaft geschieht Inspiration indem man dem anderen gegenüber ein Pol ist und sich durch Kommunikation aktiviert. Beuys` soziale Plastik zeigt eine Steingruppe, eine Gemeinschaft.

   

das ende der staatsgalerie

Ein weiteres Ende steht bevor. Die Staatsgalerie moderner Kunst schließt. Beuys und Co wandern ins Depot und kommen erst im Oktober 2001 wieder zum Vorschein. Dann aber in einem gigantischen Museumsbau, der Glanzstücke aus den verschiedensten Sammlungen der Kunst des 20. Jahrhunderts präsentiert - der Pinakothek der Moderne.
Zusätzlich zu Meistern vom Mittelalter bis zur Neuzeit wird nun also auch die unmittelbare Vergangenheit präsentiert. Die „Glanzlichter“ moderner Kunst lagerten in Kellern und konnten wegen Platzmangels nicht gezeigt werden. Die Schöpfungen von Beckmann, Kandinsky, Kirchner, Heckel. Ernst, usw. standen also schon lange Zeit bereit, es fehlte nur der adäquate Austellungsraum.
Es sei ja nicht so, daß wir erst ein Museum bauen und uns dann auf die Suche nach Bildern machen müßten, nein - wir haben sie schon!, meinte, sichtlich voller Stolz, Staatsminister Zehetmair in seiner Rede anläßlich der Schließung der Staatsgalerie und im Hinblick auf die Eröffnung des neuen Museums. Bald kommt also das Ausstellungshaus, indem die Kunstwerke ans Volk gebracht werden.
Endlich.

andrea heister

   

"kunst zu verkaufen"

art frankfurt - messe für zeitgenössische kunst

Vom 24. bis 27. März fand zum zwölften Mal die Art Frankfurt statt. 202 Aussteller aus dreizehn Ländern teilten sich zwei Ebenen in Messehalle 1.

Beim Rundgang in Ebene 1.2 stellte man schnell fest, daß das Versprechen, Kunst der 60er Jahre zu zeigen, vielerorts gebrochen wurde. Nicht wenige gleichwohl gediegene Galerien setzten nach wie vor auf die klassische Moderne mit Vertretern des Deutschen Informell, Dada und Surrealismus und allerlei Dekorativem von Klassikern wie Miró, Vasarelli und Arp. Daran schließt sich dann die Kunst der sechziger Jahre an, ähnlich traditionell, mit amerikanischen Vertretern wie Sam Francis, Dan Flavin, Donald Judd, Cy Twombly und, immer wieder gerne gesehen, Andy Warhol und Roy Lichtenstein. In diesem Areal bewegen sich dann in erster Linie Menschen mit versilberten Visitenkartenetuis und die Preise im sechs - oder siebenstelligen Bereich.

„Kunst ist zu verkaufen" kommt einem da nicht nur in den Sinn, sondern springt einem direkt ins Auge: Dieser Satz, ein Werk des Fluxus-Künstlers Ben Vautier, prangt auf einer Postkarte am Stand der Galerie Schüppenhauer aus Köln. Neben Ben Vautier vertritt diese Galerie beispielsweise den deutschen Künstler Franz John, der für die Art Frankfurt die Multiple - Serie „Die Erde ist eine Scheibe" geschaffen hat. Sie besteht aus fünf kleinen Souvenirkameras, in denen man Fotos anklickt, die mit einer Webcam aufgenommen wurden. Da gibt es beispielsweise die „Manhattan Cam", die „Südpol Cam" oder auch die „Coffe Cam", das Stück zu 199,- DM. Eine Preisstufe, die einen nahezu aufatmen läßt und auf der Art Frankfurt tatsächlich noch zu finden ist. Die Galerie Schüppenhauer zählt nämlich noch nicht lange zur renommierten Abteilung, zumindest nicht auf der Art Frankfurt. Sie gehört zu den sechs auserwählten jungen Galerien, die im Vorjahr noch ein Stockwerk tiefer ausgestellt haben.

Neben diesen Newcomern trauten sich auch renommierten Galerien, zeitgenössische Kunst einem breiteren Publikum vorzustellen und setzten dabei auf „One-Artist-Shows" - hatten aber vorsichtshalber doch noch ein paar Klassiker im Gepäck.

   

auch münchner galerien reichlich vertreten

Klares Highlight in Ebene 1.2 war die Ausstellung „Spuren der Macht - die Verwandlung des Menschen durch das Amt" zum gleichnamigen Bildband von Herlinde Koelbl. Die Fotografin, bekannt durch Bücher wie „Das deutsche Wohnzimmer" oder „Jüdische Portraits", begleitete acht Jahre lang Politiker, führende Persönlichkeiten aus der Wirtschaft und Medienmacher, um in Fotografien und Interviews Veränderungen der Persönlichkeit zu untersuchen. Unter den Protagonisten befinden sich Prominente wie Joschka Fischer, Gerhard Schröder oder Angela Merkel. In Zusammenarbeit mit der Berliner Galerie Tammen & Busch zeigte die Art Frankfurt die komplette Ausstellung, die bereits mit großem Erfolg im Deutschen Historischen Museum in Berlin zu sehen war.

In Halle 1.1 ging es dann doch ein bißchen unkonventioneller zu. Hier erhielten 72 jüngere Galerien die Gelegenheit, im Rahmen eines Förderprogramms aktuellste Kunst zu zeigen. Gleich zu Anfang trifft man auf Ungewohntes bei der Münchner Galerie Schweden, lädt doch tatsächlich ein Schild vor einer Installation zum Betreten derselben ein: Dieser Teppich darf, soll und muß betreten werden. Soulsavingblankets heißt diese Installation von Babette Eid und besteht aus mehreren Kissen, die aus Zucker gegossen und mit Lebensmittelfarbe eingefärbt sind. In den Zuckerkissen sind Fotos von Kindergesichtern eingelassen, Kriegsbilder aus dem Kosovo, dazwischen eine flauschige Kinderdecke - zur Seelenrettung.
In diesem Distrikt werden aber nicht nur Seelen gerettet: Konkrete Lebenshilfe gar bietet die kanadische Künstlerin Dana Wyse in der Gruppenausstellung „Tasty" der Schweizer Galerie Projects United. Für nur 30 DM erwirbt man ein Säckchen bunter Pillen für schöne Kindheitserinnerungen, ewige Liebe, unerschütterlichen Glauben oder sofort blondes Haar. Und Ottmar Hörl, ringsum vertreten auf der Art Frankfurt, gibt einem die Möglichkeit, seine Hände in Unschuld zu waschen, im wahrsten Sinne des Wortes, denn für 20 DM erhält man eine Seifendose inklusive Kernseife mit besagtem Aufdruck. Überhaupt ist Multiple in Ebene 1.1 das Zauberwort. Daran hielt sich beispielsweise auch die Galerie Burger aus München mit der Edition Kunstimbiss, deren Ziel es ist, durch Multiples im Form von limitierten Drucken, Photos oder T-Shirts die Grenzen zwischen Hoch- und Popkultur aufzubrechen.

In derselben Halle befand sich nach der recht erfolgreichen Premiere im Jahr zuvor auch diesmal das Art Kino mit einem Programm verschiedener Kunstfilmprojekte inklusive Diskussionsforum. Ganz neu auf Ebene 1.1 in diesem Jahr war der Edition District, innerhalb dessen sich zum einen verschiedene Kunstmagazine vorstellten, zum anderen dem Thema Künstlerbücher ein eigener Bereich gewidmet wurde. Der Schwerpunkt lag dabei auf einer Auswahl aktueller und historischer russischer Künstlerbücher.

Die diesjährige Art Frankfurt konnte im Vergleich zu den Vorjahren diesmal wirklich von Erfolg sprechen, Besucherzahlen gehen seit zwei Jahren wieder nach oben und das Teilnahmeinteresse lag über dem des Vorjahres. Die Leiterin der Art Frankfurt, Marianne El Hariri, betonte zudem, daß die derzeit noch roten Zahlen in immer hellerem Rot geschrieben werden. Bis zu ihrer Pensionierung in zwanzig Jahren wird schon geplant. Dann allerdings darf die Art Frankfurt für den Veranstalter kein Zuschußbetrieb mehr sein. Die nächste Art Frankfurt, ihres Zeichens die dreizehnte, findet statt vom 28.4.-1.5.2001.

kathrin hartmann


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