31.05.2012
65. Filmfestspiele Cannes 2012

»Fuck Orders! I am not the hero, I am the villain«

Gangs of Wasseypur
Anurag Kashyaps Gangs of Wasseypur: So etwas gab es lange nicht zu sehen...
(Foto: Impuls Home Entertainment)

Unser Glaube sei Hingucken: Rimbaud überm Schreibtisch, ein Vampir an der Wall Street, Falschscheiber und Rechtschreiber, ein Kapitalismus-Herzkammerspiel und Sehnsucht nach Millionären – Cannes-Tagebuch, 4. Folge: Donnerstag, Freitag

Von Rüdiger Suchsland

»To the true believer faith is obser­va­tion.« Dieser Satz von Reb Nachman Breslover, dem Rabbi Nachman (1772-1810), Begründer der chas­si­di­schen Tradition des Judentums, steht diekt am Beginn von God’s Neigh­bours in der Semaine de la Critique. Er gilt auch für die Gläubigen des Kinos: Unser Glaube zeigt sich im genauen Hingucken, in der Beob­ach­tung, wieder und immer wieder, und mit den Filmen sprechen wir mit einem guten Freund. Shma Israel!

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Es geht los wie ein Western: Ein Zugü­ber­fall, Pfer­de­wie­hern. Aber das Ganze spielt im Jahr 1941, in Indien, das damals noch eine britische Kolonie ist... Es ist eine Räuber­bande, die hier einen Zug ausraubt, um Getrei­desäcke zu stehlen. In dieser Episode liegt die Initi­al­zün­dung zu einem Banden­krieg rund um die benga­li­sche Stadt Wasseypur. Von diesem erzählt der indische Regisseur Anurag Kashyap in seinem Film Gangs of Wasseypur, einem nicht weniger als fünf­stün­digen und trotzdem sehr kurz­wei­ligen Gangs­ter­spek­takel, das l ängst nicht nur Freunde des Genre­kinos begeis­terte.

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Eigent­lich geht es los, wie eine Soap. Die läuft im indischen Fernsehen, eine nicht mehr ganz junge Frau singt ein Bollywood-Kitsch­lied. Langsam, ganz langsam zieht sich die Kamera zurück. Wir erkennen, dass es sich überhaupt um ein Fern­seh­bild im Kinobild handelt, wir sehen dass der Fernseher eher klein ist, und in einem Laden­ge­schäft steht. Die Besitzer sind arm. Dann zerschmet­tern Schüsse den Bild­schirm – ein Fashion-Statement auf Indisch.

Bei den Schützen handelt es sich um eine Bande. Schnell ist klar: Sie haben es auf den Führer einer konkur­rie­rende Gang abgesehen. Von mehreren Seiten nähern sie sich dessen Haus. Der Komman­deur sagt: »Fuck Orders! Just shot everyone that moves.«

Aber als erfahrene Zuschauer spüren wir sofort, was dieser Mann übersieht: Irgend­etwas stimmt nicht. Man sollte in Räume, in die man Hand­gra­naten reinwirft immer auch später reingehen und nach­schauen. Nicht den Unter­ge­benen trauen. Nicht einfach sagen: »Basterds are dead.« Von wegen. Wir Zuschauer sehen, dass die Anschlags­ziele – ein älterer Mann, ein jüngerer, zwei junge Frauen –, unver­letzt in Sicher­heit sind. Wir lächeln über den Klin­gel­song am Handy: »I am not the hero, I am the villain.«
Dann kommt der Vorspann und der eigent­liche Beginn.

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So etwas hatte man lange nicht mehr gesehen: Kashyap schafft mit seinem Film, einem der gefei­ertsten Werke bei den dies­jäh­rigen Film­fest­spielen, das in der Neben­reihe Quinzaine Premiere hatte, mit spie­le­ri­scher Leich­tig­keit, was vielen hoch­tra­bend mit Bedeutung hausie­renden Filmen im Wett­be­werb in diesem Jahr misslang: Er verknüpft künst­le­ri­schen Anspruch und Unter­hal­tung, verbindet poli­ti­sche Relevanz mit einem virtuosen Stil, der den Betrachter immer wieder in Bann zieht, und auch fünf Kino­stunden nicht lang­weilig werden lässt. Gangs of Wasseypur ist eine Art indisches Pendant zu Sergio Leones Klassiker »Once Upon a Time in America dessen restau­rierte, verlän­gerte Version auch in Cannes lief, in der Reihe ›Cannes Classics‹: Im Epos über den Kampf zweier Familien zwischen 1941 und 2011 streift man Dokumente aus 70 Jahren indischer Geschichte und so wird der Film unter der Hand auch zu einer ebenso origi­nellen wie facet­ten­rei­chen Sozi­al­his­torie des Subkon­ti­nents.«

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Viele der Filme in den unab­hän­gigen Sektionen »Quinzaine des Reali­sa­teurs« und »Semaine de la Critique« sind natürlich »kleiner« und beschei­dener gemacht, als dieser außer­ge­wöhn­liche, mit 340 Darstel­lern und einem Team von 150 Leuten gedrehte Film. Trotzdem gilt ein allge­meiner Grundsatz: Kleine Reihen haben extremere Filme, weniger Konsens­filme.

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Etwa der ganz hervor­ra­gende chile­ni­sche No von Pablo Larrain, vom dem nicht wenige Zuschauer sagten, er hätte eigentich im Wett­be­werb laufen müssen: Immerhin gewann er den Haupt­preis der Quinzaine. Mexikos Weltstar Gael Garcia Bernal spielt in »No« die auf histo­ri­schen Fakten beruhende Figur eines zunächst unpo­li­ti­schen jungen sehr talen­tierten Werbe­ma­na­gers, der im Jahr 1988, gegen Ende der faschis­ti­schen Pinochet-Diktatur vom demo­kra­ti­schen Oppo­si­ti­ons­bündnis zum Leiter jener Refe­ren­dums­kam­pagne gemacht wurde, die Pinochet schließ­lich zum Rücktritt zwang. Am Beispiel einer Person wird man Zeuge eines poli­ti­schen Reife­pro­zesses, der Geburt des poli­ti­schen Idea­lismus aus dem Geist der Moral.

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Um Moral, zunächst freilich ihre negativen Folgen geht es auch in dem israe­li­schen Film God’s Neigh­bours, der in der Semaine de la Critique den Preisen für die »Beste Regie« wie für »Beste Musik« ausge­zeichnet wurde. Regisseur Meni Yaesh erzählt in seinem Debüt von einer Gang junger Männer in der Tel Aviver Vorstadt Bat Yam. Was sie von anderen unter­scheidet: Sie sind radikale jüdische Funda­men­ta­listen: Sie bedrohen Frauen aus der Nach­bar­schaft, die sich ihrer Ansicht »unzüchtig« kleiden (»Dress properly! respect the neigh­bour­hood!«), kleine Laden­be­sitzer (»Don’t stay open on Sabbat!«) und säkulare Juden, die sich nicht an die reli­giösen Sabbat-Vorschriften halten, und schlagen auch schon mal einen Straßen­händler kran­ken­haus­reif, der die falschen Filme verkauft (»You sell them in Tel Aviv!«).

Lächelnd sagen sie »Be prepared for the messiah. No despair in the world.« Dann kiffen sie und kompo­nieren Techno-Beats mit reli­giösen Texten. Glaube als Männer­bund mit singen, tanzen, spielen, lachen. Der Rabbi sagt ihnen: Coman­de­ment komme von Kame­rad­schaft. Dann »I dont know a clue«, den Intel­lek­tua­lität ist ja Eitelkeit. Sie sind arrogant, denn sie reden täglich mit ihrem Gott, und er antwortet ihnen auch.

Nur Frauen stören die Männer­welt, und Leute, die an die Wand schmieren: »No religious people! No terrorism!« zusammen mit einem Haken­kreuz. Oder die ihnen zurufen: »Ihr wollt keine laute Musik, aber ihr werft Steine auf Araber.« Dann schlagen die Jungs zu.

God’s Neigh­bours ist ein Film voller Energie, der einen frischen, unge­wohnten Blick auf die Lebens­ver­hält­nisse in Israel wirft. Yaesh weckt Vers­tändnis für seine höchst proble­ma­ti­schen Haupt­fi­guren, für meinen Geschmack etwas zuviel, und er zeigt trotzdem die wich­tigsten Schat­ten­seiten von Religion, nämlich Unduld­sam­keit und Into­le­ranz, in unge­schönter Form.

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Ein guter Satz blieb mir noch im Gedächtnis, der auch für Film­kri­tiker ein guter Ratschlag ist: »You are in the same place as your thoughts. Make sure they are in the place, where you wanna be.«

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Im Vergleich der beiden Neben­reihen, die 2012 beide mit einem neuen Direktor antraten, schnitt die Quinzaine diesmal deutlich besser ab. Hatte vor einem Jahr die Semaine noch die Nase vorn, machte die Quinazine diesmal das verlorene Terrain wieder gut und erneuerte ihre Rolle als Sektion zur Entde­ckung der wich­tigsten neuen Talente des Weltkinos.

Bei der Vorstel­lung seines Films gab Anurag Kashyap die schöne, aber auch einzig wahre Antwort auf die Frage nach Cannes Bedeutung: »What does Cannes mean for an Indian Filmmaker?« – »For every Filmmaker, it’s the Mecca«

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Und immel schlön die rehtshreib­prü­fung durch­ratten lassen… Aus Deutsch­land kommen besorgte Fragen, ob ich denn müde sei. Nein nein, nur arbeitet man ja hier unter Hochdruck immer auf dem Sprung zum nächsten Film, unter­bro­chen von netten Fragen geschätzter Kollegen, vom Höllen­lärm im Palais oder den Schreien der Foto­grafen am roten Teppich, die wir hier hören. Und vor allem an fran­zö­si­schen Tasta­turen.

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Recht­schreib­pro­gramme sind manchmal Falsch­schreib­pro­gramme, das merkt man besonders auf Film­fes­ti­vals wo unser­einer seine vielen tausend Zeichen oft in auslän­di­sche Tasta­turen hinein­ha­cken muss. Gerade haben wir zum Beispiel »kacken« hinge­schrieben, was uns natürlich wie von selbst auf das Unter­be­wusste führt.
Noch schlimmer ist es, wenn sie Worte »verbes­sern«, der Computer also selbst ein Unter­be­wusstes ausbildet und den Schrei­benden stärker kontrol­liert, als es sein Über-Ich je könnte. Aus dem Programm wird dann schon mal ein Pogrom,

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»Computer will die« heißt es bei Don DeLillo. Schön wär’s, zur Zeit wirken sie leben­diger denn je.

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Versäumt man eigent­lich was, wenn man wegguckt? Oder reicht es, den Film zu hören? Das ist auch mal eine Frage, nach der man Filme unter­scheiden kann. Und klar, wenn ein Film eigent­lich keine Bilder braucht, ist er kein guter.

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Walter Salles On the Road im Wett­be­werb war ein Film, bei dem man getrost mal ein paar Minuten zur Entspan­nung die Augen hätte zumachen können – wäre man nicht in Gefahr gelaufen, dann gleich einzu­schlafen. »Der Tiefpunkt« meinte später ein Fern­seh­re­dak­teur zu mir, und man konnte kaum wieder­spre­chen. Man hatte vom Brasi­lianer Salles zwar nicht viel erwartet, ich sein Zeug auch noch nie gemocht, aber das Buch gibt doch immerhin viel her. On the Road ist schließ­lich die Verfil­mung »des« Kultbuchs der Beat-Gene­ra­tion, wurde von Francis Ford Coppola produ­ziert und ist mit Sam Riley, Kristin Stewart, Kirsten Dunst und Viggo Mortensen hoch­karätig besetzt. Das Ergebnis ist trotzdem eine vor allem unglaub­lich glatte, illus­tra­tive und gefällige Version des Buches. Als Film extrem lang lang lang-weilig . Nichts Brasi­la­ni­sches, sondern schlechtes Hollywood. Salles schafft es noch nicht mal, gute Amerika-Bilder zu liefern, der welt­an­schau­liche Gehalt des Buches und so etwas wie die »Beat-Philo­so­phie« fehlen völlig. Was übrig bleibt, ist ein Männer­bund, inklusive latenter Homo­se­xua­lität, der die Zeit mit rauchen, trinken, Proust lesen verbringt, sind Sex, Drugs & Jazz, wobei man auch sagen könnte, dass der ganze Film nur vom Sexu­al­neid zweier Jungs auf den Dritten handelt, der alle Frauen abbekommt – ein Gefühl, dass dann durch Kunst kompen­siert wird.

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Vom Lebens­ge­fühl der Beat-Gene­ra­tion bleibt nur die dumme Ober­fläche: Ein Haufen sehr pathe­ti­scher Jungs, die die falschen Bücher gelesen haben, und Authen­ti­zi­täts­kitsch pflegen. Man hasst die Stadt, feiert »die Reinheit der Straße« (»the purity of the road«), glaubt, man müsse »was erleben«, um gut schreiben zu können – dann hätte Proust ja wenig zu schreiben gehabt –, alles soll ungemein ehrlich und echt sein, aber eigent­lich geht’s der Haupt­figur, deren schrift­stel­le­ri­sches Können durch ein Rimbaud-Bild überm Schreib­tisch symbo­li­siert wird, doch nur drum, dass er endlich mit der hübschen Marylou ins Bett geht. Dann ist sie weg, und dann kann er endlich schreiben. Oh Mann.

Das Einzige, was Salles kann, sind Tanz­szenen. Davon gibt es ein paar. Auch Kristen Stewart ist besser, als erwartet. Das Wieder­sehen mit Kirsten Dunst zu kurz. Ansonsten ist das Rebel­li­schen bei Salles nur noch zu ahnen. Gerade die Autoren Jack Keruac, Alan Ginsberg und ihre Beat-Freunde hätten diesen Film sicher gehasst.
»All we do is wait for the end to come.« sagt Morten­sens Borroughs einmal. Das ging uns mit dem Film genauso.

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Der Anruf des fran­zö­si­schen Präsi­denten bei ARTE um Carax' Holy Motors doch noch zu finan­zieren, wurde uns inzwi­schen noch aus einer zweiten Quelle bestätigt.

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Es ist ein ironi­scher Scherz, dass die beiden Filme, die haupt­säch­lich im Inneren eines Autos spielen – Holy Motors und Cosmo­polis, viel viel besser sind, als der Roadmovie im Wett­be­werb. Die Koin­zi­denz, dass beide Filme auch noch im gleichen Auto spielen, ist aber eine mit tieferer Bedeutung. Die Stretch­li­mou­sine scheint zum reprä­sen­ta­tiven Ort unseres Zeital­ters geworden zu sein. Warum eigent­lich?

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Ein Reiz, den sie fürs Kino hat, ist offen­kundig. An ihren großen Fenstern zieht die Welt vorbei, und wer im Inneren sitzt, blickt auf sie mit ähnlicher Nähe bei absoluter Distanz, als sitze er im Kino. Jedes Fenster eine kleine Leinwand. Wer sich an den frühen Hollywood-Tonfilm Possessed erinnert, der erinnert sich auch an den langsam vorbei­fah­renden Zug, auf den Joan Crawford als kleines Laden­mäd­chen sehn­suchts­voll blickt. Aus jedem Fenster lockt eine andere Versu­chung. Diesen Effekt macht sich Leos Carax in Holy Motors zunutze. Seine Haupt­figur Oscar probiert Leben an, wie Frauen Kleider, und ist nur bei sich, dem Nichts, wenn er in der Luxus­li­mou­sine sitzt, und die Welt draußen nur durch die Scheiben wahrnimmt.

In Cronen­bergs Cosmo­polis ist es umgekehrt. Hier trennt sich die Haupt­figur durch das Auto von der Welt. Innen ist er geschützt, wie im einem Mutter­bauch. Er hat alles, braucht nichts von der Welt, die er nur gele­gent­lich kurz besucht.
Ein bisschen ist es genauso, wenn man hier über zehn Tage im Festival-Palais verbringt. Auch das Palais ist eine große weiße Box, die alles schluckt, durch deren viele Fenster und Filme man auf die Welt da draußen blickt.

Übrigens sieht man die absurden Dinger hier jeden Tag mindes­tens einmal vorbei­fahren. Auch sonst ist es eigent­lich, wie ja überhaupt das ganze Setting von Cannes, der absolute Wahnsinn, wenn man sich einmal die Filme verges­send, wachen Auges anschaut, was hier so auffährt. Ein großer Mercedes ist hier gar nichts, Porsche oder Ferrari muss es schon sein.

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Die ganze Welt konden­siert in einem einzigen Tag, in einem einzigen Charakter und dem Strom aus Gedanken und Gefühlen, der durch dessen Bewusst­sein rinnt, direkt in das des Lesers – diesen Ansatz kennt man von James Joyces' Jahr­hun­der­t­roman »Ulysses«. 2003 griff ihn Don DeLillo, spätes­tens seit »Under­world« (1997) einer der wich­tigsten ameri­ka­ni­schen Gegen­warts­au­toren, auf, und beschrieb in Cosmo­polis einen einzigen Tag im Leben eines Börsen­mil­li­ar­därs aus Manhattan. Dieses Herz­kam­mer­spiel-Panorama des Finanz­ka­pi­ta­lismus vor der großen Krise hat der Kanadier David Cronen­berg jetzt verfilmt – und damit einen der am gespann­testen erwar­teten Beiträge im dies­jäh­rigen Wett­be­werb der Film­fest­spiele von Cannes geschaffen, die jetzt begonnen haben. Gespannt erwartet in vieler Hinsicht. Denn wie soll man eigent­lich Dinge verfilmen, die sich fast ausschließ­lich im Kopf eines einzigen Prot­ago­nisten abspielen, der sich mit seiner Carrara-Marmor-getä­felten Stretch-Limo auf einer Odyssee durch Manhattan befindet, seinen Friseur aus Kind­heits­tagen besucht, und dabei auf mehreren Bild-Schirmen im Auto das Welt- und Börsen­ge­schehen verfolgt? Cronen­berg (Regisseur von eXistenZ, zuletzt vom Freud-Jung-Drama A Dangerous Method) ist aber vermut­lich der ideale Mann, um sich da für die filmische Umsetzung etwas einfallen zu lassen – zudem ist er wie DeLillo ein Post­mo­der­nist, er dürfte also die Asso­zia­ti­ons­ströme in ein Bett aus reiße­risch-grellen Bildern gießen. DeLillos Vorlage ist vor allem ein Deka­denz­por­trait, eine apoka­lyp­ti­sche Reise ins Herz der Fins­ternis unserer Gegenwart: Ein Börsen­crash kommt vor, die univer­sale Gier, 9/11 sowieso, der Cyber­space und viel viel Geld. Motto: »Nur Ratten zahlen!« Und die Haupt­rolle spielt Mädchen­schwarm und Twilight-Star Robert Pattison.

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Das einer der bisher als Vampir berühmt wurde, nun einen Kapi­ta­listen spielt, hat natürlich seine ganz eigene Logik.
Wer wie ich von Cronen­berg aber reiße­risch-grelle Bilder erwartet hatte, sah sich von Cosmo­polis getäuscht. Das Gegenteil ist der Fall: Cronen­berg erzählt den letzten Tag im Leben eines New Yorker Finanz­haies zwar ganz nahe an der Vorlage als bedrü­ckendes Portrait west­li­cher Dekadenz und als bitteren Abgesang auf den Kapi­ta­lismus. Aber der Film ist trocken und aseptisch, was bei Cronen­berg natürlich kein Zufall ist. Cosmo­polis ist sein Der Fremde, sein American Psycho, seine Version von Shame – eine exis­ten­tia­lis­ti­sche Parabel. Der Kanadier zeigt sich hier als Moralist, der für die funkelnde Kraft von De Lillos Vorlage vor allem eine visuelle Bühne bereitet, auf der die Schau­spieler dann Sätze aufsagen, wie diesen: »Die Stei­ge­rung des Business ist Mord.«

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3-0 hat der FC Barcelona das spanische Pokal­fi­nale gegen Bilbao gewonnen, mein Lieb­lings­spieler Pedro – »Pedrito«, wie die Barca-Fans zärtlich sagen – schoss das 1-0 und dann nach einem Tor von Messi noch das dritte und damit das aller­letzte Tor der Ära Guardiola. Nach dem Spiel sagte er zu Pedro, der zwar ein Barcelona-Eigen­ge­wächs ist und nach Ansicht der Katalanen zusammen mit Puyol »the most passio­nate player«, aber diese Saison zuletzt nach Verlet­zung kein Stamm­spieler war, viel­leicht hätte er ihn mehr einwech­seln sollen.

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Ich will übrigens mehr verrückte Reiche. Ich will Millionäre, die Zeitungen kaufen, statt zu lange Autos, oder wenigs­tens beides, die es krachen lassen, aber eben auch mal künst­le­risch und intel­lek­tuell; die Projekte verwirk­li­chen. Zum Beispiel eine gute europäi­sche Film­zeit­schrift, deren Autoren von ihrer Arbeit leben können. Wo seid ihr? Ihr Reemts­maas? Was haben die Burdas und Springers von ihrem Geld? Macht? Ich will Euer Geld, ja, aber ich verspreche Euch, dass ihr dafür auch etwas Gescheites bekommt...