ARTECHOCK
Kulturreferat der Landeshauptstadt München
und Kinos Münchner Freiheit
Reden über Film

Filmmusik, Musikfilm und Videoclip

in Verbindung mit der Ausstellung "POPVIDEO - Querschnitt durch 30 Jahre Clipkunst"
vom 16.12.1998 - 23.01.1999 im Forum der Technik / Deutsches Museum, täglich von 10 - 22 Uhr geöffnet.

Veranstalter: Kulturreferat der Landeshauptstadt München
in Zusammenarbeit mit dem Forum der Technik / Deutsches Museum
dem Kölnischen Kunstverein, VIVA ZWEI, der Bayerischen Landeszentrale für neue Medien,
dem Staatsinstitut für Schulpädagogik und Bildungsforschung und dem Filmmuseum im Münchner Stadtmuseum

mit freundlicher Unterstützung durch:
Film u. Videotechnik B. Gürtler GmbH, München
Fa. Liesegang, Düsseldorf
The British Council, Köln
Medienforum München
WOM - World of Music

 
FILM - REIHEN


 

Zur Aktualität des Themas:

Auf die Ästhetik von Videoclips angesprochen, sah Wim Wenders schon 1990 ein bestimmtes Entwicklungspotential dieser Form bewegter Bilder:
„Die Möglichkeit zu einer neuen Ästhetik ist sicher drin. Und hin und wieder sieht man ja auch atemberaubend schöne Videoclips..., da z.T. wirklich große Talente [hier] arbeiten. Das ist auf eine Art auch das Experimentierfeld geworden, das das klassische Feld, den Kurzfilm, mehr oder minder abgelöst hat.“

Durch Musik zu bildhaften Assoziationen animiert und an keine feste Erzählform gebunden, häufig auf Grundlage von Storyboards entwickelt und mit überschaubaren Budgets an wenigen Drehtagen produziert, vom Zwang befreit, an einer Kinokasse wieder die Produktionskosten einspielen zu müssen, haben Videoclips ein Experimentierfeld-Privileg auf ihrer Seite. Das fehlt heute selbst vielen Filmhochschulproduktionen, deren Gestaltungskriterien sich nur allzugern an der Hollywood-Norm messen und Bilder nur als Trans-portmittel einer Geschichte auffassen.

Dennoch sieht man selbst narrativen Mainstream-Filmen häufig Einflüsse an, die - in der Gestaltung des Dekors, in der Handhabung der Kamera, bei der Montage der Bilder - ihre Anleihen aus der Welt der Videoclips nicht verleugnen und sich in erzählerisch-autonomen Bildern partiell einer anderen Erfahrungsebene öffnen (z.B. sind 20% der Filmzeit in Tom Tykwers LOLA RENNT [D 1998] solcher musikalisch-visuellen Experimentierfreude zuzuschreiben, die Kino mit neuer Frische versieht).

Nicht nur, daß herkömmliche Spielfilme und deren Regisseure (Wenders, Scorsese, Paul Schrader, John Landis, Danny Boyle) ihre Referenz an die Popmusik durch oppulenten Einbau derselben bezeugen, sie selbst treten zum Teil als Clip Regisseure in Erscheinung. Umgekehrt entwickeln Clip-Regisseure Spielfilmprojekte, die aus einem Clip die Idee eines Spielfilms ableiten. Esther Gronenborn, Absolventin der Hochschule für Fernsehen und Film München, und Regisseurin vieler Clips, die sie zumeist für DoRo in Berlin dreht, hat nach dem Clip „Meine kleine Schwester“ jetzt daraus ein Spielfilmprojekt entwickelt, das gerade seine Finanzierungshürden nimmt.

Warum eine Videoclip-Ausstellung jetzt?

Videoclips als eigene Gattung bewegter Bilder, die nicht einfach als verkürzte Filme oder um Bewegung und Ton bereicherte Star-Photographien zu begreifen sind, nehmen seit der Institutionalisierung des Musikfernsehens (seit 1981 sendet MTV in den USA) einen immer größeren Raum in unserer Alltagskultur ein. Für Jugendliche fungieren Musikclips häufig als Projektionsfläche, über die sie ein Bild für ihre emotionale Befindlichkeit, ihre Glücksvorstellungen, Ängste und Nöte beziehen.

Gerade weil das Gesetz der Neuigkeiten auf dem Clipmarkt erbarmungslos zuschlägt, auf dem Fernsehschirm die neuen Clips ihren Vorgängern kaum ein Nachleben bescheren, dieses neue Kulturgut also permanent untergeht ("Kunst mit Verfallsdatum") und auch die kreativen Menschen, die durch diese Bilderwelten uns zu bezaubern wissen, seit neuestem selbst von VIVA (im Gegensatz zu MTV in den USA) in mittelalterliche Anonymität gestürzt werden, soll diese Clip-Ausstellung sechs Ziele verfolgen:

1) Sie soll eine Auswahl von ca. 500 der „atemberaubend schönen Videoclips“ (Wenders) vorstellen, die über die Schnellebigkeit der Zeit hinweg einen bestimmten Kunst- und Kultstatus erreicht haben, so daß im öffentlichen Bewußtsein dieses erreichte Niveau im Unterschied zur periodisch dominierenden Einfallslosigkeit festgehalten werden kann.

2) Sie soll auf die Kunstform des Clips als eigener Gattung bewegter Bilder und die großen Talente ihrer Urheber ein Schlaglicht werfen und Lust machen, diesen Weg beruflicher Praxis als Clip-Regisseur zu beschreiten, da jener gerade für Nachwuchsregisseure aus den o.g. Gründen ein gutes Experimentierfeld ist.

3) Sie soll durch die flankierende Vortragsreihe die Verbindungslinien, Wechselwirkungen zwischen Film und Clip nachzeichnen, die ästhetischen Implikate guter Clips herauszuarbeiten versuchen und die Produktionsabläufe der Clips mit ihren innovativen Techniken (vor allem durch Computeranimation, digital bearbeitete Bilder (Morphing) etc.) verdeutlichen.

4) Sie soll den Filmstandort München auf seinen Nachholbedarf in diesem Produktionszweig aufmerksam machen, da es hier nur eine nennenswerte Produktionsfirma gibt (MME) und selbst Absolventen der hiesigen Filmschule nur andernorts Arbeit finden.

5) Sie soll auf die Rahmenbedingungen der Clipkunst sowohl in der Musikbranche und den Sendeformen des Fernsehens reflektieren als auch deren Echo in der Alltagskultur (von Clips beeinflußte Selbstdarstellungen von Jugendlichen in Mimik, Gestik, Mode) nachspüren.

6) Sie soll im Sinne des Gesamtkonzepts der „Medienerziehung in Bayern“, wie es in Medienzeit (hrsg. vom Bayerischen Staatsministerium für Unterricht, Kultus, Wissenschaft und Kunst) im Mai 1996 vorgestellt wurde, einen Beitrag zur Erreichung der dort genannten fünf wesentlichen Ziele leisten. Gerade in Hinblick auf die bei Kindern und Jugendlichen verbreitete Rezeption von Videoclips kann man mit der Ausstellung und ggf. vom Staatsinstitut für Schulpädagogik u. Bildungsforschung angebotenen Begleitveranstaltungen und Führungen
a) die Verbreitung und Wirkung von Medien kennenlernen
b) Medien verstehen und beurteilen lernen
c) Medien gestalten und einsetzen lernen
d) Medien auswählen und auswerten lernen
e) Medien im gesellschaftlichen Zusammenhang sehen lernen (vgl. unter Punkt 5)

Projektskizze für München:

Die Ausstellung wird weitgehend nach dem Vorläufermodell von Köln des Sommers 1997 - Kurator in München ist ebenfalls Udo Kittelmann, Leiter des Kölnischen Kunstvereins, assistiert von Asta Baumöller, Art Direktorin bei Viva Zwei) rund 500 Videoclips im Non-Stop-Verfahren auf 18 Monitoren präsentieren. Jeweils 3 Monitore sind um eine „Sitzkissen-Insel“ der britischen Künstlerin Angela Bulloch gruppiert. Dabei werden auf jedem Monitor ca 20 Clips gezeigt, die jeweils einer bestimmten Ordnungs-Kategorie (z.B. Story, Black & White, Dance, Words & Signs, Beauty, Cartoons, Oldies etc.) zugeordnet worden sind. Außerdem sind ausgewählte Serien (z.B. "Best" oder die Clips von Björk) als Großprojektion zu sehen. Der Ton wird in der Regel über Kopfhörer zugänglich gemacht, jedoch bei möglichen Großprojektionen in bestimmten Raumabteilen direkt über Lautsprecher geschickt.


 

REDEN ÜBER FILM Veranstaltungstermine


Alle Veranstaltungen bis 5.12.1998 finden im Filmmuseum im Münchner Stadtmuseum am St.-Jakobs-Platz 1 statt. Eintritt: DM 12,- (ermäßigt für MFZ-Mitglieder) bzw. DM 16,- (regulär). Vorbestellungen sind nicht möglich.

14.11.1998, 18 Uhr:
Fritz Göttler (Süddeutsche Zeitung): "West-France-Story: Wie Jacques Demy mit seinen DESMOISELLES DE ROCHEFORT das Hollywood-Musical abhängte". Anschließend der Film LES DESMOISELLES DE ROCHEFORT.

14.11.1998, 21 Uhr:
Tom Tykwer: "Wie LOLA zur Musik das RENNEN lernte" - im Gespräch mit Michael Althen (Süddeutsche Zeitung). Anschließend LOLA RENNT sowie der Clip dazu mit Franka Potente und Thomas D.

28.11.1998, 18 Uhr:
Ian Christie (University of Oxford, University of Kent): "The Same Old Song? How Songs Give Meaning to Movies (from DeMille to Scorsese)" - behandelt die Verwendung von Popmusik in der Filmgeschichte mit Schwerpunkt auf Martin Scorsese in einem Vortrag in engl. Sprache; anschließend MEANSTREETS von Scorsese

28.11.1998, 21 Uhr:
John Stewart (Oil Factory Films, London und Los Angeles): ein Interview mit Ian Christie über die Intentionen seiner einflußreichsten Clips mit Clip-Beispielen über Videobeamer auf der großen Leinwand.
John Stewart (Bruder von Dave Stewart /ehem. Eurythmics) hat mit seiner Produktionsfirma bisher rund 900 Clips produziert mit Popgrößen wie Eurythmics, The Rolling Stones, David Bowie, Madonna, Oasis, Blur, The Prodigy, Pulp, Radiohead, Robbie Williams, No Doubt, The Chemical Brothers etc. Madonnas "Ray of Light", von Oil-Factory produziert, Regie Jonas Akerlund, gewann kürzlich den MTV-Award als bestes Video.

5.12.1998, 18 Uhr:
Klaus Theweleit: "Musik filmen, Politik filmen, Literatur filmen: Arbeiten von/in Godards ONE + ONE" - einem Film mit den Rolling Stones. Anschließend der Film ONE + ONE

5.12.1998, 21 Uhr:
Thomas Groß (die tageszeitung) und Klaus Theweleit: "Time Waits For No One - The Rolling Stones im Wandel der Clipkunst" - ein Gespräch über die Clips der Rolling Stones und zur Geschichte der Videoclipästhetik im allgemeinen.

Mit Eröffnung der Ausstellung "POPVIDEO - Querschnitt durch 30 Jahre Clipkunst" Mitte Dezember im Forum der Technik werden dort weitere Vorträge und Vorführungen stattfinden mit Dieter Gorny (Geschäftsführer von Viva und Viva Zwei), Rudi Dolezal und/oder Hannes Rossacher (DoRo Produktion, Wien), vorauss. 15./16.12.1998; Tina Busch (Musikchefin von Viva und Viva Zwei) und Asta Baumöller (Artdirektorin bei Viva und Viva Zwei), beide 9.1.1999; Ulf Poschardt (SZ-Magazin), 16.1.199; Klaas Huizing (Prof. für ev. Theologie, Würzburg), Udo Kittelmann (Kölnischer Kunstverein), beide 23.1.1999; und anderen.




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