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Sonntag : 20. Januar 2002 : 11 Uhr : Arri Kino
Klaus Theweleit: »Die Wonnen des Überwachungsstaates«
Staatsfeind Nr.1:
Das verdeckte Gesicht des Terrors
Auf
die Verquickung von Fiktion und Wirklichkeit, die Faszination
des Attentats vom 11. September 2001 als Faszination durch
das Bild, demgegenüber sich das Reale »wie eine Schreckensprämie,
wie ein zusätzlicher Schauder« (Baudrillard) hinzuaddiere,
sind Kommentatoren dieses Ereignisses immer wieder zurückgekommen.
So wurde von der Spirale der Überbietung im »Aufmerksamkeitsterror«
(Florian Rötzer) gesprochen, wobei die Bildträchtigkeit eines
Attentats und dessen Zirkulation um die Welt das verschweißte
Gespann zwischen Aufmerksamkeitssystemen und Terrorismus bilden.
Um
dem Kino Aufmerksamkeit zurückzugewinnen, ging seit den siebziger
Jahren eine Welle von Katastrophenfilmen von Hollywood aus:
von Towering Inferno (Flammendes Inferno 1974) Jaws (Der weiße
Hai 1974), Earthquake (Erdbeben 1974) bis hin zu den jüngeren
Erfolgen von Jurassic Park (1993), The Lost World: Jurassic
Park (1997) und Jurassic Park III (2001), Independence Day
(1996), Godzilla (1998) Armageddon (1998), wobei die letzteren
ihren Fokus verstärkt auf die Zerstörung New Yorks gerichtet
haben. Wenn Terror nicht der Natur oder außerirdischen Phänomenen
entsprang, so waren mit Filmen wie Die Hard I, II und III
(Stirb langsam 1988, 1990, 1995) die Sprengung eines Hochhauses
(I), eines Flughafens (II) und New Yorks (III) die inzwischen
vertrauten Ziele, die häufig Deutsche (Die Hard I - in der
dt. Verleihfassung getilgt, III: ein ehem. NVA-Offizier) bzw.
Araber wie in The Siege (Ausnahmenzustand 1998) als Exponenten
des Terrors haben. Bevor ein amerikanischer Präsident oder
Bundeskanzler auf die Idee kam, das New Yorker Attentat als
Angriff auf die Zivilisation oder zivilisierte Welt schlechthin
auszudeuten, haben die Filme Hollywoods mit ihren Bildern
diesen Angriffen schon lange imaginären Ausdruck verliehen,
so dass man die kühne Feststellung wagen kann:
»Die
Attentäter waren gute Kinobesucher, sie haben das US-amerikanische
Phantasma, wie es sich in Hollywoodfilmen obsessiv artikuliert,
aufs schönste erfüllt. Wie die Mondbewohner aus Independence
Day haben sie die Zentren der USamerikanischen Macht anvisiert
und getroffen,... die Terroristen sind, stärker gefangen,
als ihnen lieb sein dürfte, der Art der imaginären Konfliktaustragung,
wie sie dieses Kino für das neue Jahrtausend projektiert,
aufs beste nachgekommen und haben damit dem amerikanischen
Traum vom Zusammenschluss des Globus unter US-amerikanischer
Führung ... zugearbeitet. In diesem Sinne haben sie politisch
gehandelt und doch wieder nicht. Sie haben Stereotypen durch
Übererfüllung bestätigt, haben der Überwachung des Globus,
wie es dieses Kino in großem Maßstab vorführt, zu ihrer beschleunigten
Realisierung verholfen. Und sie haben ihrerseits deutlich
gemacht, dass diese Art der Konfliktaustragung für sie libidinös
besetzt ist, wie für die USA offensichtlich das Kriegführen
überhaupt. ... hier [wird] Kriegführen mit politischem Handeln
gleichgesetzt. Politik aber wäre, um mit Deleuze zu sprechen,
aus vorgegebenen Sprach- und Bildmustern, die unsere Art der
Begegnung mit dem Anderen und unsere Konfliktbewältigung vorstrukturieren,
auszutreten, Probleme anders zu formulieren und damit Zwangshandlungen
zu entgehen.« (Michaela Ott in www.nachdemfilm.de)
Ablauf:
- Begrüßung
durch Dr. Peter Sehr
-
Einführender Vortrag »Die Wonnen des Überwachungsstaates«
von Dr. Klaus Theweleit
- Film
von Tony Scott: Staatsfeind
Nr.1 / Enemy of the State (USA 1998, 131 Min., OmU)
mit Gene Hackman und Will Smith
- Pause
-
Podiumsdiskussion mit Prof. Dr. Lothar Bisky (MdL Brandenburg;
ehem. Rektor der Hochschule für Film und Fernsehen »Konrad
Wolf« in Potsdam), Dr. Jens Bisky (SZ Feuilleton, Red. Berlin)
und Dr. Klaus Theweleit (Autor; Dozent Univ. Freiburg) Moderation:
Jürgen Fabritius / Dr. Peter Sehr (angefragt)
Arri
Kino, Türkenstraße 91, 80799 München
Karten: 089 -38 89 96 64
Eine Veranstaltungsreihe des Arri Kino in Zusammenarbeit
mit dem Kulturreferat der Landeshauptstadt München, mit
freundlicher Unterstützung des Institut français
München.
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