07.09.2006

»Ich wollte einfach gutes Entertainment«

Adam am Apfelbaum
Auf Bewährung:
Ulrich Thomsen als Neonazi Adam

Ein Gespräch mit dem dänischen Drehbuchautor und Regisseur Anders Thomas Jensen über seinen Film Adams Äpfel, den Karrikaturenstreit und das Glück, gute Ideen zu haben.

Anders Thomas Jensen wurde am 6. 4. 1972 in Frede­riks­værk in Dänemark geboren. Seit 1996 gehört er zu den gefrag­testen Dreh­buch­au­toren der kleinen, aber ungemein produk­tiven Film­na­tion. Unter anderem schrieb er 1999 die Dreh­bücher für die »Dogma«-Filme Mifune und The King Is Alive (der Shake­speares »King Lear« in die Wüste verpflanzt). Neben weiteren ernsten Filmen – z.B. Susanne Biers Open Hearts und Brothers – Zwischen Brüdern – schrieb er auch leichte Komödien wie In China essen sie Hunde. Dreimal führte er selbst Regie, zuletzt in Adams Äpfel, einer Art zeit­genös­si­scher Hiob-Geschichte um einen Pfarrer, der sich um Ex-Häftlinge kümmert, die reso­zia­li­siert werden sollen.
Mit dem Regisseur sprach Rüdiger Suchsland.

artechock: Sie haben mit gerade einmal 34 Jahren bereits eine Unmenge von Dreh­büchern geschrieben: 35 – so viel schaffen andere ihr ganzes Leben nicht. Schaut man genau hin, ist ihr Name mit sehr vielen Erfolgen verbunden, die das dänische Kino im vergan­genen Jahrzehnt feiern konnte, unter anderem auch zwei der vier ersten Filme der »Dogma«-Bewegung. Was ist Ihr Erfolgs­ge­heimnis?

Anders Thomas Jensen: Das wüsste ich auch gern. Es freut mich, dass ich offenbar einen Nerv treffe. Dass ich soviel schreibe, finde ich gar nicht. Wenn man sich jeden Tag an den Tisch setzt und ein paar Ideen aufschreibt, kann man schon drei, vier Dreh­bücher pro Jahr fertig stellen. Ich habe nur das Glück, dass viele meiner Dreh­bücher auch verfilmt werden, und mir bisher die Ideen nicht ausgehen.

artechock: Pro Jahr gibt es zur Zeit im Schnitt drei Filme, die von Ihnen geschrieben werden. Wird es Ihnen nicht selbst manchmal etwas zu viel?

Jensen: Noch nicht, zumal ich für Abwechs­lung sorge. Darum habe ich auch in diesem Fall einmal wieder selbst Regie geführt.

artechock: Adams Äpfel handelt von einem Pfarrer, der nur das Gute will, und einem Neonazi, auch von Funda­men­ta­lismus. Ist das ein poli­ti­scher Kommentar auf Ihre Heimat?

Jensen: Eigent­lich gar nicht. Ich wollte einfach gutes Enter­tain­ment.

artechock: In letzter Zeit hörte man aus Dänemark aber auch von Neonazis und Rechts­po­pu­listen. Außerdem gab es den »Kari­ka­tu­ren­streit«. Und in Ihrem Film geht es um Toleranz und deren Grenzen – da kann es Sie doch nicht über­ra­schen, dass die Leute Paral­lelen ziehen

Jensen: Nein, das wundert mich gar nicht. Man muss wirklich an den Kari­ka­tu­ren­streit denken. Und die Rechten in meiner Heimat sind ein schlimmes Phänomen. Ich verab­scheue sie. Aber ich wollte mit meinem Film nichts direkt Poli­ti­sches bewirken. Mir geht es auch nicht etwa darum, mich über »Gutmen­schen« und 68er lustig zu machen. »Adams Äpfel« hat aus meiner Sicht eine ganz huma­nis­ti­sche Botschaft.

artechock: Wo möchten Sie hin als Autor und Filme­ma­cher?

Jensen: Ganz ehrlich? Ich weiß es nicht.

artechock: Machen Sie etwa nur Filme, um damit Geld zu verdienen?

Jensen: Geld ist eine schöne Sache. Aber ich will schon auch etwas bewirken. Aber ich denke darüber beim Schreiben nicht nach.

artechock: Sie haben insgesamt drei Dogma-Filme geschrieben, gleich­zeitig aber auch mehrere Komödien, zum Teil – ohne Ihnen zu nahe zu treten – nicht gerade Tief­sin­niges, eher ziemlich alberne Geschichten wie Dänische Deli­ka­tessen. Wo sehen Sie Ihre Position im dänischen Kino, etwa im Verhältnis zu Lars von Trier, dem berühm­testen Vertreter des dänischen Kinos?

Jensen: Mich inter­es­sieren ernste Stoffe und Humo­ris­ti­sches. Ich will mich nicht festlegen, sondern beides machen. Wir alle in Dänemark haben Lars von Trier viel zu verdanken. Ohne ihn gäbe es die Aufmerk­sam­keit für unser Kino nicht. Aber ich sehe mich nicht als Angehö­rigen oder gar Anhänger der Dogma-Bewegung. Ich habe Dreh­bücher geschrieben – für den Stil sind die Regis­seure verant­wort­lich. Ich denke, was unseren persön­li­chen Geschmack und die Art der Arbeit als Regis­seure, die Insze­nie­rung angeht, sind Lars und ich Antipoden.

artechock: Läge es da nicht nahe für Sie, eine Satire über »Dogma« zu drehen? Man würde das jeden­falls als Liebhaber des dänischen Kinos gerne sehen. Oder hackt eine Krähe der anderen dann doch kein Auge aus?

Jensen: Doch doch, durchaus. Sie werden es nicht glauben, aber genau das, wovon Sie sprechen, haben wir gerade gedreht. Es ist eine Geschichte über einen Mann, der im Kino mit seiner Tochter einen Kunst-Film anguckt und dadurch so aggressiv wird, dass er ein Tier tötet. Und dann kommt er ins Gefängnis. Als er wieder draußen ist, will er sich am Regisseur rächen, und verfolgt ihn. Natürlich heißt dieser Regisseur nicht Lars von Trier, aber die Paral­lelen sind offen­kundig. Jeder, der sich nur ein bisschen auskennt, weiß, worauf wir anspielen.