Cinema Moralia – Folge 368
Ist das echt unecht jetzt? |
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| Udo Kier (1944-2025) in seiner letzten Rolle in Kleber Mendonça Filhos großartigem The Secret Agent... | ||
| (Foto: Port-au-Prince / Central Film) | ||
»People can’t take a joke anymore.« – Salman Rushdie
»Wenn ich eine Rolle spiele die nicht die Hauptrolle ist möchte ich so spielen dass die Leute sich an mich erinnern. Was ist sonst der Sinn dahinter?« – Udo Kier
KI-Texte und -Bilder fluten das Netz – und sie verändern nicht nur unsere Wahrnehmung, sondern täuschen auch uns Medien.
Letzte Woche sind wir selbst an dieser Stelle auf so etwas reingefallen, einen KI-generierten Hoax, also um Fake-News. Stichwort Barbra Streisand. Dazu unsere Anmerkung im betroffenen Text.
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Es sagt fast alles über die Bedeutung der Ehrenmedaille der SPIO, dass man kaum wusste, dass es sie gibt, bevor die SPIO in ihrer großen Weisheit jetzt beschloss, sie abzuschaffen.
Dass ausgerechnet in der gleichen Woche Andres Veiels Dokumentarfilm über die bisherige SPIO-Ehrenpreisträgerin Leni Riefenstahl im Fernsehen läuft, ist vielleicht nur eine Fußnote, das hohe Interesse für den Film und seine Hauptfigur aber bezeichnend. Anlass genug, nochmal auf unsere Kritiken zum Film hinzuweisen.
Vor allem die SPIO-Meldung von letzter Woche ist aber Anlass, wieder einmal über die Größen des Nazi-Kinos nachzudenken. Die Hamburger Philosophin Mirjam Schaub, die gerade eine bedeutende Untersuchung über Radikalität veröffentlicht hat, schrieb mir in einem Facebook-Post zum Thema, ihr »Verdacht« sei, »dass nicht die (wenigen) echten Fanatiker und
Überzeugungstäter das Problem sind, sondern die (zahllosen) Mitläufer und Opportunisten, die ihnen im vorauseilenden Gehorsam folgen.«
Das trifft unbedingt zu. Und Rühmann war eher genau so ein Mitläufer und Opportunist, trotz der großen Nähe zu den Machthabern und der von ihm inszenierten Home-Videos für Goebbels.
Wir werden uns darum in den nächsten Wochen genauer und gründlicher mit den lachenden Film-Erben der »Deutschen Diktatur« (Karl Dietrich Bracher) beschäftigen.
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Aber Moment mal – Heinz Rühmann ein Nazi? Potzblitz! Na sowas!! Wer hätte das gedacht.
Dass Heinz Rühmann ein Nazi & Opportunist übelster Sorte war, kann nur diejenigen überraschen, die blind sind für deutsche Filmgeschichte. Niemals hätte er eine SPIO-Ehrenmedaille überhaupt bekommen dürfen; dass er es trotzdem tat, kann aber auch nur Menschen überraschen, die weder von der Geschichte der SPIO, noch von deutscher Nachkriegszeit irgendeine Ahnung haben.
Genau deswegen habe ich aber auch ein »blödes Gefühl« mit den Wellen an wohlfeiler Empörung,
Ehrenpreisaberkennungen und Nachfolgestudien, die die verdienstvolle IfZ-Studie über die NS-Belastung der SPIO jetzt auslöst.
Das alles wirkt wie nachgeholter Widerstand, verspäteter Aktionismus und Symbolpolitik. Aufarbeitung ist das Gegenteil von Säuberungen, erst recht, wenn sie an Toten sich ausagieren.
Viel wichtiger wäre es, den Opportunisten
heutiger Tage entgegenzutreten, und alle rechtsradikalen, antisemitischen und menschenfeindlichen Tendenzen unserer Gegenwart zu bekämpfen. Das ist aber natürlich auch viel unbequemer, als noch eine Vergangenheits-Studie in Auftrag zu geben und Ehrenpreise zu streichen.
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Hans Rühmann und Udo Kier – man möchte diese Namen gar nicht in einem Atemzug nennen. So groß ist der moralische und politische und ich glaube auch künstlerische Abgrund zwischen ihnen. Aber beide waren Schauspieler, und nun ist Udo Kier leider in dieser Woche gestorben, während Heinz Rühmann weiterhin als Untoter zwischen uns herumgeistert und manchmal, so fürchtet man, lebendiger ist, denn je.
Udo Kier wiederum habe ich leider etwas zu spät kennengelernt. Erst in den letzten fünfzehn Jahren haben wir uns ein paar Male gesehen. Um so dankbarer bin ich ihm dafür, dass er Lust hatte zu einem für ihn sehr seltenen Ausflug in den Dokumentarfilm, und 2018 die Synchronisation meines Films »Hitlers Hollywood« übernahm: Auf Englisch mit seiner weichen Stimme und seinem unvergleichlichen German Accent. Hier eine kleine Kostprobe. Ansonsten bleibt ein Berlinale-Lunch in Erinnerung, und vor allem ein Abend in Cannes, gemeinsam mit Sven von Reden und einigen Gläsern Rotwein im »Le Crillon«, das leider wie so vieles jetzt auch schon Geschichte ist. Udo erzählte von seinen Anfängen, von Fassbinder, von Köln. Unvergesslich!
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Wir wollen artechock nicht überschätzen. Es liegt also sicher nicht an unserer Berichterstattung über die Causa Weimer vor einer Woche, dass Wolfram Weimer am Tag danach angekündigt hat, seine Anteile an der gemeinsamen Firma mit seiner Frau, der »Weimer Media Group«, die auf dem von ihr veranstalten Tegernsee-Gipfel ihren Kunden gegen Geld Einfluss auf die geladene Polit-Prominenz versprochen hat, einem Treuhänder zu übergeben.
Wir glauben natürlich jetzt alle, dass Wolfram Weimer
und seine Frau sich künftig am Abend nie mehr fragen werden: »Schatz, wie war Dein Tag?« und dabei auf die netten Kabinettskollegen des Gatten kommen, die so gern die netten Kunden der Gattin kennenlernen würden – und nennen es Demokratie und »Lobbycontroll«.
In jedem Fall hat der Kulturstaatsminister damit theoretisch noch mehr Zeit, sich endlich um die überfällige Reform der Filmförderung und die Einführung einer Investitionsabgabe zu kümmern. Hoffentlich fragen alle investigativ engagierten Kollegen hier genau so engagiert nach, auch wenn das Thema weniger »sexy« wirkt. Dafür ist es wichtiger.
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»Die Mitglieder der Projektkommission müssen darauf hinweisen, dass die Förderung des vorliegenden Projekts aus rechtlichen Gründen nicht möglich ist, da das Konzept das potentielle Filmen von Gesetzesübertritten vorsieht. Außerdem wurde in Frage gestellt, ob mit dem zu wenig bekannten Protagonisten ein breiteres Kinopublikum angesprochen werden kann. Leider konnte dem Projekt daher keine Förderpriorität eingeräumt werden.«
Eine Absage aus Österreich.
Der Regisseur
kommentiert dazu ganz zu recht: »GROSSARTIG! Wir sind also in unserer ›freien Gesellschaft‹ bereits an dem Punkt angekommen, wo man als Künstler, Journalist und Filmemacher von der Kulturförderung vorab kriminalisiert, marginalisiert und verhindert wird. Man sollte sich in der Tat Fragen stellen. Man sollte diese Fragen laut stellen. Bloß kein MeToo. Bloß kein Ibiza Tape. Bloß kein George Floyd am Smartphone-Mitschnitt. Bloß kein investigativer Journalismus.
Bloß keine Hässlichkeit. Bloß keine Makel auf laut machen. Weil: Wir sind die Guten. Wir haben keine Flecken. Wir machen keine Fehler. Alles, was bezichtigt und hinterfragt, kann weg. Das sind die Bösen. Interessiert eh keinen. Kennt eh niemand.«
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Wer hat schon gemerkt, dass der Europäische Filmpreis abgeschafft wurde? Jedenfalls in diesem Jahr.
Seit 37 Jahren, seit 1988 wurde der Europäische Filmpreis immer im Dezember zum Abschluss eines laufenden Jahres vergeben. Eine schöne Tradition. In Zukunft soll er immer im Januar vergeben werden, in diesem Fall am 17. Januar 2026 im Berliner »Haus der Kulturen der Welt«. Die Verantwortlichen versprechen sich davon, wie es heißt, »eine größere Sichtbarkeit des Preises.« Ob das
wirklich passiert, zwei Wochen nach Silvester und drei Wochen nach Weihnachten, wenn manche noch im Skiurlaub sind, darüber kann man seine Zweifel haben.
In jedem Fall aber gibt es hinter den Kulissen schon eine ganze Menge Gemecker vor allem von jenen Verleihern und Produzenten, deren Filme nicht nur für den Europäischen Filmpreis, sondern vor allem für den Academy Award, den Oscar Anfang März nominiert sind. Sie fürchten, dass der Europäische Filmpreis nun noch weniger Effekt hat, als er bisher schon hatte und weder Menschen vor Weihnachten ins Kino bringen noch einen Schub für den Oscar bringen wird, weil die Abstimmungen für den Oscar ja bereits im Januar stattfinden.
Es ist und bleibt einfach irgendwie verkorkst und unlocker mit diesem Europäischen Filmpreis.
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Die ARD verwandelt sich in ein zweites ZDF. Sie ist nach den neuesten Programmreformen nicht mehr ein vielfältiger Sender mit verschiedenen Stimmen, die unterschiedlichen Regionen Deutschlands zur Geltung bringen, sondern ein zentralistischer Sender mit verschiedenen Landesstudios, die Teilsegmente des Programms verantworten. In dieser Struktur ist eine immer weitere Zentralisierung aber systemisch und institutionell bereits angelegt: Denn ähnlich wie bei der Bundesregierung, die ja ein paar Teile ihrer Regierungsgebäude in Bonn und den Rest in Berlin liegen hat, wird auf Dauer das Argument der Kostenreduktion und der Effizienzsteigerung greifen.