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16. internationales Dokumentarfilmfestival München 2001
Alle Filme

Tagesprogramme:
Fr 27.4. | Sa 28.4. | So 29.4. | Mo 30.4. | Di 1.5. | Mi 2.5. | Do 3.5. | Fr 4.5. | Sa 5.5. | So 6.5.
Filmreihen:
Alle Filme | Wettbewerb | Point of View | Das Tier im Blick | Neue Filme aus Bayern | Hommage an Boris Galanter | Land und Frieden (Palästina und Israel) | Europe in Shorts | Aspects of Future | LiteraVision 2001 | Kurzfilme | Special Screening


Die Begründungen der Jurys

De droom van de beer
Der Film zeigt mit witzigem, poetischem und filmischem Flair, wie der sowjetische Staatszirkus als Propagandainstrument gefördert und benutzt wurde. Durch seinen ironischen Blick auf einige der berühmtesten Artisten und auf verschiedene Tiere entsteht ganz nebenbei ein Bild künstlerischer, menschlicher und tierischer Schicksale vor dem politischen Hintergrund der ehemaligen Sowjetunion.

Riben Guizi
Riben Guizi (Soldaten des Teufels) von Minoru Matsui ist das erschreckende Dokument über eines der düstersten und oft verdrängten Kapitel japanischer Geschichte: von 1931 (japanischer Einfall in die Mandschurei) bis Ende des Zweiten Weltkriegs 1945. Es sind die Selbstbekenntnisse der unbeschreiblichen Greueltaten, begangen von Soldaten der Kaiserlichen Armee (vom einfachen Soldaten bis zum General).
Die Einmaligkeit des Films besteht darin, daß sie selbst in noch nie dagewesener Ehrlichkeit von ihren Verbrechen an der Zivilbevölkerung berichten. Der Film ist inhaltlich so wichtig, weil die Aussage exemplarisch für die katastrophalen Folgen unmenschlicher Befehle steht.
Er zeigt, daß es nicht allein darum geht, Kriegsverbrecher hinzurichten, sondern um einen Prozess des Bewußtwerdens der Verantwortung, die an die nachfolgenden Generationen weitergegeben wird.

To Spiti Tou Kain
... und Kain erschlug seinen Bruder Abel, so die Anspielung des Titels auf die Hauptpersonen des Films. Sieben Männer und Frauen, die als MörderInnen ihre Strafe verbüßen, erzählen von ihren Erinnerungen an die Tat. Das Schicksal der Opfer bleibt bewußt ausgespart.
TO SPITI TOU KAIN zeigt die dunklen Abgründe der menschlichen Seele auf. Christos Karakepelis hat es sehr gut verstanden, sich der tiefgreifenden, zeitlosen Thematik des Films in einer intensiven wie auch sensiblen Art und Weise anzunähern. Besonders beeindruckt hat das handwerkliche Können des Regisseurs, der durch seine erstklassige Arbeit mit Licht und Kameraführung eine eindrucksvolle Wechselwirkung zwischen Poesie und Symbolik einerseits, sowie thematischer Eindeutigkeit andererseits erzielt hat. Christos Karakepelis zeigt uns, daß es nicht nur die "ANDEREN" sind. Eine Reduktion von Erklärungsansätzen auf eine simple Schwarz-Weiß-Polarisation kann nicht immer eine adäquate Antwort liefern.
Eine lobende Erwähnung geht ausdrücklich an den Film VIVRE APRÈS - PAROLES DE FEMMES von Laurent Bécue-Renard."

Anonym
Alexandra Guleas Film ANONYM vermittelt seine Aussage ohne Sprache durch bis ins Detail durchkomponierte Bilder und einer einfühlsam gestalteten Tonebene. Der erkennbare Gestaltungswille der Regisseurin wirkt dabei nie prätentiös und aufdringlich. Ihr Film ist ein Gedicht in schwarz-weiß über Gefühle und Empfindungen. In seiner Kürze vermittelt er mehr über das Fremdsein als manch lange Reportage. ANONYM ist ein Film wie man ihn nur als Künstler machen kann, poetisch, sensibel und getragen von der Liebe zum Menschen.

Verbrechen in Florenz - Die Schriftstellerin Magdalen Nabb
Peter Goedels Film "Verbrechen in Florenz" erzählt in ruhigen und poetischen Bildern vom Leben und Arbeiten der englischen Schriftstellerin Magdalen Nabb in Florenz. Mit der Autorin wirft der Filmautor einen Blick hinter die touristischen Fassaden der Stadt, in der es Korruption und Verbrechen aus Leidenschaft gibt.Peter Goedel hat für seinen Film eine unterhaltsame und spannende Erzählweise gefunden. Der unaufgeregt geschnittene Film nimmt den Zuschauer mit auf die Recherche zu verschiedenen Polizeistationen und führt ihn an authentische Orte des Verbrechens. Die Schriftstellerin kommt in geschickt eingeschnittenen Interviewszenen ausführlich zu Wort. Die Lust des Filmautors an seinem erzählerischen Gegenstand dokumentiert sich in inszenierten Episoden mit Spielfilmcharakter. Der Film regt Zuschauer, die noch nie ein Buch von Magdalen Nabb gelesen haben, zum Einstieg in aufregende Lektüren an.

Elke Schmitter: "Frau Sartoris"
Claudia Kucza gelingt es, uns in ihrem Magazinbeitrag zu Elke Schmitters Roman "Frau Sartoris", ein offenes Bildangebot zu machen. Sie lässt uns bei aller Schönheit der Bilder den Freiraum für eigene Assoziaitionen.
Mit liebevoll inszenierten Spielszenen versetzt sie uns in die Erzählzeit des Romans - die 50er und 60er Jahre - und vermag es gleichzeitig, auch die aktuelle Rezeptionsgeschichte eines literarischen Debüts zu thematisieren. Die Autorin entlockt der Schriftstellerin Elke Schmitter geistreiche Gedanken zu ihrem Roman. Vom ersten bis letzten Schnitt bietet ihr Film intelligente Unterhaltung. Mehr kann man eigentlich von 5 Minuten Fernsehen nicht erwarten.

Stille Rebellen - Bürgermut gegen Naziterror
Ein Treffen in Berlin

Ein fast vergessenes Ereignis aus dem Kriegsjahr 1943: Drei junge Männer des belgischen Widerstandes bringen einen deutschen Zug zum Halten, mit dem anderthalb Tausend Juden nach Auschwitz gebracht werden sollen. Einigen Gefangenen gelingt unter dramatischen Umständen die Flucht. Ulrich Harbecke dokumentiert in seinem Film "Stille Rebellen - Bürgermut gegen Naziterror" ein Treffen von Überlebenden mit der Publizistin Marion Schreiber, die dieses Ereignis recherchiert und in einem Buch wiedergegeben hat. In direkten, unprätentiösen Bildern läßt der Autor uns an der bewegenden Arbeit von Erinnerung und Trauer teilhaben. Am Anfang und am Ende zeigt er uns historische Aufnahmen von den Deportationen, die uns der Film neu zu sehen verhilft. In diesem respektvollen Akt von audiovisueller Geschichtsschreibung entsteht die berührende Form eines filmischen "Kaddish": Gedenken an die Opfer, menschliche Nähe zu den Überlebenden.

Kulturzeit: Martin Heidegger
Frank Hertweck skizziert in seinem filmischen Essay über Martin Heidegger die ideologischen Verstrickungen des Philosophen in die Ideologie des Nationalsozialismus. Hertweck verfügt über eine eigenwillige und originelle Filmsprache. Er kommt ohne belehrende Kommentare aus. In der Freisetzung einprägsamer Bilder, anhand einer rhythmisch gestalteten Schnitt-Technik, dank visuell raffiniert eingesetzter Heideegger-Zitate und mittels prägnanter Originaltöne von Heidegger-Experten gelingt es Frank Hertweck, seine Zuschauer für eine andauernde kontroverse Diskussion zu interessieren.

The Jury's Decisions

De droom van de beer
The Documentary Film Prize of the Bavarian Television Corporation Bayerischer Rundfunk, with DM 20,000 prize money, goes to Cherry Duyns for the film DE DROOM VAN DE BEER.
With witty, poetic and cinematic charm, the film shows how the Soviet state circus was promoted and implemented as a propaganda instrument. The film's ironic examination of several of the most famous artistes and the various animals incidentally renders a portrait of artistic, human and animal fates against the political backdrop of the former Soviet Union.

Riben Guizi
The Special Documentary Film award, sponsored by the film equipment rental company Licht & Ton and the festival, with DM 5,000 prize money, goes to Minoru Matsui for the film RIBEN GUIZI. The film is the shocking document of one of the darkest and most suppressed chapters in Japanese history: from the Japanese invasion of Manchuria in 1931 to the end of the Second World War in 1945. The film documents the confessions of horrifying acts of atrocity committed by soldiers of the Japanese Imperial Army - from simple recruits to generals.
What makes the film so unique is the unprecedented honesty with which the soldiers speak about their crimes against the civilian population. The content of the film is so significant because the statements are striking examples of the disastrous consequences of inhumane orders.
It shows that it is not enough to execute war criminals. More important is the process through which a sense of responsibility can grow and be passed on to following generations.

To Spiti Tou Kain
The Planet Audience Award goes to Christos Karakepelis for the film TO SPITI TOU KAIN. "...And Cain killed his brother Abel." The film's title is a reference to ist protagonists. Seven men and women who are serving time as murderers talk about their memories of the crimes. The fates of their victims are consciously omitted.
TO SPITI TOU KAIN shows the dark depths of the human soul. Christos Karakepelis has managed to deal with the film's gripping, timeless topic in an intense and sensitive manner. The jury was especially impressed by the director's technical skill, the top-notch lighting and camera-work which achieved an impressive combination of poetry and symbolism, on the one hand, and unequivocal statement of fact, on the other. Christos Karakepelis shows us that we cannot just refer to the "others". When reduced to simple black-and-white polarization, attempts to explain cannot always provide an adequate answer.
The Jury explicitly gives an honorable mention to the film VIVRE APRÈS - PAROLES DE FEMMES by Laurent Bécue-Renard.

Anonym
The Special Prize of the Bavarian Film and Television Fund Filmfernsehfonds Bayern, with DM 10,000 prize money, goes to Alexandra Gulea for the film ANONYM. The film makes its statement without words, through meticulously composed images and a sensitively designed soundtrack. The director's creative drive is never pretentious or heavy-handed. Her film is a black-and-white poem about emotions and feelings. Short as it is, the film says more about the state of alienness than many a long film reportage. ANONYM is a film which only an artist can make: poetic, sensitive and inspired by a love for human beings.

website: artechock