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Berlinale 2001 15.02.2001
 
 
     
 

Erkundungen des Grausamen
Eigentlich eine Liebesgeschichte: Ridley Scotts HANNIBAL

 
 
Anthony Hopkins ist Hannibal Lecter
       
 
 
 
 

Untergangsszenarien, Katastrophenbilder - im Horror scheint zumindest eine Kontinuität der Filme im Wettbewerb der diesjährigen Berlinale zu liegen. Nach dem Stalingraddrama zur Eröffnung, und den Filmen von Soderbergh (TRAFFIC) und Kaufman (QUILLS) gab es nun mit dem außer Konkurrenz laufenden HANNIBAL, Ridley Scotts lang und mit Spannung erwarteter Fortsetzung des vor zehn Jahren oscargekrönten Qualitätsschockers DAS SCHWEIGEN DER LÄMMER (THE SILENCE OF THE LAMBS) (Regie damals: Jonathan Demme) eine weitere Erkundung des Grausamen zu sehen.

Allein die Vorgeschichte zeigt, dass man es hier mit einem schwer vergleichbaren Projekt zu tun hat: Nach jahrelangem Zögern legte der Schriftsteller (und Rechteinhaber) Thomas Harris vor gut zwei Jahren seinen dritten Band in jener Reihe vor, in deren Zentrum der hochintelligente Serienmörder Hannibal Lecter steht. Mit Bedacht und einem gewissen spielerischen Ehrgeiz hatte Harris absichtlich ein "unverfilmbares" Werk geschrieben. Für Unsummen von Hollywood gekauft, setzte man zunächst David Mamet daran, eine Drehbuchfassung zu erstellen. Mamet, selbst Regisseur so spannender wie geschmackvoller Filme, aber auch Autor von Filmen, Romanen und Theaterstücken von hohem Rang, legte ein Script vor, das zwar von den beiden Stars des ersten Teils, Anthony Hopkins und Jodie Foster akzeptiert worden war, nicht jedoch von den Studios. "Zu brutal" hörte man. Mamet zog zurück. Nachdem sein Script von dem ebenfalls über alle Zweifel erhabenen Steven Zaillian mit erheblichen Änderungen versehen war (jetzt befinden sich die Namen beider Autoren auf dem Abspann), ging es zwar bei den Studios durch, nicht aber bei der Hauptdarstellerin.
Ersetzt wurde Foster durch Julianne Moore. Das stellt sich in Scotts Fassung als eine gute Wahl heraus, denn die etwas herbere Moore gibt der zehn Jahre gealterten FBI-Agentin Clarice Starling den nötigen resignierten Ernst, ohne aus ihr eine völlig andere Figur zu machen.

Überhaupt ist Ridley Scotts Film eine angemessene und gelungene Fortsetzung des Stoffes, gerade weil sie gar nicht erst versucht, ein "zweiter Teil" zu sein. HANNIBAL ist ein eigenständiger Film, der zwar mit Kenntnis von SILENCE OF THE LAMBS weit besser verständlich ist, trotzdem aber jederzeit der Falle entgeht, bloßes Zitat zu sein. Trotzdem können auch Scott und der wieder exzellent agierende Hopkins in der Rolle seines Lebens nicht verhindern, dass jeder neue Auftritt der Figur des Dr. Lecter automatisch Kommentar aller vorherigen ist. Seit einem Jahrzehnt gehört sie zum festen Inventar der Popkultur: ein Zeichen.
Die Struktur der Geschichte ist entsprechend die eines Versprechens und seiner ständig aufgeschobenen Erfüllung. Zwei Stunden lang harrt der Zuschauer auf das unvermeidliche Wiedersehen von Detektiv und Killer. Bis es dazu kommt wird er mit drei Nebenhandlungen bei Laune gehalten, die allesamt spannend sind, zusammen den Film aber ein wenig konfus wirken lassen. Denn zu deutlich geht es um anderes: die unausgesprochene Liebesgeschichte zwischen den beiden Hauptfiguren. Wie sie sich schließlich erfüllt, darf nicht verraten werden. Leser des Romans sollten allerdings wissen, dass das letzte Filmdrittel mit ihm kaum noch etwas zu tun hat, alle anderen Zuschauer sollten sich auf großartig inszenierten, schlimmen Horror gefaßt machen.
So ist HANNIBAL ein würdiger Nachfolger geworden, wenn ihm auch eindeutig der epochale Rang des ersten Teils fehlt. Seine Fans wird er trotzdem zufriedenstellen.

Rüdiger Suchsland

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