Besprechung

Blue Note - A Story of Modern Jazz

D/USA 1997, 92 Minuten · FSK: ab 0
Regie: Julian Benedikt
Drehbuch: Julian Benedikt
Kamera: William Rexer II
Schnitt: Andrew Hulme

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»It grooves you out!«

Blue Note – ein musikalischer Dokumentarfilm

Frank Wolff und Alfred Lion wußten einfach, wann Musik groovt! Die Musik und die Musiker für ihr Plattenlabel Blue Note suchten sie nicht nach dem Bekanntheitsgrad eines Musikers oder nach sonstigen kommerziellen Gesichtspunkten aus, sondern einfach nach Gefühl. Auf den Platten, die ihr Label zwischen 1939 und 1966 herausgebracht hat, kann man hören, daß ihre intuitive Wahl einfach genial war!

Julian Benedikts Film Blue Note – A Story of Modern Jazz ist ein Dokumentarfilm über die Geschichte der Plattenfirma »Blue Note«. Vor allem Jazz-Musiker erzählen in ihm über »ihr« Plattenlabel, über die sehr ungebundenen Arbeitsbedingungen, wo Experimente und musikalische Innovationen angeregt und gefördert wurden. Und schließlich über die Personen Frank Wollf und Alfred Lion. Von Gedanken zum Jazz und von ganz persöhnlichen Erinnerungen.

Die Geschichte von Blue Note Records ist die von Alfred Lion und Frank Wolff, zwei deutschstämmigen Juden aus Berlin, die 1939 nach New York emigrieren. Wie die unterdrückte Minderheit der schwarzen Bevölkerung in Amerika finden sie in dieser Musik eine zweite Heimat. Von Thelonious Monk zu Art Blakey bis hin zu Eric Dolphy, Ornette Coleman und Cecil Taylor: Wie kein anderes Plattenlabel hat Blue Note jahrzehntelang eine ganze Reihe der wichtigsten Musiker im Jazz in unser Bewußtsein gerückt und unübertroffene Maßstäbe gesetzt. Der Film spannt den musikgeschichtlichen Bogen von den Anfängen der Firma im Boogie Woogie über Swing, Bebop, Hardbop, Modern Jazz, Avantgarde, bis in unsere heutige Zeit. Parallel dazu erzählt er die faszinierende Verknüpfung von europäischem Erbe und der reinsten Form amerikanischer Kultur, dem Jazz.

Seit seiner Gründung im Jahre 1939 ist Blue Note Records der Inbegriff für Jazzmusik, hat Musiker, Designer, Filmemacher, Schauspieler und sogar Sportler beeinflußt. Doch kaum jemand weiß, daß dieses Label von zwei deutschen Emigranten gegründet wurde. Mit ihren Plattenaufnahmen dokumentieren sie den Zeitgeist eines halben Jahrhunderts und verhelfen dieser autentischsten Form amerikanischer Kultur zu künstlerischem Ausdruck und später zu Weltruhm.
Bud Powell, Thelonious Monk, Art Blakey, Horace Silver, Sonny Rollins, Hank Mobley, Ornette Coleman, Lou Donaldson, Freddie Hubbard, Herbie Handcock, Joe Henderson, Tony Williams, Jimmy Smith – die Reihe großer Namen bei Blue Note ist endlos. Jeder von ihnen begann seine musikalische Laufbahn als Nobody im Tonstudio bei Alfred Lion.
Der von Rudy van Gelder geschaffene Blue Note Sound ist ebenso in die Musikgeschichte eingegangen, wie die vom Designer Reid Miles gestalteten Plattencover. Blue Note war die erste Plattenfirma, die verstanden hat, daß zwischen dem Aussehen einer Schallplatte und der Musik auf ihr eine besondere Beziehung besteht. Der Blue Note Look hat ganze Generationen beeinflußt und gilt bis heute als unumstrittene Referenz.
In seiner Dokumentation läßt Julian Benedikt Musiker, Freunde, die beiden Ehefrauen von Alfred Lion, Sportler, Stars und Dichter zu Wort kommen. Der Film läßt auf diese Weise die Blütezeit einer vergangenen Ära amerikanischer Kulturgeschichte wiederaufleben.

Ich denke man erfährt durch diesen Film sehr gut, was das Besondere an der Arbeit und der Philosophie von Blue Note war. Julian Benedikt geht mit Interviewfetzen, Fotos, Musik und Konzertausschnitten sehr frei um. Der Film hat nichts Statisches, er dokumentiert nicht historistisch die Arbeit von Blue Note, sondern er trägt auf eine besondere Art und Weise etwas zusammen, wodurch das Plattenlabel und die Musik faßbar werden. Durch Blue Note entsteht ein Gefühl für Blue Note!

Durch die Kameraeinstellungen und Bildausschnitte ist man ganz nah dran an den Musikern, wenn sie erzählen und wenn sie spielen. Hauptsächlich sind Gesichter und Instrumente zu sehen. Es ist alles ganz einfach, und kommt ohne die »typischen« Aufnahmen von Studios aus, von jubelndem Publikum in Clubs oder Bildern vom Produktionsverfahren. Der Gegenstand wird keinesfalls großartig präsentiert. Die Musiker wirken eher bescheiden und in einer Einstellung ist eine Frau zu sehen, die vor etwa 20 Schallplatten steht und diese in Plattenhüllen steckt.
Sicherlich hatte Julian Benedikt Glück, daß er die genialen Fotografien, die Frank Wolff während der Musikaufzeichnungen gemacht hat, und sehr gute Konzertmitschnitte für seinen Film zur Verfügung hatte. Doch seine Komposition ist es, die den Film grooven läßt!

Andrea Wienen nach oben