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Aus Tibet - Ein Heimatfilm

 
 
D 1997 - 98 Minuten
Regie: Lottie Marsau
Kamera: Lottie Marsau
Drehbuch: Lottie Marsau
Besetzung:
 
 
 
 

From Tibet - A Film of the Homeland

Eine poetisch-politische Reise durch das heutige Tibet mit Bildern aus dem Alltag und Spuren aus der Vergangenheit. Im Schein einer Taschenlampe sehen wir alte Figuren und Wandgemälde aus den Felsentempeln West-Tibets. Wir begleiten Nomaden durch überwältigende Landschaften, beobachten sie bei den Verrichtungen ihres Alltags und erfahren von ihrer Form des Widerstandes. Eine Kultur, die den Tod ins Leben einbezieht und den Menschen Widerstandskraft und Heiterkeit gibt. Der Film ist eine Liebeserklärung an die Menschen eines großen Kulturvolkes, das sich trotz jahrelanger Knechtschaft nicht brechen läßt. Drei Jahre waren die Filmemacherinnen ohne Drehgenehmigung in Tibet unterwegs, wo sie mit Hilfe von Widerstandsgruppen ihre erstaunlichen Aufnahmen machten.

Lottie Marsau und Katharina Rosa über die Stationen ihrer Filmreise:

Für den Prolog des Films projizierten wir Trickaufnahmen der bei den Tibetern beliebten chinesischen Fernsehserie „Zorro" auf eine Freilichtleinwand. Dann begleitet die Kamera tibetische Schmuggler wäh-rend einer langwierigen Gebirgspaßüberquerung, an deren Ende die rote Fahne eines kleinen Orts in West-Tibet flattert. Über Lautsprecher erteilt die Partei amtliche Anweisungen an die Bevölkerung, wie sie sich zu verhalten habe, wenn demnächst hohe Parteifunktionäre der sogenannten Autonomen Republik Tibet den Ort inspizieren: „Alles muß absolut sauber sein!" Fluchtartig verlassen wir diesen Ort und finden uns wieder im ehemaligen Königreich Guge, in der Gemeinde Tsaprang in West-Tibet. In unmittelbarer Nähe der Ruinenstadt Tsaparang bewässern tibetische Bauern ihre kargen Gerstenfelder. Die teils zerfallenen, teils zerstörten Tempelanlagen der Ruinenstadt lassen die Auswirkungen der chinesischen Kulturrevolution nachempfinden. Dennoch ist es nicht überall und durchgängig gelungen, das spirituelle Leben der Tibeter zu zerstören: In einem restaurierten Kloster wird deutlich, welch intensives Eigenleben das Zerstörte hat. Im Schein von Kerzen und Taschenlampen sehen wir im ältesten Tempel der Ruinenstadt Tsaparang (Mandala-Tempel des berühmten tibetanischen Königs Jesche-Ö) über 800 Jahre alte Wandmalereien. Auf ihnen sind Leichenstätten, zum Teil mit makabren Details, bildlich dargestellt. Sie sollten den Meditierenden die Vergänglichkeit bewußt machen: Bilder, die über die Jahrhunderte im Dunkel des fensterlosen Raumes ihre Kraft entfaltet und bis heute behalten haben. Dagegen setzen wir Bilder von einer Luftbestattung auf den Totenhügeln von Shigatse, Tibets zweitgrößter Stadt. Es folgt eine Montage von in Tibet photographiertem chinesischem Archivmaterial über die sogenannte friedliche Befreiung vom Feudalismus durch die Volksbefreiungsarmee vor 38 Jahren in WestTibet. Der Ort Ngari war und ist Umschlagplatz für den Tauschhandel der Nomaden. Heute dient er dem chinesischen Militär als Hauptstützpunkt in West-Tibet. Wir treffen dort einen chinesischen Maler und Bildhauer, der beim Militär als Schablonenschneider arbeitet. Wir reisen weiter ins Sommerlager einer Nomadenfamilie und schließlich- über die Hauptstadt Lhasa -zur Getreideernte in ein tibetisches Dorf.
Filmkritik: Während der auf dem Münchner Dokumentarfilmfestival prämierte Halbstünder China’s Tibet? eine sehr politische Auseinandersetzung mit der Präsenz der Okkupationsmacht China in Tibet mit Daten und Fakten untermauerte, enthält der abendfüllende Dokumentarfilm Aus Tibet - Ein Heimatfilm weniger gesprochenen Kommentar. Er überläßt den Zuschauer stärker seinen eigenen Reaktionen auf Land und Lebensformen einer Bevölkerung, die seit Jahrzehnten ihre kulturelle und religiöse Eigenart gegenüber dem chinesischen Machtapparat zu erhalten versucht. Die Aufnahmebedingungen machten eine synchrone Tonspur von vornherein unmöglich. Die Autorinnen nutzen diese Schere als Ausdrucksmittel: Obwohl der ganze Film mit Original-Sound aus Tibet unterlegt ist, ist er immer etwas mehr als die reine Wiedergabe der vorgefundenen Wirklichkeit in Bild und Ton. Gleichzeitig mit der emotionalen Nähe der Filmemacherinnen zu ihrem Thema wird unterschwellig auch ihre technische Distanz zu einer Bevölkerung vermittelt, deren Sprache sie sich teils im nachhinein anhand des vorhandenen Tonmaterials verdolmetschen lassen mußten. So entstanden statt starrer Interviewsituationen puzzleartige Momentaufnahmen, die im Zusammenhang mit mal stärker assoziativen, mal eher thesenträchtigen Passagen dem Zuschauen den Eindruck vermitteln, etwas von Tibet nicht nur gesehen, sondern erlebt zu haben. Caroline M. Buck
Aus: Film & TV Kameramann, 12/96

BIO-FILMOGRAPHIE LOTTIE MARSAU
Geboren 1953 in Heide/Holstein. Zog als Pantomimin und Musikerin durch die Welt. 1989 unternahm sie ihre erste mehrmonatige Reise nach Tibet.

KATHARINA ROSA
Studium an der Deutschen Film und Fernsehakademie, Berlin. Langjährige Mitarbeiterin von Helga Reidemeister („Aufrechtstehen", „Von wegen Schicksal" usw). Sonst vor allem Arbeit als Tonfrau.

Gemeinsame Filme:

1995 CHINA’S TIBET?
1996 AUS TIBET - EIN HEIMATFILM
Die beiden Filme sind Teil des geplanten Zyklus „Good Morning Tibet".
Tibet".

(Katalog des 12. internationalen Dokumentarfilmfestivals)

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