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09.08.2001
 
 
   
 

"Wir sind bereit für etwas Neues"
Interview mit Brian Yuzna

 
Brian Yuzna
     
 
 
 
 

Für Fans des Horrorfilms zählt sein Namen mit zu den letzten, die noch immer frischen Glanz haben: Seit fast 20 Jahren versorgt Brian Yuzna sie mit Genre-Perlen und tut es noch immer, in einer Zeit, wo die meisten anderen Helden des Metiers sich in den Ruhestand oder den Mainstream abgesetzt haben. Dem großen Publikum ist Yuzna weniger vertraut, dafür hat es seinen indirekten Einfluss unwissentlich sicher schon des öfteren gespürt - Filme wie THE CELL oder HANNIBAL sähen wohl anders aus ohne die Pionierarbeit von Yuzna. Mitte der 80er drückte er als Produzent von RE-ANIMATOR dem Splatter-Kino einen enorm prägenden Stempel auf und ließ dann als Regisseur eine Reihe feiner, kleiner Perlen folgen (u.a. BRIDE OF THE RE-ANIMATOR, RETURN OF THE LIVING DEAD 3, THE DENTIST), die alle wesentlich surrealer, subversiver, gutgelaunter waren als das, was zur selben Zeit im amerikanischen Horrorkino sonst so sein Unwesen zu treiben pflegte.
Mittlerweile hat Brian Yuzna sich in Spanien niedergelassen, wo er derzeit zusammen mit der großen Produktionsforma Filmax das Label "Fantastic Factory" aufbaut, das eine Art Reinkarnation solch traditioneller Fantastischer-Film-Schmieden wie American International oder der Hammer-Studios werden soll: Ein Dach, unter dem sich (insbesonders junge) Kreative versammeln können, um mit wenig Geld, aber viel Ideen lebendiges Genre-Kino zu produzieren. Zu den ersten drei Filmen aus diesen Werkstätten gehört auch Yuznas jüngstes Werk, FAUST: LOVE OF THE DAMNED nach den berüchtigten Comics von David Quinn und Tim Vigil.
Das Fantasy Filmfest 2001 (siehe auch unser SPECIAL) widmet Yuzna eine Hommage - aus diesem Anlass sprach Artechock-Redakteur Thomas Willmann mit dem ebenso sympathischen wie auskunftsfreudigen Meister in München über Vergangenheit und Zukunft des Horrorfilms - und darüber, was das Filmgeschäft mit BSE zu tun hat.

Artechock: Zur Zeit scheint das Horror-Genre etwas anämisch. Seinen letzten richtig großen Boom hatte es in den 80ern - seither gibt es immer wieder einzelene erfolgreiche Horrorfilme, von denen aber keiner so recht eine ganze neue Welle auslösen konnte. Haben Sie eine Erklärung dafür?

Yuzna: Normalerweise lenke ich meinen Blick auf die Finanzierung, um alles im Filmgeschehen zu erklären. Ich weiß, das ist nicht die beliebteste Art, es zu tun, aber für mich scheint sie zu funktionieren.
In den 80ern fand gerade erst die Video-Revolution statt. Das bedeutete, dass die großen Studios und Verleiher den Wert von Video noch nicht begriffen hatten. Dadurch hatten die ganzen kleinen Independents die Möglichkeit, ihre Filme vorab zu verkaufen und zu finanzieren durch einen riesigen Kapital-Vorrat, der heutzutage an die Majors geht. Weil so viele kleine Firmen Filme machten konnten, gab es, wenn sie Horrorfilme machten - die zu den Filmen gehören, die man am einfachsten mit geringen Budgets drehen kann (ich weiß, dass die Effekte da billig und lächerlich sein können, aber das ist manchmal auch okay) - da gab es so viel Freiheit, und das ermöglichte Leuten wie Sam Raimi, Stuart Gordon und selbst Veteranen wie Wes Craven, der schon in den 70ern ziemlich viel Erfahrung hatte, oder John Carpenter - all diesen verschiedenen Leute ermöglichte das, Filme zu machen, und es gab eine sehr offene Atmosphäre.
Sobald die Mitte der 80er kam und die großen Studios und Verleiher erkannten, wie wertvoll Video war, fingen sie an, den Markt zu dominieren. Inzwischen wissen wir, dass Video nichts weiter ist als eine Möglichkeit, zu zahlen, um den selben Film, der vor drei Monaten im Kino war, nochmal zu sehen. Bevor er ins Fernsehen kommt. Oder vielleicht nachdem er im Kabel lief. Jetzt ist es einfach Teil des selben Systems, und nun befinden wir uns in Konkurrenz zu den selben riesigen Budgets, und wenn man jetzt einen Horrofilm macht, sind die Leute, die ihn finanzieren, stets besorgt, ob sie ihr Geld zurückbekommen.
Oft ist das Publikum für die originelleren Filme, für die EVIL DEAD-Art von Filmen, kein sehr großes Publikum. Für jeden EVIL DEAD oder BLAIR WITCH PROJECT, jeden dieser kleinen Filme mit unglaublichem Erfolg, gibt es ungefähr 50 weitere, die nicht funktioniert haben, die aber genauso billig waren.
Im heutigen Markt bekommt man, wenn man kein großes Publikum hat oder keinen großen Verleiher findet, der einen unterstützt, gar nichts. Da kann jemand, zum Beispiel eine deutsche Gruppe von Leuten, einen low-budget-Film machen, und man denkt, "Wow, der kostet überhaupt nicht viel", doch wenn sie von Anfang an Schwierigkeiten haben, einen Verleiher zu finden, kann es sein, dass sie nie irgendwen finden werden, der ihn zeigt. Und dieser Film könnte dann ein finanzielles Debakel werden. Während, wenn es von Anfang an die Unterstützung von, sagen wir, Helkon, gäbe, dann wüssten sie, dass sie zumindest ihre Kosten wieder hereinbekommen werden, und sie hätten eine Chance etwas zu machen, das ein EVIL DEAD oder FRIDAY, THE 13TH werden könnte - das Risiko wäre nicht so groß.
Wenn sie es ohne diese Unterstützung machen, und der Film stellt sich als unglaublich gut heraus, dann ist es kein Problem. Hast du LOLA RENNT, dann startest du durch. Aber wenn er, wie die meisten Filme, nicht 100% gelungen ist, kein Klassiker ist, dann war's das. Aus und vorbei.
Ich glaube, wenn man das Filmgeschehen verstehen will und was da passiert, sollte man wirklich auf die Finanzierung schauen, und auf das Marketing, und schauen, woher das Geld kommt und wohin es geht. Denn das bestimmt wirklich unser Produkte - in allen Belangen. Wenn man will, kann man das selbe in einem ganz anderen Bereich verfolgen, BSE zum Beispiel. Wenn man sich die Agrarpolitik zwischen den Ländern anschaut, dann wird man sehen, dass die direkt BSE und die Maul- und Klauenseuche fördert, weil es eine Art von Agrar-Business kreiert, in der Seuchen gefährlich gedeihen können. Und im Filmgeschäft diese paar großen Firmen zu haben, die den gesamten Markt dominieren - einerseits kann man sagen, ja, die arbeiten viel effizienter, andererseits lassen sie keinen Raum für neues Blut, buchstäblich.

>>Jeder Markt aber wird auch von den Gesetzen von Angebot und Nachfrage bestimmt - ohne Nachfrage nützt das schönste Angebot nichts. Gibt es nicht auch Gründe, warum die Nachfrage schwankt?

Wenn man jenseits der finanziellen Ebene der Geschichte schaut - die ich für sehr, sehr wichtig halte - dann haben sie recht, dann gibt es da quasi diesen Zyklus der Ideen. Wenn man zum Beispiel die Monsterfilme von Universal aus den 30ern nimmt, dann wurden da ein paar gemacht, die einen Stil kreiert haben - vor allem von James Whale und Todd Browning... Plötzlich hatte man diesen Stil von Filmen, die in einer Art von Welt existierten, die sowas wie ein Alternativ-Universum war. Frankenstein und Dracula existieren in keiner normalen Welt. Es gab diesen Look, der von den Universal-Monstern begründet wurde - damit hatten sie eine ganze Reihe von GROßEN Erfolgen. Es gab FRANKENSTEIN, BRIDE OF FRANKENSTEIN, THE MUMMY, THE WOLFMAN, THE OLD DARK HOUSE, und nun bauten sie diese Filme auf, und dann gingen ihnen die Ideen aus. Da gab es dann FRANKENSTEIN MEETS THE WOLFMAN (kein schlechter Film, aber man sieht, wohin das führt...) und dann all diese verschiedenen Versionen von THE MUMMY - die hatten alle die sich langsam bewegende Mumie, aber sie hatten nichts von dem magischen, eigenartigen Herz des ersten. Und schließlich landeten wir bei ABBOTT & COSTELLO MEET THE MUMMY, und dann starb es aus. Der ganze Stil wurde schließlich zum Witz, weil er sich abnutzte, und er wurde nurmehr etwas für Anspielungen, für liebevolle Referenzen. Dann dauerte es bis zu den Hammer-Filmen in den 50ern, dass die Dracula- und Frankenstein-Filme erneut gemacht wurden, aber nun mit Blut und nackten Brüsten und in Farbe.
Oder wenn man sich etwa Roger Cormans Poe-Serie ansieht...
Ich glaube schon, dass es da eine gewisse Eigendynamik gibt, einen Zyklus. Im Moment befinden wir uns in einer Zeit, wo die großen Studios Genre-Filme machen auf eine Art, wie sie es nie zuvor getan haben. In den 30ern, 40ern, 50ern, 60ern, haben sie nicht diese Art von Filme gemacht, die jetzt riesige Budgets haben - eine Art von Filmen, die einst von Roger Corman und American International produziert wurden. Aber jetzt werden diese Filme mit $100 Mio. Budgets gemacht, und da bleibt den Independents fast nur noch Splatter - und selbst das verlieren sie, weil inzwischen die Action-Filme mehr Splatter liefern als LEGION OF THE DEAD - nicht ganz, aber...
Aber im Moment sind wir, glaube ich, bereit für etwas Neues. Wir hatten einen Zyklus in den 70ern, und dann haben die 80er wirklich groß eingeschlagen - da gab es eine richtige Flut von Interesse für Horror-Filme. Die 90er waren mehr uneinheitlich.

>>Ist SCARY MOVIE dann quasi unser ABBOTT & COSTELLO MEET THE LAST HOUSE ON THE LEFT?

Ja, ich denke schon. Es ist zur Farce geworden. In der Tat ist mein Projekt gerade - das, was mich derzeit am meisten beschäftigt: RE-ANIMATOR 3. Und was mir wirklich Kopfzerbrechen macht ist: Wie macht man das noch einmal? Denn es ist die Fortsetzung einer Fortsetzung, die Story wurde schon erzählt - ich habe erst gestern den ersten RE-ANIMATOR wieder gesehen, der ist so nahezu perfekt, wie er voranmarschiert, und man denkt sich, "Oh Mann, wenn man diese Art von Film wieder macht, gibt es dafür ein Publikum?" Denn das Publikum verändert sich, und das junge Publikum - das hat SCARY MOVIE gesehen. Da gibt es kaum was in RE-ANIMATOR, mit dem man es schockieren könnte.
Einer der Gründe, warum ich glaube, dass bald etwas Neues passieren wird ist, erstens, weil ich einen Glauben an den Frühling habe (lacht) und zweitens sehe ich um mich herum und bei mir selbst dieses Mischen von Genres. Zwei Filme diese Woche beim Festival: Der eine war Christophe Gans' LE PACTE DE LOUPS, und der andere war mein FAUST: LOVE OF THE DAMNED. Die sind beide eine Art Mischmasch - die sind so "können die sich nicht entscheiden, was für eine Art Film sie machen wollen?"-mäßig. Will Christophe einen Kung Fu-Film machen, oder ein großes französisches Kostümdrama? Will FAUST ein Comic-Film sein oder ein Horrorfilm? "Los, entscheidet Euch!" Ein Monster-Film oder was? Und von mir selbst aus, der daran teilhat, kann ich sagen, dass es damit zu tun hat, dass man versucht, etwas Neues zu finden - und das erste was wir tun, wenn wir etwas Neues tun wollen, ist, die bekannten Zutaten zu nehmen und sie zusammenzumischen, um zu sehen, ob was passiert. Hin und wieder nur sieht man etwas, das Origineller ist. Deswegen habe ich das Gefühl, dass bald etwas passieren wird - dass wir am Ende eines Zyklus angelangt sind.
Und was wird das Neue sein? Keine Ahnung. Wer hätte EVIL DEAD voraussagen können, oder RE-ANIMATOR, oder selbst RETURN OF THE LIVING DEAD - den ich für einen der wirklich einflussreichen Filme seiner Zeit halte.

>>Die Infusion an neuem Blut für diese Zyklen scheint oft aus Europa gekommen zu sein...

Nun, man muss feststellen, dass Dario Argento in den 70ern sehr einflussreich war, und selbst in den 50ern, William Castle, obwohl er so einzigartig war - wenn man sich THE TINGLER anschaut, sieht man mittendrin (Henri-Georges Clouzots) LES DIABOLIQUES. Ich glaube, jeder ist sich (dieser anderen Traditionen) bewusst. Selbst Christophe Gans und selbst Quentin Tarantino - die machen Hong Kong. Und sie haben Glück, weil das Publikum keine Hong Kong-Filme gesehen hat. Jeder nimmt von jedem - das ist keine Kritik, sondern eine Beschreibung. Wir müssen Wurzeln haben.

>>Wäre dann Ihre "Fantastic Factory" mit ihrem Standort in Spanien nicht vielleicht tatsächlich in einer guten Position, um eine Renaissance des Genres zu bringen?

Was da passiert ist eine Art Mischung. Aber ich habe das schon in der Vergangenheit versucht. Heute zeigen sie auf dem Festival NECRONOMICON, ein Film, der mir sehr am Herzen liegt, weil ich ihn immer als Experiment angesehen habe. Ehrlich gesagt finde ich nicht, dass NECRONOMICON als Film an sich so wahnsinnig gut funktioniert, und es ist immer schwierig für ein Publikum, drei verschiedene Geschichten zu haben. Filmemacher lieben es, solche Anthologie-Filme zu machen, aber das Publikum schaut sie nicht gerne an. Es ist ein uneinheitlicher Film. Aber das macht mir nichts aus, denn als ich anfing, ihn zu machen, da habe ich das als Experiment getan. Das Experiment war, einen Regisseur aus Europa, einen aus Asien und einen aus Amerika zu nehmen und jeden einen Lovecraft-Film machen zu lassen, und sich die Mixtur anzusehen. Denn für mich sind das die drei Teile der cineastischen Welt zur Zeit. Und ich wollte einfach sehen, wie die Mischung aussehen würde.
Das ist es zum Teil, was derzeit in Barcelona passiert: Ich versuche, so viele Leute wie möglich, die ich interessant finde, zu mischen - innerhalb der von der EU vorgeschriebenen Nationalitäten-Quoten, was sehr kompliziert ist. Ich glaube zum Beispiel, dass Jaume Balagueró, der unser auf einheimischer Erde gewachsener Held ist, unser katalanischer Held, davon profitiert hat - dass er einen anderen Film macht, als er ihn ohne die Fantastic Factory gemacht hätte. Er macht einen Film, der ganz und gar seiner ist, er hat einen katalanischen Kameramann, Cutter, das ganze Team. Aber nachdem wir drei Filme dort produziert haben, haben wir uns mit dem was wir tun etwas aufeinander eingestellt, und die Crew hat ihr eigenes System erfunden. Ich glaube, es gibt da einige europäische oder spanische oder katalanische Sichtweisen, die daraus resultieren, die ziemlich fresh - ziemlich neu und cool - sind. Und ziemlich interessant.
Ich hoffe, dass das etwas bewegen wird. Ich will einfach Filme machen, die ich liebe. Mich ermüdet das herkömmliche Zeug. Ich liebe einiges von dem herkömmlichen Zeug - ich hätte unheimlich gern THE HOLLOW MAN gemacht gehabt, vielleicht nicht genau so, aber diese Art von Film sind großartig. Ich mochte THE CELL. Ich mag Filme, die ganz in einem Labor spielen - nun gut, das waren riesige Budgets, aber es hätten keine sein müssen.

>>Oft scheinen die erfolgreichen Zyklen von Horrorfilmen auch an ein konservatives gesellschaftliches Klima gekoppelt zu sein. Wäre das auch ein Indiz, dass die nächste Welle unmittelbar bevorsteht?

Möglich. Es könnte auch einfach mit neuen Leuten zu tun haben, die andere Ideen haben, wie man Horrorfilme macht. Ich würde sagen, EVIL DEAD war eine Mischung von allem, an was Sam Raimi sich nur erinnern konnte. Und trotzdem ist da pure Kreativität am Werk. Und bei RETURN OF THE LIVING DEAD machte Dan O'Bannon im Prinzip eine fast perfekte filmische Version der EC-Comics, bevor Joel Silver TALES FROM THE CRYPT gemacht hat oder sonstwas von dem Zeug. Es gab den Ton vor. Niemand hat je einen Zombie-Film gemacht, wie Dan O'Bannon ihn machte. Auch NIGHTMARE ON ELM STREET war eine ganz neue Idee - Surrealismus mit einem Slasher-Film zu mischen.
Im Moment scheint es, dass der größere Markt mehr an Grusel-Geschichten interessiert ist, mehr an der Art Geschichte von THE SIXTH SENSE. Das basiert jetzt natürlich auf dem Erfolg eines einzelnen Films... Aber es werden viele Filme gemacht über Geister, über Spukhäuser, und ich glaube, wir werden davon mehr sehen, wir werden mehr CHILDREN OF THE DAMNED-artige Sachen sehen. Diese Ängste, die man nicht ganz fassen kann... wo man kein Blut sieht und keine abgetrennten Gliedmaßen und Monster. Aber auch das ist ein Zyklus.
Die eine Sache, die ich wirklich für im Kommen halte, ist der Horror des Solipsismus, in der Art von THE MATRIX. Wo die Welt nicht real ist. eXistenZ war für mich wirklich, wirklich gut - viele mochten den nicht, aber ich fand, das war das beste Videospiel, dass ich je auf der Leinwand gesehen habe.
Ich denke, die Welt der Videospiele hat der Film immer noch nicht zu fassen gekriegt. Das fing an mit TRON und seither frickeln sie daran rum, und zuletzt hatten wir LARA CROFT: TOMB RAIDER (den ich einfach nur furchtbar fand) (Einspruch, Euer Ehren - Die Red.) und nun FINAL FANTASY. Sie versuchen noch immer, dieses Erlebnis, das so viele Leute rund um die Welt haben, die ihre Zeit mit Videospielen verbringen, einzubeziehen. Das wird sicher Auswirkungen haben.

>>Das neue Erstarken der Konservativen hat ja auch die leidige Debatte um Gewalt in den Medien wieder sehr hochkochen lassen. Sind Sie davon in irgendeiner Weise betroffen?

Ich bin mir dessen sicher bewusst. Es betrifft mich nicht wie jemandem wie beispielsweise Tobe Hooper, der jede Menge Angriffe einstecken musste für THE TEXAS CHAINSAW MASSACRE, so dass er jetzt lieber Filme macht über Monster statt über Menschen, die rumziehen und töten. Weil er nicht verantwortlich gemacht werden will für Probleme in unserer Gesellschaft. Aber da die meisten meiner Filme so fantastisch sind, ist es wirklich schwierig, etwas wie RETURN OF THE LIVING DEAD 3 zu nehmen und zu sagen, das ermutigt Kinder irgendwie, sich gegenseitig umzubringen - das sehe ich einfach nicht, es ist einfach zu abseitig. Von dieser Seite gesehen habe ich da nicht die gleiche Beziehung. Aber es gibt gewiss Leute die finden, dass die Filme, die ich mache, sich einfach nur in perversen Bildern suhlen und eine Art pornographische Sache bedienen, die das Leben oder den Tod entwerten, so etwas...
Und ich weiß es wirklich nicht. Ich glaube gewiss, dass Filme und Literatur Menschen beeinflussen, aber ich denke gewiss nicht, dass daher die Inhumanität der Menschen herkommt. Wir haben ja überhaupt erst seit sehr kurzem sowas wie eine alphabetisierte Gesellschaft, geschweige denn Kino oder CDs, und trotzdem haben wir eine Geschichte von Jahrtausenden von gegenseitigem Abschlachten und sich die schrecklichsten Dinge antun - man kann für die Spanische Inquisition gewiss keine Horrorfilme verantwortlich machen, oder Splatterfilme. Dann sollte man vielleicht die katholische Kirche dafür verantwortlich machen. Nun, ich sehen niemand, der der Katholischen Kirche sagt, sie soll damit aufhören, Jesus jeden Sonntag zu töten und zu essen, oder ihre Statuen abschaffen von Heiligen, denen die Haut abgezogen wird... Gewiss, sie haben ein höheres Ziel.
Aber wir müssen vorsichtig sein mit unserer Einschätzung. Ich denke, dass es auch dumm ist zu sagen: Nein, es gibt keinerlei Effekt. Es gibt gewiss Sachen, die ich nie darstellen wollen würde. Aber mache ich das, was für mich funktioniert - wenn man es von außen betrachtet und all das Blut und so sieht mag man sagen, "Oh, das ist eine schreckliche Sache", andererseits finde ich, dass Horrorfilme extrem streng sind moralisch gesehen. Ein Horrorfilm hat eine unglaublich starke moralische Struktur, viel mehr, als normale Filme. Und ich glaube, es gibt viel mehr Immoralität in einer Menge von Mainstream-Filmen.

>>Jetzt haben ja auch ausgerechnet die inhumansten Diktaturen immer die saubersten Medien...

Nun, die unterdrücken. Es ist so ähnlich wie wenn man japanische Horrorfilme anschaut - manchmal zeigen die solch schreckliche Folter-Szenen, solch schrecklichen Sadismus (der mich ehrlich nicht anzieht, der mir nichts gibt) - aber dann schaut man sich die Gesellschaft an, und es ist diese absolut homogene Art von Gesellschaft, in der alles so unterdrück wird - auf der einen Seite, und dann explodiert es auf der anderen einfach vor Wahnsinn. Sie haben wahrscheinlich recht, dass eine rechtslastige Kultur diese abartigen Bilder, diese Perversionen kreiert.

>>Würden Sie sich in gewisser Weise als subversiven Filmemacher ansehen?

Ich weiß nicht. Ich wüsste nicht, gegen was meine Arbeit subversiv wäre. Ich bin für die Welt an sich ziemlich ungefährlich, weil ich einfach reinpassen will, mit allen klarkommen will. Als ich jünger war, war ich ein Hippie und war Teil dieser ganzen linken Szene, Hippie-Kommunen und alles, und da gab es immer das Gefühl, dass man ein Outlaw sei. Seit diese Kultur das Ruder übernahm - oder vom Mainstream geschluckt wurde - bin ich wie jeder andere: Ich will Geld, ich will mein Haus haben. Vor allem wenn man älter wird: Man möchte Annehmlichkeit. Wenn man jung ist, lassen einem die Leute viel Freiraum, weil man süß aussieht oder sowas. Aber je älter man wird: Mann, da hast du besser ein Geschäft, hast besser Geld, oder du bekommst von den Leuten weder Respekt noch sonst irgendwas. Und wenn man diese Dinge will, dann beginnt man, in den status quo zu investieren... - Ich fände es etwas prätentiös zu glauben, dass ich subversiv sein könnte. Vielleicht in einem sehr eng begrenzten Bereich des Filmemachens bin ich es, aber was ich mache ist so gewöhnlich in der Welt des Films, wenn man darüber nachdenkt... - die Fantastic Factory aufzuziehen ist, was viele Leute in der Vergangenheit gemacht haben. American International, New World, alle von diesen Sachen. Das läuft nach dem Muster: "Okay, lasst uns eine Reihe von Filmen machen, lasst sie uns low-budget machen, und wir versuchen, ein paar größere zu machen." Der Unterschied für mich ist, dass ich einfach Gefallen an dem Genre habe.
Selbst meine Kinder, wenn sie ein gewisses Alter erreicht haben, wollen nicht mehr mit mir ins Kino gehen, weil sie meinen Geschmack zu pubertär finden. (Lacht) Vielleicht ist es, weil ich als Katholik aufgewachsen bin, und das allein pflanzt einem schon diese seltsame Idee in den Kopf von Körper-Transformationen und Tod und Schmerz, Wundern und Geistern... Die katholische Kirche gibt uns die am besten organisierte Symbolik des Horror überhaupt, viel mehr als östliche Religionen. Wenn man sich östliche Horrorfilme anschaut, da geht alles kreuz und quer, die wissen nicht, was die Regeln sind. Aber, mein Gott, die Katholische Kirche gibt uns Vampire! (Lacht) Sie diktiert uns diese Sachen sehr klar, und das ist etwas, das ich wohl in mir trage. Und aus der Zeit, in der ich aufwuchs, erinnere ich mich an Bildern von Filmen am stärksten an die aus den Horrorfilmen.

>>Immerhin zeigen Sie in Ihren Filmen stets mehr Mitgefühl mit den Monstern als mit dem Establishment...

Ich denke, das ist ziemlich traditionell. Das ist eine gewissermaßen traditionelle Sichtweise. Der Grund, warum sowohl KING KONG und FRANKENSTEIN als Filme so attraktiv sind ist, dass man Sympathie für das Monster empfindet, sowohl für King Kong als auch Frankenstein. Wir fühlen sogar Mitleid mit der Mumie - und THE WOLFMAN hat das sogar richtig gehend gemolken, da haben sie alle Hemmungen fahren lassen. Es ist keine ungewöhnliche Sache. Aber Sie haben Recht - ich mag die Monster. Und mich interessieren die mehr als sonst wer.

>>In den 80ern und 90ern, als Ihre Filme entstanden, war Sympathie mit den Monstern aber nicht gerade en vogue. Mit einem Jason oder all den anderen Schlitzern hatte man wenig Mitgefühl...

Ja, die waren ziemlich gesichtslos. Der eine meiner Filme, der für mich am deutlichsten damit arbeitet, ist RETURN OF THE LIVING DEAD 3 - denn es war so schwierig, die zweite Fortsetzung zu einer Alternativ-Fortsetzung eines Klassikers zu machen (lacht). (Die RETURN OF THE LIVING DEAD-Reihe ist ein Ableger von George Romeros LIVING DEAD-Trilogie, die durch einen Rechtsstreit zwischen Romero und O'Bannon zu Stande kam. - Die Red.) Aber auch, die Mythologien von George Romero und Dan O'Bannons Zombies zu mischen und damit etwas anderes zu machen. Das erste, was mir einfiel war, die Hauptfigur zum Zombie zu machen. In DAY OF THE DEAD hat Romero angefangen, ein bisschen in diese Richtung zu gehen. Und in RE-ANIMATOR gab's sowas Ähnliches mit Dr. Hill - obwohl wir mit dem nicht so viel Zeit verbringen.
Bei BRIDE OF THE RE-ANIMATOR habe ich immer bereut, dass wenn ich ihn gesehen mir aufgestossen ist: Die Braut kommt erst ganz zum Schluss, wie bei BRIDE OF FRANKENSTEIN. Sie hätte früher kommen sollen, wir hätten ein bisschen bei ihr sein sollen, sie war großartig. Und als ich die Chance hatte, einen Zombie-Film zu machen, habe ich gesagt: Dieses Mal kommt die Braut gleich zu Beginn, und wir werden bei ihr sein. Ich finde es eine sehr anrührende Geschichte. Mich hat schon immer interessiert was in der Zeit passiert zwischen dem Moment wenn jemand stirbt und dann zum Zombie wird - was ist das für eine Erfahrung? Wie kommt man damit klar?

>>Sie haben ja auch nie diesen Horror der Zerstückelung mitgemacht, der die anderen Filme der Zeit so prägte...

Mich hat das Slasher-Ding nie wirklich interessiert, das war ein Genre, das ich nicht sonderlich mochte, ehrlich gesagt. Selbst bei einem Film wie HALLOWEEN, den ich sehr bewundere - der Einfluss, den dieser Film hatte, ist unglaublich... Mich hat immer eher NIGHTMARE ON ELM STREET angezogen, weil es da das abgefahrene Zeug gibt. Diese Szene mit der Zunge aus dem Telefonhörer? Sowas finde ich großartige Sachen. Oder Freddies Arme, die immer länger werden - wow, das sind Alptraum-Geschichten! Aber wenn einfach einer kommt und Leute metzelt, das habe ich noch nie gemocht, obwohl ich fand, dass FRIDAY, THE 13TH ziemlich gut war, weil der praktisch die Anfangsszene von HALLOWEEN genommen hat und einen ganzen Film daraus gemacht. Soweit ich sehe, habe ich nur einen "body count-movie" gemacht, und das ist THE DENTIST. Und ich wusste damals, als ich den machte, schon: Oh je, da ist nur dieser Typ, der einen Haufen Leute umbringt. Wie kann ich das machen? Sowas hab ich noch nie gemacht, das ist nichts, was mir Freude bereitet - ich suche nicht nach neuen Methoden, Leute umzubringen, ich interessiere mich für Tod nur als Weg, um andere Dinge damit zu tun. Deshalb fand ich THE DENTIST sehr schwer zu machen - ich ging in andere Filme, um Wege zu finden, Leute umzubringen, weil ich selbst daran keine Freude hatte. Also hab ich eine Menge von Hitchcock übernommen. Letztlich musste ich mich viel mehr auf den Zahnarzt konzentrieren als sein Morde, weil ich den Film nicht hätte machen können, wenn ich den Zahnarzt nicht gemocht hätte. Am Schluss mochte ich den Zahnarzt. Für mich war er, trotz all seiner schlimmen Taten, ein Mann der - schon sehr verklemmt - einfach nur vom Leben enttäuscht ist.

>>Sie haben vorhin das Älterwerden angesprochen. Verändert sich dabei auch die Sicht auf Horror, vielleicht auch im anderen Erfahren der eigenen Sterblichkeit?

Ich weiß nicht. Ich denke ja. Vielleicht. Was ich sagen kann ist, dass ich mehr über Horror weiß. Denn seit ich angefangen habe Filme zu machen, habe ich auch Filme studiert. Ich habe mein eigenes Studium von Filmen betrieben. Ich habe Bücher gelesen und Tonnen von Filmen gesehen, besonders die alten Stummfilme und die aus den 30ern. Also fühle ich mich viel mehr film-literate, Film-gebildet.
Andererseits gibt es diese Tendenz, je älter ich werde, um so stärker in einer Außensicht zu sein in der Art, wie ich über Filme denke. Während ich mich, als ich jünger, wenn ich die Gelgenheit hatte, einen Film zu machen, einfach von einer Idee mitreißen ließ. Jetzt fange ich damit an, von einer Idee mitgerissen zu werden, und dann beginne ich zu analysieren, von außen, vom Markt her, vom Publikum.
Schließlich ist da ein viel nüchterneres Herangehen, und ich weiß nicht, ob das nicht vielleicht eine schlechte Sache ist. Denn bei Horrorfilmen braucht man wirklich diesen freudigen Enthusiasmus, man will das Gefühl von Freude. Und das ist schwieriger zu bekommen, wo ich älter werde und vielleicht viel nüchterner als in jungen Jahren.

>>Also irgendwann einmal der Wechsel zur Romantic Comedy?

Ich habe immer noch Freude daran, grauselige Sachen auf der Leinwand zu machen. Aber von Anfang an hatte ich dabei irgendeine abgefahrene Idee hinter dem allen, mit der ich arbeitete... Manchmal denke ich, es gäbe andere Arten von Filmen, die ich gerne machen würde - das sind immer noch Genre-Filme, aber sie wären vielleicht etwas weniger pulpy, weniger groschenroman-mäßig. Aber dann komm ich davon zurück und denke: Nun, dies ist ein Genre - wenn du es gut machst, dann ist es großartig. Wie jedes Genre.
Was mir an mir aufgefallen ist: Ich fühle mich sehr unwohl an fast jedem Drehtag, wenn ich nicht etwas Abgefahrenes in den Dailies, den am Tag abgedrehten Filmstreifen, sehe. (Lacht) So bin ich einfach. Vielleicht ist mein Geschmack einfach nur sehr bodenständig.
Ich glaube nicht, dass ich gut wäre bei einer Romantic Comedy, aber ich würde sehr gerne einen Action-Film machen, oder ganz besonders einen Abenteuerfilm, aber wenn es ein Abenteuer auf dem Mars wäre, würde ich es noch lieber machen...
Was man auch beachten muss ist, dass es sehr schwer ist davon zu leben, Filme zu machen. Ich hatte nie einen Riesen-Erfolg. Ich bin nicht jemand wie Tim Burton oder James Cameron, diese Leute, die offenbar mit riesigen Budgets umgehen können und dabei großartige Sachen machen. Ich arbeite ziemlich hart und muss mir genau überlegen, was ich mache. Vom Filmemachen zu leben ist sehr schwer. Und wenn man einmal in eine Richtung angefangen hat und es schafft, das zum Funktionieren zu bringen, ist es sehr schwer jemanden davon zu überzeugen, einem eine andere Art von Film anzuvertrauen. Dabei könnte ich als Produzent freilich alles produzieren, und vielleicht reduziert sich alles auf die Tatsache, dass es mich einfach langweilen würde. (Lacht)

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