Artechock: Salma Hayek, in Ihrem neuen Film STUDIO 54
spielen Sie eine junge Sängerin, die als Garderobenmädchen
anfängt, und langsam nach oben aufsteigt. Was ist diese
Anita für ein Typ. Sie ist sehr ehrgeizig, nicht wahr?
Hayek: Ja, sehr sehr ehrgeizig. Sie will eine Sängerin
werden, und hofft, daß sie eines Tages im "Studio 54" entdeckt
wird. Dafür tut sie sehr viel. Sie ist ununterbrochen darauf
aus, einen zu finden, der sie entdeckt. Und sie hat diesen
Ehemann, den sie liebt. Aber das hindert sie nicht, mit anderen
Männern herumzuziehen. Das ist ihre Philosophie. Sie kommt
ja schließlich immer wieder zu ihm zurück. Er stimmt
dem zunächst zu, aber als sie verheiratet sind, erträgt
er das nicht. Darum gibt es einen Konflikt zwischen ihnen. Aber
das Wichtigste für sie bleibt der Wunsch, Sängerin
zu werden.
Können Sie sich mit dieser jungen
Frau identifizieren. Wie war das bei Ihnen am Anfang Ihrer Karriere?
Waren Sie da ähnlich ehrgeizig?
Nein,
nein. Ich denke, wir sind sehr verschieden. Anita ist einerseits
ehrgeiziger, andererseits weniger ehrgeizig als ich es war. Ich
will eine sehr gute Karriere als Schauspielerin machen. Aber
ich will mich selbst auf diesem Weg nicht verlieren. Ich will
ganz ich selber bleiben. Denn es bringt nichts, an die Spitze
zu kommen, wenn man sich selbst am Ziel nicht mehr kennt. Verstehen
Sie, was ich meine? Anita ist viel naiver, als ich es war.
Sie ist so enthusiastisch. Sie glaubt, sie weiß, was sie
tut, aber sie weiß es nicht. Sie ist im Grunde ein viel
größeres Kind.
Aber sie ist ja auch
erst am Anfang ihrer Karriere. Sie dagegen haben es schon geschafft,
sie können viel gelassener sein.
Oh,
ich sprach eben auch von mir in meiner Anfangszeit im Filmbusiness.
Als ich in Hollywood angefangen habe, bin ich niemals auf
Partys gegangen. Glauben Sie mir, ich wurde auf unheimlich viele
Partys eingeladen. Ich war nie so dumm zu glauben, ich würde
eine Rolle bekommen, weil ich auf einer Party auftauche. Ich
bin nur zu den Vorführungen gegangen, aber ich habe mich
immer von der Party-Seite des Filmgeschäfts ferngehalten.
Im Gegensatz zu Anita.
Wie waren ihre Anfangsjahre?
War der Aufstieg zur Spitze sehr schwer, oder hatten Sie von
Anfang an Erfolg? Als Sie in die USA kamen, hatten sie bereits
in Mexiko ein paar TV-Rollen gespielt.
Ja,
aber das nutzte mir wenig. Dort hatte ich zuerst in Kindersendungen
gespielt; später dann in einer unwichtigeren Soap-Opera,
schließlich irgendwann in einer richtig großen Soap.
Da war ich dann sehr glücklich, weil ich mich so erfolgreich
gefühlt habe. In den USA fing ich wieder ganz unten
an, zuerst mit richtigen Statistenrollen. In den Credits kam
ich selbstverständlich nicht vor. Und dann habe ich gearbeitet,
und meinen Weg gemacht. Bei diesen ganz kleinen Auftritten hatte
ich vielleicht einen Satz zu sagen. Und irgendjemand sah mich,
und fand, daß ich diese Kleinigkeit ganz gut gemacht hätte.
Und dann gaben Sie mir etwas, das ein bißchen größer
war. Und das machte ich auch gut. Und dann noch etwas Größeres.
Ein kleiner Schritt nach dem anderen. Und irgendwann hatte ich
etwas erreicht. Das dauerte alles sehr lange. Bei Anita ist
das ganz anders. Sie bekommt einen großen Auftritt im Studio
54, und dann hat sie es geschafft. Schon ist sie auf einem Plattencover.
Ich finde das ziemlich unterschiedlich zu meinem Weg.
Schon
in den vergangenen Jahren haben Sie sich Ihre Regisseure gut
ausgesucht. Sie haben mit Roberto Rodriguez und mit Quentin Tarantino
zusammengearbeitet, die Ihnen gute Auftritte ermöglichten.
Können Sie jetzt selber auch Einfluß auf die Rollen
nehmen, oder sich Regisseure aussuchen, mit denen sie zusammenarbeiten?
Tarantino und Rodriguez habe ich nicht
wirklich selbst ausgesucht. Ich habe einfach nur Glück gehabt:
Sie haben mich ausgewählt. Es wäre toll, wenn ich sagen
könnte, es wäre umgekehrt gewesen. Gut, ich hätte
deren Angebote auch ablehnen können. Zur Zeit, als Tarantino
mir eine kleinere Rolle in FROM DUSK TILL DAWN angeboten hatte,
gab es ein anderes Angebot, sogar für eine Hauptrolle. Ich
danke Gott, daß ich mich damals für Tarantino entschieden
habe. Im Übrigen mag ich es, die verschiedensten Projekte
zu machen. Ich mag Independent-Filme sehr gerne, aber ich mag
auch manchmal Mainstream-Filme.
Hatten Sie am
Anfang ihrer Karriere bestimmte Vorbilder? Welcher Schauspielerin
möchten Sie ähnlich sein ?
Oh ja,
ich hatte sogar sehr viele Vorbilder. Besonders Elizabeth Taylor.
Aber auch Meryll Streep, Jessica Lange und Susan Sarandon. Die
spielen alle großartig. Aber sie haben auch eine jeweils
sehr eigene Note. Ähneln tue ich selbst vielleicht am
ehesten ein bißchen Sophia Loren. Denn sie kam auch aus
dem Ausland, und hatte einen Akzent. Da gibt es Paralellen, weil
Sophia Loren auch ähnlich besetzt wurde, wie ich, eben als
Nicht-Amerikanerin. Es ist schwierig zu sagen, wem ich wirklich
am meisten ähnle. Aber wenn irgendeine, dann Sophia Loren.
Sie
sind eine der wenigen erfolgreichen lateinamerikanischen Schauspieler
in Hollywood. Was sind die speziellen Schwierigkeiten für
jemanden aus Amerika ?
Ja, es gibt eine ganze
Menge Schwierigkeiten. Das wichtigste ist natürlich, daß
in Hollywood jeder, der aus Mexiko kommt, in ganz speziellen
Rollen besetzt wird. Das Spektrum ist sehr eingeschränkt.
Die Leute, die das Casting verantworten, sind nicht sehr offen.
Sie haben von Anfang an ganz bestimmte Erwartungen an Lateinamerikaner
und an die Rollen, die man mit ihnen besetzt. Aber mir ist
es gelungen, solche Erwartungen zu widerlegen, und Einschränkungen
zu überwinden. Das hat einige sehr verwirrt. Sie verstehen
einfach nicht, was ich tue. Aber ich denke, daß ich das
mittlerweile sehr gut mache. Ich verstehe mein Geschäft. Wirklichen
Rassismus gibt es aber nicht. Ich denke, letztlich sehen Amerikaner
niemanden als "weiß", "braun", "rot", oder "schwarz" an.
Sie sehen alle "grün"; also in der Farbe der Dollars. Am
Anfang sehen sie vielleicht, welche Hautfarbe man hat. Aber ich
habe inzwischen einigen Erfolg. In Hollywood müssen sie
versuchen zu verstehen, wer ich bin, und wie sie meine Qualitäten
ausbeuten können.
Welche Rolle spielt dabei
Ihr spanischer Akzent?
Mein Akzent war ein
sehr großes Problem. Anfangs erhielt ich deswegen immer
nur die Rolle der Exotischen, südländischen Frau, aber
das ist jetzt vorbei. Jetzt stehe ich am Anfang neuer Chancen:
Ich habe die Möglichkeit, auch Rollen zu bekommen, die nicht
speziell auf eine Mexikanerin zugeschnitten sind. Jetzt heißt
es plötzlich, mein Akzent sei ein "unwesentliches Detail".
"Unwesentlich" – stellen Sie sich das vor ! Dieses "unwesentliche
Detail" hat mich jahrelang behindert.
Und trotzdem
arbeiten sie jetzt gerade wieder an einem Projekt, in dem sie
als Mexikanerin auftreten. Sie werden Frida Kahlo spielen, die
Künstlerikone Ihres Heimatlandes.
Das
ist ein sehr interessantes Projekt. Ich bin daran mit meiner
eigenen Produktionsfirma beteiligt. Im nächsten Sommer werden
wir drehen.
War das Ihre eigene Idee?
Um ehrlich zu sein: Da sind mehrere Leute gleichzeitig
darauf gekommen. Ich habe schon lange darauf gehofft, einmal
Frida Kahlo zu spielen. Diese Figur ist ein Traum für
jede Schauspielerin: Eine starke Frau, eine kontroverse Person,
einzigartig und zugleich sehr verwundbar. Dieser Charakter hat
so viele Dimensionen. Das sind meine Gründe als Schauspielerin.
Als Frau könnte ich Ihnen noch 1000 Gründe mehr geben.
Für mich repräsentiert sie Mexiko: Ihr Körper
ist zerstört, aber ihr Geist ist unzerstörbar. Genau
das geschieht auch meinem Land. Ich möchte einmal in der
Lage sein, und der Welt sagen: Da ist ein Mexiko, das ihr nicht
kennt! Da ist ein intellektuelles Mexiko, ein gebildetes Mexiko,
ein Mexiko, das einst zur Welt sprach durch seine Künstler.
Und man konnte die soziale, politische und ökonomische Realität
des Landes in der Kunst wiedererkennen. Damals, in der Mitte
des Jahrhunderts, war Mexiko Zufluchtsort für viele politische
Flüchtlinge aus der ganzen Welt, aus Rußland und Deutschland.
Viele Leute kennen dieses Mexiko gar nicht, die kennen nur
Burritos und Tequila. Ich habe das Bedürfnis, auch das andere
Mexiko zu zeigen.
Obwohl sie in den USA arbeiten,
in Los Angeles leben, fühlen sie sich in jeder Hinsicht
als Mexikanerin ?
Ja, zu hundert Prozent. Ich
habe nur eine Staatsangehörigkeit. Auch wenn ich in Los
Angeles arbeite, habe ich Mexiko nie verlassen, ich habe es mitgenommen.
Es ist immer in meinem Inneren. Und ich kehre so oft ich kann,
nach Hause zurück. Mindestens einmal im Jahr drehe ich ein
Projekt in Mexiko, um den dortigen Film zu unterstützen.
In diesem Jahr habe ich bei dem Regisseur Arturo Ripstein gespielt,
der eine Novelle von Gabriel Garcia Marquez verfilmt hat. Ein
absolut phantastischer Film. Ich unterstütze auch ein
Projekt, bei dem es darum geht, mehr spanische Filme zu drehen,
und in den Kinos zu zeigen. Aus diesen Gründen denke ich
nicht, daß ich Mexiko überhaupt verlassen habe.
Das Intreview fühtre Rüdiger
Suchsland
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