KINO MÜNCHEN FILM AKTUELL ARCHIV FORUM LINKS SITEMAP
08.03.2007
 
 
     

"Ein Märchen verkauft sich gut"

 

  Erbeutet: Oscar für
DAS LEBEN DER ANDEREN
 
 
 
 
 

Hinter den Kulissen: Der deutsche Oscar-Gewinner macht sich in der Filmbranche nicht nur Freunde

Vor einer Woche gewann Florian Henckel von Donnersmarck den dritten Oscar der Filmgeschichte für einen deutschen Film, doch nach der ersten Freude mischen sich zunehmend auch kleinere Misstöne in die Nachricht über den Preis.

Dass es schon länger hinter den Kulissen Ärger gab, war vor der Verleihung der "Academy Awards" eher untergegangen. In der deutschen Filmbranche ist es allerdings schon seit über einem Jahr ein offenes Geheimnis, dass sich der selbstbewusste Regisseur während der Dreharbeiten kräftig mit seiner Hauptdarstellerin Martina Gedeck gestritten hatte. Gedeck, immerhin eine der bekanntesten deutschen Darstellerinnen, war offenbar nicht sehr erbaut darüber, dass sich ihr Regisseur so gar keine Rücksicht auf ihre Ansichten bezüglich ihrer Rolle in DAS LEBEN DER ANDEREN genommen hatte. Weil Henckel von Donnermarck sich über alle Bedenken der Hauptdarstellern diskussionslos hinweggesetzt hatte, machte Gedeck ihre Ansichten eben zum Filmstart von einem Jahr öffentlich: "Im deutschen Film sollen Frauen möglichst brav sein und kleine Mädchen. Die Reduktion auf Hure oder Heilige ist doch langweilig!" erklärte sie damals im Berliner "Tagesspiegel", und verwies auf "dieses Moralinsaure", darauf, dass der von ihr gespielten Frau etwas passieren muss, "damit die Katharsis des Mannes in Gang kommt und er sich verwandelt, ewig leidet und Reue empfindet. … Ich habe in den Vorbesprechungen gesagt: Vorsicht mit der Opferrolle." Auch von den inszenatorischen Fähigkeiten von Donnersmarcks ist Gedeck offenkundig weniger überzeugt, als der Regisseur selbst: "Zunächst mal ist er Anfänger", betonte sie und beschrieb ihn erkennbar distanziert: "Er ist sehr ehrgeizig, bedenkt alles und scheint Schauspieler zu bewundern. Und er ist stur."

+++

Die Rache des Regisseurs ereilte Gedeck im Vorfeld zur diesjährigen Oscar-Verleihung. Da lud von Donnersmarck seine Hauptdarstellerin quasi öffentlich aus, und gab die ihm zustehenden Sitzplätze neben Ulrich Mühe lieber Sebastian Koch und seiner Ehefrau. Auch die Produzenten des Films, Max Wiedemann und Quirin Berg, mussten sich ihre Einladung selbst kaufen - und auch zu ihnen hat sich das Verhältnis merklich abgekühlt. Während Gedeck nur lässig kommentierte "Herr Donnersmarck setzt Prioritäten, würde ich sagen", wurde Donnersmarcks Einladepolitik von neutralen Beobachtern als kleinlich und unsouverän kritisiert. Immerhin entsteht kein Film als One-Man-Show, und der damalige Filmhochschüler hatte das Geld für sein Debüt nach mehrjähriger Arbeit am Drehbuch erst überhaupt zustandebekommen, als er mit der Zusage seiner hochkarätigen Darsteller wuchern konnte. Gewiß hat Gedecks Name dann auch einiges zum Kassenerfolg des Films beigetragen. Und gerade in Amerika ist die Schauspielerin spätestens seit dem dortigen Überraschungserfolg ihrer Rolle als BELLA MARTHA eine Bank, die auch beim Oscarmarketing geholfen hat. Erst gerade hatte sie als einzige Deutsche in dem Robert-DeNiro-Film DER GUTE HIRTE mitgespielt - auch ein Indiz für die Bekanntheit und Anerkennung der Darstellerin in den USA. Doch von Donnersmarck ist eindeutig kein Teamplayer, und wer den Oscar gewinnt, hat recht, könnte man rückblickend zwar sagen - aber ist es wirklich angemessen diesen Galaauftritt des deutschen Films nach Gutherrenart wie eine Privatveranstaltung zu verwalten?
Martina Gedeck konterte wiederum vor wenigen Wochen im "Stern" auf die Enttäuschung: DAS LEBEN DER ANDEREN habe gute Oscar-Chancen meinte sie da maliziös, denn "ein Märchen verkauft sich gut." Der Film habe schließlich eine "amerikanische, auslandskompatible Dramaturgie … all diese wunderbaren Black-and-White-Ingredienzien, die die Amerikaner so lieben". Ein Schelm, wer Schlechtes dabei denkt…

+++

Auch sonst hat der neue Oscarträger in der deutschen Filmbranche nicht nur Freunde. Schon vor der Auszeichnung mokierten sich viele hinter vorgehaltener Hand über seine öffentlichen Auftritte, überlange Reden und von Donnersmarcks auftrumpfendes Selbstbewusstsein, dass von vielen als reine Arroganz empfunden wird. So oder so ist von Donnersmarck jedenfalls ein Preisträger, der stilistisch deutlich andere Akzente setzt, als etwa Volker Schlöndorff, der als erster Deutscher den Preis gewann, und in seiner Rede an deutsche Film-Emigranten wie Fritz Lang erinnerte, die nach 1933 in Hollywood Zuflucht gefunden hatten. Von Donnersmarck bedankte sich stattdessen beim mächtigen Sony-Vertrieb, die für die effektive Marketingkampagne der letzten Wochen verantwortlich waren - und bei Arnold Schwarzenegger. Auffallend nicht bedankte er sich bei seinen beiden Produzenten im Saal.

+++

Kritische Stimmen gab es seit Filmstart auch zum Film - und durchaus auch unter bekannten deutschen Filmemachern. Sie zielen auf die Kolportageelemente des Stoffes und Geschichtsklitterungen - denn einen Stasi-Major, der wie im Film unter der Hand die Seiten wechselte, und zum "guten Menschen" wurde, hat es tatsächlich nämlich nie gegeben. Öffentlich allerdings will niemand entsprechend zitiert werden, und spätestens seit dem Oscargewinn vergangene Woche klänge das wie Neid auf den erfolgreichen Kollegen.
Andere Vorwürfe wiegen dagegen schwerer: Besonders übel nahmen viele dem Regisseur die Skandalisierung der möglichen Vergangenheit als Stasi-IM von Jenny Gröllmann, der früheren Ehefrau des Hauptdarstellers Ulrich Mühe als Bestandteil des Marketings zum Filmstart. Im Begleitbuch zum Film hatte der Schauspieler erklärt, Gröllmann habe "bei der Staatssicherheit als IM gearbeitet", und umfangreich seine Not und Erschütterung beschrieben - der Darsteller des Stasi-Spitzels stellte im Interview also offensiv seine persönliche Kränkung und seinen Status als Opfer heraus, wie er erklärte, auch aus Furcht, seine Verbindung zu seiner ehemaligen Frau würde seinem Ruf und seiner Karriere schaden. Jenny Gröllmann allerdings widersprach, warf Mühe Rufschädigung und erklärte, sie habe nie bewusst als Stasi-IM gearbeitet, sondern sei selber benutzt worden. Außerdem erwirkte sie in einer einstweilige Verfügung gegen Mühe, dass seine Behauptungen im Begleitbuch zum Film zu schwärzen sind. Einen unangenehmen Beigeschmack bekam die ganze Affaire noch dadurch, dass Gröllmann bereits zum Zeitpunkt der Veröffentlichung lebensbedrohlich an Krebs erkrankt war, und inzwischen verstorben ist.

+++

In Erinnerung ist auch eine Folge der Talkshow "3 nach 9", in der der Regisseur zusammen mit Volksbühnendarsteller Henry Hübchen (ALLES AUF ZUCKER!) auftrat. Der hatte sich erlaubt, öffentlich über das Stasi-Melo zu äußern, es würde die Stasi romantisieren - worauf ihm von Donnersmarck in einem längeren Monolog kurzerhand das Recht absprach, sich zum Thema zu äußern. Hübchen habe in jener Zeit wohl eher "auf dem Surfbrett gestanden." Auch später fehlte alle Einsicht, Donnersmack meinte auf seiner Website nur: "Sicher, ich hätte sanfter sein können mit Henry Hübchen."
Schließlich sind da noch die Filmkritiker. Auch im Umgang mit ihnen zeigte sich Henckel von Donnersmarck trotz allem Erfolg noch bis in die letzten Wochen auffallend dünnhäutig - jedenfalls, wenn sie den Film nicht ganz so toll finden, wie er selbst. Dem amerikanischen Kritiker Scott Foundas, der in "L.A. Weekly" geschrieben hatte, der Film blicke "mit den taufeuchten Augen der Nostalgie" auf die DDR zurück, warf er Dummheit vor, dem Reporter Michael Guilén antwortete er schriftlich, er habe seinen Film wohl nur schlecht besprochen, um sich von Kollegen abzusetzen und "originell zu sein". Einer der wenigen negativen deutschen Stimmen unterstellte er gar, er habe wohl den Film nicht vollständig gesehen, sonst hätte er ihn sicher "besser verstanden."

+++

Jedes solcher kleinen Details mag für sich genommen nur eine Anekdote sein. Lässt man sie in der Gesamtschau Revue passieren, wird das Bild eines Regisseurs erkennbar, der mit seinem ersten Film sehr viel Glück und gewiss auch ein cleveres Gespür hatte. Aber eben auch das eines Debütanten, der gerade mal den Abschluss an der Filmhochschule hinter sich hat, und in dem ganzen Rummel um sich und seinen Film manchmal den Takt und das richtige Maß vermissen lässt. Denn Souveränität hat auch etwas mit Distanz zu tun, und erst mit der Kritikfähigkeit kommt auch die Glaubwürdigkeit.

Rüdiger Suchsland

  top
   
 
 
[KINO MÜNCHEN] [FILM AKTUELL] [ARCHIV] [FORUM] [LINKS] [SITEMAP] [HOME]