Heute beginnt UNDERDOX - ein Festival für Dokument
und Experiment. Es ist ein neues Filmfestival in München,
das artechock-Redakteurin Dunja Bialas und Werkstattkino-Betreiber
Bernd Brehmer zusammen gegründet haben. Sie wollen neue
und andere Wege einschlagen, und Filme zeigen, die man sonst
garantiert nicht zu sehen bekommt, weder im Kinoalltag noch
auf den etablierten Festivals in München. Dunja Bialas
über die Erwartungen an das eigene Festival und mit Hinweisen
auf einige Filme.
Eines ist uns besonders wichtig: Wieder in Erinnerung zu
rufen, das Kino eine Ausdrucksform der zeitgenössischen
Kunst ist. Unser Programm richtet sich an ein Publikum, das
in München zu finden unter Umständen gar nicht so
einfach sein kann: die Film- und die Kunstinteressierten.
Also all jene, die Film leidenschaftlich lieben, die abseits
von Kinostarts Neues entdecken wollen, und die Kunstleute,
Kunstmacher und Ausstellungsgeher, die selbst oft einen großen
Bogen ums Kino machen, wenn sie hören, dass dort Kunst
geboten wird. Man darf also gespannt sein, wie sich das Publikum
letztendlich zusammensetzen wird.
Die Überschneidungen zwischen Kino und Kunstraum aber
haben selbst schon die Regisseure unseres Programms vorgenommen.
Sie sind zum Teil in Kunstgalerien mit ihren Foto- und Videoarbeiten
vertreten, oder sind bekannt in der internationalen Experimentalfilmszene,
sind Kinokünstler.
Vor allem aber, jenseits dieser Filme mit deutlichem Kunstanspruch,
ist UNDERDOX ein Festival für den außergewöhnlichen
Dokumentarfilm. Wir zeigen Dokumentationen, die erzählen,
herausfordern, bisweilen verwirren, oder einfach nur genussvoll
sind. TAIMAGURA GRANDMA des Japaners Yoshihiko Sumikawa ist
so ein genussvoller Film.
Wir zeigen auch Fake-Documentaries, die das Herstellen von
Wirklichkeit als echte Täuschung meistern, und die erweitern,
was Dokumentarfilm sein kann. Zwei unechte Dokumentationen
haben wir in unserem Programm, auf die wir hier besonders
hinweisen möchten: Der Eröffnungsfilm INTERKOMSOS
des Amerikaners Jim Finn lässt ostdeutsche Weltraumträume
wahr werden, und die britische Skandalkünstlerin Tracey
Emin inszeniert in TOP SPOT Interviews, die ihre eigene katastrophale
Jugend erzählen.
Wir zeigen auch einen Spielfilm, der dokumentarisch erzählt
und dadurch zu einer der radikalsten Position im zeitgenössischen
Kino findet, der Dauer. EVOLUTION OF A FILIPINO FAMILY des
Philippiners Lav Diaz erzählt in nicht weniger als zehn
Stunden die Chronik der Familie Gallardo unter dem diktatorischen
Marcos-Regime. Eine Herausforderung an unser Publikum, der
wir mit Kaffee, Kuchen und heißer Suppe begegnen. Wir
wissen aus eigener Erfahrung, dass man beim Sehen eines Films,
der einen ganzen Tag dauert, gefährlich an die Grenze
des physisch zumutbaren geht. Bei uns kann jeder den Film
verlassen und später wiederkommen. Aber wir wissen auch,
dass man diesen Film nie vergessen, dass sich die Bilder im
Gedächtnis niederlegen werden, gegen die Flüchtigkeit
des kinematographischen Mediums. EVOLUTION OF A FILIPINO FAMILY
ist so in zweierlei Hinsicht ein großartiger Meilenstein
im Gedächtnis, des philippinischen Volkes und in jedem,
der ihn gesehen hat.
Diese Filme, auch wenn sie in München bislang durch
die Festivalraster gefallen sind, sind allesamt Filme, die
wir auf bedeutenden internationalen Festivals in Europa unter
der Vielzahl der Filmproduktionen entdeckt haben, die teilweise
Preise bekommen haben.
Im Vorprogramm zu den Hauptfilmen präsentieren wir zudem
Video-Arbeiten aus der Münchner Kunstszene und wollen
damit auch Forum für ortsansässige Nachwuchskünstler
sein. Dieses Jahr mit dabei sind Arbeiten der Installationskünstlerin
Alexandra Ranner, der Fotografin Cora Piantoni, und der Videokünstler
Shirin Damerji, Andrea Faciu und Oliver Pietsch. Passend dazu
präsentieren wir den Film KÜNSTLERINNEN, ein Ensemble-Porträt
23 Münchner Künstler(innen) von Ulrich Mannes (den
man als Herausgeber des Sigi-Götz-Entertainment kennt)
und Wolfgang Leitner als work in progress.
Viel Vergnügen bei UNDERDOX!
Dunja Bialas
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