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06.03.2006
 
 
     
Feier des Engagements
 
Überraschungssieger?
Paul Haggis L.A. CRASH
 
 
 
 
 

Die Oscarnacht belegt: Der Autorenfilm kehrt zurück, Hollywood wird politisch - zumindest auf Zeit.

An die vergangene Oscarnacht wird man sich lange erinnern. Denn gleich mehrfach verstand es die sonst allzu oft arg Mainstream-lastige und konventionelle amerikanische Filmakademie in diesem Jahr die Filmszene zu überraschen. Schon die Nominierungen waren unerwartet: Einige Blockbuster gingen völlig leer aus (STAR WARS: EPISODE III), andere, von denen man fürchtete, sie würden die diesjährige Veranstaltung dominieren, wie Peter Jacksons KING KONG-Remake oder Spielbergs WAR OF THE WORLDS wurden für die Macher enttäuschend nur in technischen Nebenkategorien nominiert - einmal mehr zeigte sich Hollywood hier auch als gnadenloser Apparat, der bei Filmen, denen es allein ums Kasse-machen geht, auch nur kommerziellen Erfolg mit Nominierungen belohnt.

So bringt die Krise der Massenware - die Budgets geraten außer Kontrolle, die Konsumgewohnheiten ändern sich -, die derzeit überall zu erkennen ist, künstlerischem und unabhängigem Kino überraschende Chancen. In der Krise, die mit künstlerischer Einfallslosigkeit ebensoviel zu tun hat wie damit, dass der "amerikanische Traum", den Hollywood seit jeher mit missionarischem Eifer propagiert, unter dem Regime von George W. Bush allen Glanz eingebüßt hat, besinnt sich Hollywood auf seine Ursprünge: Fast möchte man bei Blick auf die diesjährigen Nominierten von einer Rückkehr des Autorenfilms sprechen. Bis auf Spielberg - und der bekam für MUNICH nichts - sind sie alle unabhängige Köpfe, deren Filme für vergleichsweise wenig Geld gegen die großen Studios oder an ihnen vorbei produziert wurden. Alles sind politisch bedeutende Filme, die ernsthafte Fragen an die politischen Verhältnisse in den USA, aber auch an den Weltentwurf des Westens insgesamt stellen. Keiner dieser Filme ist dabei plumper Agitprop. Vielmehr bringen sie ihre Botschaften indirekt ans Publikum, und opfern ihnen nicht Stilbewußtsein und cineastische Haltung.

Dafür steht auch der überfällige Ehrenoscar an Robert Altmann, den linksliberalen Außenseiter des US-Kinos. Wunderbar, seine Lebensbilanz am Oscarabend: "Für mich ist Filme machen so, wie alle seine Freunde an den Strand einzuladen, um gemeinsam eine Sandburg zu bauen. Und sie bauen und bauen, und man selber lehnt sich zurück, und man sieht die Welle kommen, die die Sandburg mit nimmt. Nichts bleibt übrig. Aber sie bleibt im Kopf - ich liebe das. Ich liebe Filme machen."

Bemerkenswert ist auch, dass die konventionelleren unter den Nominierten, vergleichsweise wenig Preise bekamen, dass die Academy in diesem Jahr klare Aussagen gegenüber wohlfeilen kleinen Fluchten bevorzugte. Dies zeigt vor allem das angesichts der Vorschlußlorbeeren enttäuschende Ergebnis für BROKEBACK MOUNTAIN und WALK THE LINE (RAY - with white people, wie der Moderator spottete). Überraschende Sieger sind Paul Haggis komplexes Sozialdrama CRASH, das in Deutschland leider unter Wert gelaufen ist, und der Politthriller SYRIANA - beiden Filmen hatte man nur Außenseiterchancen gegeben.

Man darf also konstatieren: Hollywood wird wieder politisch, gesellschaftskritisch, fordert sein Publikum mehr als zuletzt. Auch filmhistorische Reminiszenzen während der Verleihung feierten durchweg das engagierte Kino: Filme wie NETWORK und TO KILL A MOCKINGBIRD, die "gute Amerikaner", wie sie Henry Fonda, Spencer Tracy, James Stewart oft verkörperten. Das ist ein gutes Zeichen. Ob diese Tendenz von Dauer ist, muss sich allerdings erst zeigen. Schon gibt es Gegenwind: Konservative unken, Hollywood entferne sich von den normalen Menschen - worauf Clooney erwiderte: "We are a bit out of touch in Hollywood", und an die Schwarzenverfolgung der 50er, 60er Jahre erinnerte. Noch ist unklar, ob der schwere Tanker Hollywood seinen Kurs ändert, stärker auf Vielfalt, auf kleinere, billigere, riskantere Filme setzt, an denen dann auch nicht gleich die Existenz eines ganzen Studios hängt, oder ob 2006 nur die Independents einmalig von der Schwäche der Großen profitierten. Die Entscheidung hierzu fällt an der Kinokasse, auch der deutschen.

Rüdiger Suchsland

 

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Die wichtigsten Preise in der Übersicht:

Bester Film
Paul Haggis und Cathy Schulman für "L.A. Crash"

Beste männliche Hauptrolle
Philip Seymour Hoffman in "Capote"

Beste weibliche Hauptrolle
Reese Witherspoon für "Walk the Line"

Bester männlicher Nebendarsteller
George Clooney für "Syriana"

Beste weibliche Nebendarstellerin
Rachel Weisz für "Der ewige Gärtner"

Beste Regie
Ang Lee für "Brokeback Mountain"

Bester ausländischer Film
Tsotsi - Gavin Hood (Südafrika)

Original-Drehbuch
Paul Haggis und Robert Moresco für "L.A. Crash"

Kamera
Dion Beebe für "Die Geisha"

Schnitt
Hughes Winborne für "L.A. Crash"

Ausstattung
John Myhre und Gretchen Rau für "Die Geisha"

Kostümdesign
Colleen Atwood für "Die Geisha"

Ton
Christopher Boyes, Michael Semanick, Michael Hedges und Hammond Peek für "King Kong"

Ton-Effekte
Mike Hopkins und Ethan Van der Ryn für "King Kong"

Make-Up
Howard Burger und Tami Lane für "Die Chroniken von Narnia: Der König von Narnia"

Spezial-Effekte
Joe Letteri, Christian Rivers, Brian Van’t Hul und Richard Taylor für "King Kong"

Filmmusik
Gustavo Santaolalla für "Brokeback Mountain"

Original-Song
"It’s Hard Out There For A Pimp" von Jordan Houston und Cedric
Coleman aus "Hustle & Flow"

Kurzfilm
Martin McDonagh für "Six Shooter"

Animationsfilm
Steve Box und Nick Park für "Wallace & Gromit auf der Jagd nach dem Riesenkaninchen"

Animations-Kurzfilm
John Canemaker und Peggy Stern für "The Moon and the Sun"

Dokumentarfilm
Luc Jacquet für "Die Reise der Pinguine"

Kurz-Dokumentarfilm
Corinne Marrinan und Eric Simonson für "A Note Of Triumph: The Golden Age of Norman Corwin"

Ehren-Oscar für das Lebenswerk
Robert Altman


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