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24.10.2002
 
 
       

"Ein guter Jahrgang"
Zum Abschluss des 45. Internationalen Leipziger Festivals für Dokumentar- und Animationsfilm

 
  Hirtenreise ins dritte Jahrtausend
von Erich Langjahr
   
       
 
 
 
 

"Jeder, der diesen Jahrgang verpasst hat, hat ein Stück Filmgeschichte versäumt", resümiert Festivaldirektor Fred Gehler. Die Leipziger ließen sich die gebotenen Highlights jedenfalls nicht entgehen: Mit 20.500 Besuchern gab es in diesem Jahr einen neuen Rekord.

Einen großen Anteil daran hat die jüngere Rubrik Animationsfilm mit 4.500 Fans. Die Goldene Taube für dieses phantastische Genre flatterte Chris Hinton für seinen Film FLUX ins Haus, ein "spleeniges Stück über Liebe, Entropie und den unerbittlichen Lauf der Zeit."

Eine Bestandsaufnahme vom Stand der Dinge bot der Wettbewerb im Dokumentarfilmsektor. Sowohl der derzeitige Trend zur filmischen Aufarbeitung persönlicher Schicksale, als auch die zunehmende Bedeutung genreüberschreitender Erzählformen waren zu besichtigen. Dazu zählt der schwedische Beitrag BOOGIE WOOGIE DADDY, eine Art zum Leben erwachte Photocollage. Mit couragierter Zärtlichkeit deckt Filmemacher Erik Bäfving das tragische Schicksal seines Vaters auf. Zur Belohnung gab's die Goldene Taube für den besten Dokumentarfilm unter 45 min. Die Silberne Taube in dieser Kategorie ging an einen Beitrag, der formal das genaue Gegenteil versucht: PORTRÄT von Sergej Loznika wagt sich mit seinen fast unbewegten Bildern von Menschen aus der russischen Provinz an die Grenze zur Fotografie.

Ebenfalls im Wettbewerb EXIL IN SEDAN, ein Film des Deutschfranzosen Michaël Gaumnitz. Gaumnitz spürt dem schrecklichen Kriegsgeheimnis seines Vaters nach, das noch immer wie ein dunkler Schatten über der Familie liegt. Unfilmbares aus seinem Leben setzt er in suggestive computeranimierte Sequenzen um. Für diesen kreativen Genremix gab es gleich zwei Preise, den der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di) und den der Fédération Internationale de la Presse Cinématographique (FICC).

Trotz vieler Beispiele für aktuelle Strömungen war es dann aber ein ganz klassischer Dokumentarfilm, der die wichtigste Auszeichnung, die Goldene Taube in der Kategorie Langmetrage, mit nach Hause nahm. Erich Langjahr, Urgestein des Schweizer Dokumentarfilms, hat sich mit HIRTENREISE INS DRITTE JAHRTAUSEND auf eine Spurensuche nach bester Dokumentarfilmtradition begeben.

Die Silberne Taube in dieser Kategorie nahm ein weiterer alter Bekannter entgegen: Thomas Heise legt mit VATERLAND die archäologische Bestandaufnahme eines vergessenen Dorfes in Sachsen-Anhalt vor. Ein Ort, der so wenig Zukunftsperspektiven bietet, dass die Vergangenheit gegenwärtig bleibt. Mehr von Heise zeigte eine Sonderveranstaltung des Dokumentarfilmsenders Planet. Anlässlich einer aktuellen Reihe mit Produktionen aus der Schatzkammer der DEFA präsentierte man in authentischer Mitropakulisse mit LEIPZIG IM HERBST und IMBISS SPEZIAL, rare Momentaufnahmen aus der Wendezeit.

Obwohl mit der Retrospektive "Frauen-Film-Frauen" eine längst überfällige Hommage an die großen Filmfrauen dieses Jahrhunderts geboten wurde, gingen die wichtigsten Tauben allesamt an Männer. Das wird mit Sicherheit nicht so bleiben. In der beliebten Nacht des jungen Films am Freitag stammten die pfiffigsten Beiträge von jungen Filmemacherinnen wie Neelesha Barthel mit FIFTY FIFTY oder Sonja Heiss und Vanessa van Houten mit KARMA COWBOY. Letztere gewannen für ihr fiktives Dok-Roadmovie bereits beim Bayerischen Dokumentarfilmpreis vor einem halben Jahr einen "Jungen Löwen". Damit nicht genug: Auch die drei übrigen Exemplare dieses renommierten Nachwuchspreises gingen an Frauen.

Nani Fux

Texte zu einzelnen Filmen

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