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09.05.2002
 
 
       

Der prototypische Individualist
Eine Danksagung an Gerhard Polt, Humorist, am 7.5.2002 60 Jahre alt geworden

 
 
Gerhard Polt und Damen in GERMANICUS (Start am 22.08.2002)
   
 
 
 
 

"Meine lieben Kurgäste, wir ham ja heut noch viel vor, die Musi spielt, und wir ham, glaub ich, nachher noch eine Tombola." Es gilt heute einen "Könner, also schon eine Spitzenkraft," zu rühmen, die so manche "unantastbare Dimension" angegriffelt hat, den Redner, Philosphen und Mitbegründer der "Gesellschaft zur Erforschung von Angelegenheiten" Gerhard Polt, geboren am 7. Mai 1942.
Hüsch glaubte an die Liebe, Wecker lebte immer am Strand, BAP spielte gegen Kernkraftwerke, und diese blieben trotzdem stehen. Wie hart die Zeiten um 1980 waren, wird daran ersichtlich, dass der vielleicht einzig nenneswerte kulturelle Vorstoß vom Bayerischen Rundfunk ausging. nämlich die Serie "Fast wia im richigen Leben". Zu dieser Zeit war Gerhard Polt schon ausgelernt, doch der Schritt vom Skadinanivisten zum Humoristen wohl unweigerlich. Denn "wenn einer Kunstmaler im Blut, dann muß er malen, sonst werd er ja unglücklich."

"Wir kreativen Menschen haben doch die schwerste Bürde zu tragen."
"Wie wahr, äh, noch'n Campari?"

Die Serie wurde von Gerhard Polt und seinem Spezi, dem Regisseur Hanns-Christian Müller, gemeinsam gestaltet. Hauptdarsteller war stets Polt, ihm zur Seite stand die glorreiche Gisela Schneeberger, eine Reinkarnation Liesl Karlstadts. Später traten die beiden in Dieter Hildebrandts "Scheibenwischer" zum Rhein-Main-Donau-Kanal auf und beschuldigten bei voller Namensnennung die gesamte bayerische Polit-Prominenz der Korruption. "Des werd dann halt nachträglich alles juristisch begradigt." Die CSU bedankte sich durch Protest, und der BR - "Hochinteressant vom geschichtlichen Standpunkt her." - drohte mit Abschaltung der bayerischen Anschlüsse. So wurde Polt bundesweit erst richtig bekannt. Durch die Prominenz erwuchs kurzzeitig die Gefahr, dass aus dem Humoristen ein gemütliches Original werden könnte. "Ohne solche Leute, wäre die Alpenregion n' Stückchen ärmer." Diese Bedrohung bannte Polt durch inhaltliche Ungemütlichkeit. "Sie, bei uns im Radlkeller liegt meines Erachtens a Fehlgeburt."
Seither macht Polt unablässig seine oberbayerische Befindlichkeitsrunde. Die dabei zu Wort kommenden Gestalten, lauter prototypische Individualisten quasi, doch jeder für sich ethisch "a bissl a ambivalente Person, nicht wahr," plaudern locker aus ihrem Leben: Der Nazi von nebenan, der Häusersanierer mit Vorliebe für unbürokratische Maßnahmen oder der Beamte vom Kreisverwaltungsreferat, der die Akten ehemaliger KZ-Insassen zu bearbeiten hat: "Die Frau Weiß war dreieinhalb Jahre im KZ. Reschpekt!" All diese Leute, ob sie nun im Urlaub Menschenfleisch probieren, im Naturschutzgebiet einen Ölwechsel vornehmen oder die vietnamesische Ehefrau vorführen, sind im Grunde jovial und zutraulich. "Sag amal schön Grüß Gott, Mai Ling!". Und mancher beherzte Bürger, etwa jener, der zwei automatenknackende Buben abknallt, hat nur das große Ganze im Auge:"Ist es das Deutschland, das wir gemeinsam aufgebaut haben?"

Zeit mal Zeit ist Mahlzeit

"Also, da fragt man sich": Wo ist denn da die Grenze zum echten Polt? Schließlich muß einer selber schon viel von einer Drecksau in sich haben, um so viel Grenzwertiges an Text zu Tage zu fördern, z.B. den KZ-Country-Song "Concentration-Camp", in dem ein Amerikaner von seiner Urlaubsliebschaft jodelt: "Komm in meine arm, it will keep you always warm in and outside the wonderful concentration-camp." Und Polt hat oft gute Gründe parat, woraus die Schandtaten seiner Schauergestalten erwachsen: Tatendrang, Ordnungsliebe, "oder einfach nur so." Sympathischer dürften dem Künstler selbst allerdings seine Gemütlichkeitsphilosphen sein. "Zeit mal Zeit ist Mahlzeit." Polt - unverdrossener Langsamfahrer im Straßenverkehr, Traumberuf Bootsverleiher - hat schon 1981 dem ZDF 10 Minuten Sendezeit abgetrotzt, indem er bei einer Dankesrede für den Kleinkunstpreis so gut wie nichts sagte. "Des is doch absolut ausgewogen, oder, finden'S net?"
In Arbeits- wie Freizeit liebt der Humorist offenbar seine Heimat. Von der guten, alten Zeit und der Überfremdung durch protestantische Neobajuwaren redet er darum noch lang nicht. Lieber leidet er an der CSU-befohlenen Betonierung Bayerns - "Was man liebt, des aphaltiert man doch nicht ständig!" - und macht seine Landsleutedarauf aufmerksam, ob in den Kammerspielen oder bei den Jungbauern in Simmssee. "Des is a unglaubliche Wanderung durch die Milieus." Bewahrertum ist also auch immer dabei, wenn seine Figuren ihren Sohn Jean-Claude nennen oder den Christbaum in der Garage aufstellen. Oder, wenn die kommunalen Machtmenschen ihre Konzepte offenbaren. "Ich brauche keine Opposition, denn ich bin ja bereits Demokrat." Andrerseits ist er dem Surreal-Verwurschtelten nicht abhold. Aus dem allgemeinem kulturellen Tohuwabohu schöpft er große Vergnüglichkeit, "passen'S auf": "Guten Tach, Frau Fitzthum.", "Ja, griaß god, Frau Gschwendtner."

"Reschpekt!"

13 Folgen "Fast wia im richtigen Leben", drei Filme, dazu Stücke, Bücher, Hörspiele, CDs, Neujahrsreden, sowie improvisierte Radio-Gespräche. Ein ertragreiches Leben also, ob nun als Humorist, Skandinavist oder Surrealist. Trotzdem, 60 Jahre - da könnt man allmählich mosern: "Der hupft auch nicht mehr so hoch wie früher. I glaub, der hat des auch gar nimmer nötig." Der neue Film "Germanicus", der, wie es gerüchtelt, unter einigen Schwierigkeiten in Rom gedreht wurde, könnte womöglich die erste Großniederlage werden. Vielleicht läßt sich Polt auch, geschwächt durch Altersmilde, doch noch niederschmusen von offiziellen Fernseh- und Kultur-Hanswürsten, bis zur Harmlosigkeit kaputtloben, gar bundesverdientskreuzigen? "Nein, das ist unwahrscheinlich." Man muß sich bloß Ottfried Fischers Laufbahn anschauen, um zu erkennen, was der Polt schon alles abgelehnt hat.
"Natürlich wollen wir wissen, wie's weitergeht." aber zunächst einmal sind wir" gekommen, unser Haupt zu verneigen vor ihm und seinem Gesamtwerk", auch vor seinen Mitarbeitern Böhm, Ismeier und Rösner, vor Otto Grünmandl selig, Gisela Schneeberger und der Biermösl Blosn, vor dem Herrn Dr. Berzlmeier und natürlich unserem Heinz-Rüdiger. "Also, dann..." "Helau" bzw. "Cin Cin" alle miteinander.
"Wir sagen: Vielen Dank, Alfons Pröbstl, dem Mitbegründer der bayerischen Landesbotenkreditanstalt und sämtlicher Filialen."

Richard Oehmann

P.S.: "So, hamma des heuer auch wieder."

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