Ja, ja, freilich ist THE JUNGLE BOOK einer der
beliebtesten und erfolgreichsten Disney-Filme, und im Prinzip mag
ich ihn ja auch sehr gerne (auch wenn er lange nicht an die frühen
Meisterwerke wie PINOCCHIO und BAMBI heranreicht). Klar ist die
Animation wunderbar, sind die Songs großartig. Und sicher ist es
eine der letzten echten Höhepunkte (dabei ja auch der letzte Film,
den Walt Disney noch selbst überwacht hat), bevor das Studio in den
70ern anfing, seinen Ruf zu verspielen um ihn eigentlich erst mit
THE LITTLE MERMAID wieder voll zu erlangen. Aber all das heißt
ja nicht, dass man deswegen blind vor Ehrfurcht und Nostalgie
werden muss. Und wenn man genauer hinguckt, dann gibt es zumindest
einen Aspekt des Films, der ganz und gar unschön ist.
Vergessen wir nicht, dass THE JUNGLE BOOK im Herbst 1967 in die
amerikanischen Kinos kam. Es war eine Zeit des Umbruchs und
Aufruhrs in den USA, die Zeit von Studentenprotesten, Vietnam - und
der schwarzen Bürgerrechtsbewegung. 1964 wird gesetzlich die
Rassentrennung aufgehoben, bald darauf erhalten Afro-Amerikaner das
Wahlrecht, 1967 kippt der Oberste Gerichtshof die Gesetze gegen
Mischehen. (Ja, das ist alles noch keine 40 Jahre her...) Es ist
die Zeit von Malcolm X und Martin Luther King.
Und dann gibt es da in THE JUNGLE BOOK auch einen King, King
Louie. Der ein Affe im Dschungel ist - was in einer rassistischen
Ikonografie seine feste Tradition als Karikatur von Schwarzen hat.
Der (als einziger im Film) eindeutig schwarzes Amerikanisch
spricht, der (als einziger im Film) eindeutig schwarze Musik, Jazz,
macht. Der von Louis Prima gesprochen wird, mit etlichen (eindeutig
einer schwarzen Tradition entstammenden) Scat-Einlagen. Und der
davon singt, dass er gerne genauso wäre wie die Menschen - "I Wanna
Be Like You". Mag sein, dass Disney (politisch ein notorischer
Rechtsausleger) nicht bewusst gehandelt hat - immerhin aber gab es
zuvor schon Filme wie SONGS OF THE SOUTH, die der Disney-Konzern
inzwischen in den Giftschrank gesperrt hat, weil sie so grob und
unverhohlen rassistisch sind, dass sie heute wütendste
Proteststürme entfesseln würden. Unmöglich aber, dass 1967 da nicht
zumindest unterschwellig ein ganz deutlicher Zeitbezug mitschwang
(in einem Film, der mit seinen den Beatles nachempfundenen
britischen Geiern ganz klare Zeitbezüge etabliert). Und wie
sich der Film dann über das Begehren der Affen nach
Gleichberechtigung lustig macht, wie er demonstriert, dass dieses
nur zu Unglück und Katastrophen führen kann (das Feuer, das King
Louis entfacht, brannte damals ganz real in Amerikas Straßen) - das
ist, bei aller schönen Animationskunst und aller schönen Musik,
ganz erheblich unschön.
Fast so erheblich unschön wie die Tatsache, dass bis heute
niemand größeren Anstoß daran genommen zu haben scheint und der
Film alle paar Jahre wieder ohne jede Einschränkung oder
Entschuldigung als beste, sauberste Familienunterhaltung aus den
Disney-Archiven gekramt wird.
Thomas
Willmann
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