Ian Flemmings "Liebesgrüße aus Moskau" soll zur Lieblingslektüre
von John F.Kennedy gehört haben. Und ist es nur Zufall, dass
Gerhard Schröder die gleichen Anzüge trägt, wie 007?
James Bond ist ein Cold-War-Zombie, ein Chauvi, ein Imperialist –
und eine wunderbare Comic-Figur. Wer ihn ganz ernst nimmt, hat
schon von vornherein verloren, denn er hängt einem Anachronismus
an. Schon in den ersten Filmen etabliert sich um den besten
Geheimagenten Ihrer Majestät ein bestimmter Doublespeak, eine
Mehrdeutigkeit, die entschlüsselt werden will. Umberto Eco hat
das ganz gut getroffen, als er in der Bond-Figur "gleichzeitig
Spiel und Beschwörung" erkennt, das letzten Aufleben eines
viktorianischen Gentleman-Ideals und das ironische Spiel mit ihm,
das Wissen um dessen Zerstörung. Wenn die Frauen diesem Typ
gleich dutzendweise ins Bett fallen, wenn er aus jeder noch so
idiotisch ausweglosen Situation mit sauberem Anzug und naßforschem
Spruch herauskommt, dann ist dies offensichtlich die Parodie eines
Männerideals, dass bereits in den 60er Jahren nur noch als Pose
überleben konnte.
In James Bond wurde der klassische Snob zur Massenware. Denn nur
die Hänschen Müller will heute vielleicht tatsächlich so sein, wie
dieses Ekelpaket: Einer dieser Typen, die stets alles besser
wissen, dem neuesten "Playboy" entnehmen, mit welchen Nobelmarken
sie sich umgeben müssen, um "dazu" (wozu?) zu gehören, die glauben,
der gute Anzug garantiere die Zugehörigkeit zur Oberklasse, obwohl
heute doch nur noch Bodyguards und BDI-Präsidenten Smoking tragen.
James Bond ist ein Repräsentant des alten England. Manierlich
und gebildet, stets korrekt gekleider, stets bereit, fürs Vaterland
sein Leben zu riskieren, erfüllt vom Sportsgeist einer Zeit, in der
es selbst in Krieg und Todesgefahr noch um fairplay ging, ein
älterer Herr eben, ein Anachronismus, der unser Mitleid verlangen
dürfte, müßten wir ihn ernst nehmen. Gottlob bleibt uns das
erspart,
Parodiert wurde hier auch das Agentengenre, die Hysterie zur Zeit
von Kaltem Krieg und Kuba-Krise. Es überrascht, das eine derart
lässige Handhabe der ernsten Sache ausgerechnet in dem Jahr Erfolg
haben konnte, als Ulbricht die Mauer bauen ließ. Denn übersehen wir
nicht Bonds Anarchismus: Wenn er schnell noch eine Schöne
flachlegt, bevor er seinen Auftrag erledigt, dann zeigt er uns
auch, dass die Rettung der Welt ein ganz so wichtige Sache nicht
sein kann, dass auch Männer etwas anderes haben, als ihre Arbeit,
dass selbst Frauen, die Pussy, Baby oder Bunny heißen interessanter
sein können, als der Auftrag des Chefs.
Siegfried Tesches großes "James-Bond-Buch" ist ein Buch für Fans
und solche, die es werden wollen. Kaum eine Information sucht man
vergebens. Übersichtlich gibt der dicke Band nicht nur Faktenwissen
über die Verfilmungen –inklusive unorthodoxer wie dem frühen ersten
"Casino Royale" von 1954 und Sean Connerys Paralellaktion "Never
say never again" von 1983 -, sondern auch über Flemmings Romane,
über den "Mythos James Bond" und "Die Bond-Manie in den sechziger
Jahren". Interpretationen und irgendwelche Urteile wird man hier
nicht finden. Tesche ist affirmativ im schlechtesten Sinn – er
denkt nicht, und findet doch alles toll. Denn Tesche ist selbst ein
Bond-Anhänger, und so liest sich sein Band manchmal wie ein
Fan-Magazin – was zumindest ermüden kann. Das heißt nicht, dass
man aus seinem Buch nichts lernen könnte. Im Gegenteil bekommt der
Leser eben unzählige Details geliefert, viele davon sind
interessant. Nur ersetzen sie, weil Tesche den Wald vor Bäumen
nicht mehr sieht, das eigene Nachdenken an keiner Stelle. Was auch
ein Vorteil sein kann.
Siegfried Tesche: "Das große James-Bond-Buch"; Henschel Vlg.,
1999, 448 S.; 25 Mark
Rüdiger Suchsland
Lesen Sie auch die Kritik zum neuen Bond-Film Die Welt ist nicht genug von
Thomas Willmann.
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