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18.03.1999
 
 
   
 

Die Dorfbaumblattpapper
Asterix & Obelix im Kampf für die Wirtschaft

 
 
 
     
 
 
 
 

Hollywood ist böse - das ist uns Europäern ja wohl allen klar (zumindest allen, die genaueres Hinschauen für eine überbewertete Tugend halten): Hollywood verdummt die Welt, weil man dort für gigantische Budgets nichts weiter dreht als inhaltsleere Comic-Verfilmungen, bei denen auf solche Nebensächlichkeiten wie ein brauchbares Drehbuch kein Wert gelegt wird. Filme, fern von jeder Lebenswirklichkeit, die sich nur an ihren Spezialeffekten aufgeilen, plump und roh und geistlos, sich in unmotivierten Sadismen ergehend. Filme, die auf gar keinen Fall den geistigen Horizont eines durchschnittlichen Vierzehnjährigen überschreiten dürfen. Und die dann auch noch - quel affront! - große europäische Schauspieler als Knallchargen in Nebenrollen verheizen.
Schließlich mit millionenschweren Werbeetats gegen jegliche negative Kritik resistent gemacht und weltweit dem Publikum reingedrückt - das es halt nicht besser weiß.

Deswegen brauchen wir den europäischen Film: Der bietet einen Gegenentwurf, schafft andere, eigene Bilder, macht Platz in den Köpfen für andere Ideen. Da wird noch lebendig mit der Ästhetik gespielt, werden soziale Realitäten eingefangen, ist Raum für Kunst - ein kreatives Gewächs gegen die cineastische Monokultur...

Ha Ha!! Reingefallen!!! Das haben Sie jetzt beinah geglaubt, gell? Wie naiv!
Haben Sie sich in letzter Zeit mal so umgesehen in unserer Welt? Gegenentwürfe und eigenständige Ideen sollen wichtig sein? - Das ich nicht lache! Hier in der bunten Welt des globalen Kapitalismus, in Captain Schröders Euro-Erlebnispark, wo man seine Verfassungsschutzakte wegen Verdachts auf kommunistisches Freischärlertum schon weg hat, wenn man Massenerschießungen von Arbeitslosen und Armen zugunsten des Shareholder-Values nicht so ganz rückhaltlos befürwortet?
Was zählt ist freilich Geld allein. Und Hollywood ist einzig und allein deswegen böse, weil es viel mehr Geld macht mit seinen Filmen als das europäische Kino.

Es geht auch beim Film nurmehr um den Wirtschaftsstandort Europa - denn auch Kino ist zuallererst mal Industrie. Und weil mit den europäischen Produkten in letzter Zeit nicht so richtig Umsatz gemacht werden konnte, hat man die Fertigungsstraße aufgerüstet und ein Erzeugnis vom Band laufen lassen, das genau so ist, wie sich europäische Kulturbürokraten in ihren schlimmsten Alpträumen die minderwertige Ware des kulturbanausigen Konkurrenzunternehmens Hollywood zurechtfantasieren:
ASTERIX & OBELIX GEGEN CAESAR ist eine rund 80 Millionen Mark teure Comicverfilmung (so man sie noch als solche bezeichnen mag - zum feinsinnigen Vorbild steht das Machwerk etwa in dem selben Verhältnis wie Pferdehack zu einem Lipizzaner). Von "Drehbuch" mag man schon gar nicht mehr reden; die Spezialeffekte werden mit einer Penetranz und einer "Schaut, schaut, schaut! Wir haben einen Bildbearbeitungs-Computer!"-Attitüde in Szene gesetzt, die man in Amerika seit Jahrzehnten nicht mehr nötig hat. Von Lebenswirklichkeit eh keine Spur - dafür plumper als Plumpaquatsch, roher als Rohmilchkäse, geistloser als Geisenpeter. Und platt und blöd und unerquicklich, von vorn bis hinten und wieder zurück, aufdringlich bis zum Erbrechen - ein Erlebnis, als hätte man eine Horde pöbelnder, stinkender, rülpsender Volldebiler im Wohnzimmer sitzen, die ewig nicht wieder gehen wollen. Die unmotivierten Sadismen (und sie sind reichlich) stoßen doppelt unangenehm auf, weil eigentlich der Film allerhöchstens noch für Sechsjährige ein Vergnügen sein mag - so sie denn an krankhaften Formen von Insensibilität leiden. Dazu der Beweis, daß man große europäische Schauspieler auch hierzulande ganz prima und skrupellos als Knallchargen verheizen kann - nicht einmal Fassbinder-Star Gottfried John in der Rolle des Caesar bleibt es erspart, den Hanswursten geben zu müssen.
Und von der Werbekampagne brauch' ich wohl nichts mehr zu erzählen - schätze sich glücklich und preise den Herrn, wer von ihr noch nicht überrollt wurde.
Kurz und schlecht: ASTERIX & OBELIX zieht auf der Flucht vor jeglichem Niveau locker an so ziemlich allem vorbei, was das geschmähte Hollywood in realiter an Übelstem zu bieten hat.

Das Klassenziel jedoch scheint erreicht: Zumindest in Frankreich haben die Leute ihre patriotische Pflicht getan und sind brav herdenweise in die Kinos gestapft, um enttäuscht wieder herauszukommen. Hauptsache, sie haben gezahlt. Und es steht zu befürchten, daß es in Deutschland nicht viel anders sein wird.
Für die europäische Filmwirtschaft war das Ganze aber sowieso vorher schon ein Segen. So ein $50 Mio. Projekt, das ist doch schon was völlig anderes, als wenn so komische Dänen mit der Videokamera in der Hand und fünfköpfigem Team losziehen - und dabei noch tolle Filme machen, die arbeitsplatzvernichtenden Schweine!
Bei ASTERIX & OBELIX, da herrschte flächendeckende Vollzeitbeschäftigung für ganze Heerscharen an Filmschaffenden: Da durfte sogar - entnehmen wir dem Presseheft - ein Team von Skulpteuren, Bühnenbildnern und Gartenspezialisten monatelang am gallischen Dorfbaum basteln und ein paar tausend Stoffblätter (importiert aus China und dort zweifelsohne von minderjährigen Lohnsklaven gefertigt) in echter Handarbeit anpinseln und an das Plastikgewächs pappen. - Kino als ABM.

Der Kauf der Eintrittskarte ist also Ihr kleiner Beitrag zum Bündnis für Arbeit - und da sollten Sie doch nicht auch noch erwarten, einen schönen Film dabei zu sehen zu bekommen. Sollten Sie dennoch so eigennützig sein, die zwei Stunden Qual nicht auf sich nehmen zu wollen - auch nicht so schlimm. Denn Ihren Beitrag zur Unterstützung der europäischen Filmwirtschaft auf dem Weg zur gigantomanischen Geistlosigkeit haben Sie schon längst entrichtet: Selbstverständlich sind, dank üppig fließender Fördermilliönchen, bei ASTERIX & OBELIX fröhlich Ihre Steuergelder am Werk.
Was mich nachdenklich stimmt. Denn es wäre ein nicht zu erwartender Akt der Gnade, stünde uns nicht dereinst die unvermeidliche Fortsetzung bevor. Und da hätte ich dann eine dringende Bitte an die Verantwortlichen: Könnten Sie dafür sorgen, daß meine persönlichen Steuergelder dabei nicht Verwendung finden? Sondern lieber in Aufrüstung, die Entwicklung biologischer Kampfstoffe, unbeziehbare Regierungsbauten oder korrupte EU-Kommissionen gesteckt werden?
Ja?
Danke!

Thomas Willmann  

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