Hollywood ist böse - das ist uns Europäern ja wohl allen
klar (zumindest allen, die genaueres Hinschauen für eine überbewertete
Tugend halten): Hollywood verdummt die Welt, weil man dort
für gigantische Budgets nichts weiter dreht als inhaltsleere
Comic-Verfilmungen, bei denen auf solche Nebensächlichkeiten
wie ein brauchbares Drehbuch kein Wert gelegt wird. Filme,
fern von jeder Lebenswirklichkeit, die sich nur an ihren Spezialeffekten
aufgeilen, plump und roh und geistlos, sich in unmotivierten
Sadismen ergehend. Filme, die auf gar keinen Fall den geistigen
Horizont eines durchschnittlichen Vierzehnjährigen überschreiten
dürfen. Und die dann auch noch - quel affront! - große
europäische Schauspieler als Knallchargen in Nebenrollen verheizen.
Schließlich mit millionenschweren Werbeetats gegen jegliche
negative Kritik resistent gemacht und weltweit dem Publikum
reingedrückt - das es halt nicht besser weiß.
Deswegen brauchen wir den europäischen Film: Der bietet einen
Gegenentwurf, schafft andere, eigene Bilder, macht Platz in den
Köpfen für andere Ideen. Da wird noch lebendig mit der Ästhetik
gespielt, werden soziale Realitäten eingefangen, ist Raum für Kunst
- ein kreatives Gewächs gegen die cineastische Monokultur...
Ha Ha!! Reingefallen!!! Das haben Sie jetzt beinah geglaubt,
gell? Wie naiv! Haben Sie sich in letzter Zeit mal so umgesehen
in unserer Welt? Gegenentwürfe und eigenständige Ideen sollen
wichtig sein? - Das ich nicht lache! Hier in der bunten Welt des
globalen Kapitalismus, in Captain Schröders Euro-Erlebnispark, wo
man seine Verfassungsschutzakte wegen Verdachts auf kommunistisches
Freischärlertum schon weg hat, wenn man Massenerschießungen von
Arbeitslosen und Armen zugunsten des Shareholder-Values nicht so
ganz rückhaltlos befürwortet? Was zählt ist freilich Geld
allein. Und Hollywood ist einzig und allein deswegen böse, weil es
viel mehr Geld macht mit seinen Filmen als das europäische
Kino.
Es geht auch beim Film nurmehr um den Wirtschaftsstandort Europa
- denn auch Kino ist zuallererst mal Industrie. Und weil mit den
europäischen Produkten in letzter Zeit nicht so richtig Umsatz
gemacht werden konnte, hat man die Fertigungsstraße aufgerüstet und
ein Erzeugnis vom Band laufen lassen, das genau so ist, wie sich
europäische Kulturbürokraten in ihren schlimmsten Alpträumen die
minderwertige Ware des kulturbanausigen Konkurrenzunternehmens
Hollywood zurechtfantasieren: ASTERIX & OBELIX GEGEN CAESAR
ist eine rund 80 Millionen Mark teure Comicverfilmung (so man sie
noch als solche bezeichnen mag - zum feinsinnigen Vorbild steht das
Machwerk etwa in dem selben Verhältnis wie Pferdehack zu einem
Lipizzaner). Von "Drehbuch" mag man schon gar nicht mehr reden; die
Spezialeffekte werden mit einer Penetranz und einer "Schaut,
schaut, schaut! Wir haben einen
Bildbearbeitungs-Computer!"-Attitüde in Szene gesetzt, die man in
Amerika seit Jahrzehnten nicht mehr nötig hat. Von
Lebenswirklichkeit eh keine Spur - dafür plumper als Plumpaquatsch,
roher als Rohmilchkäse, geistloser als Geisenpeter. Und platt und
blöd und unerquicklich, von vorn bis hinten und wieder zurück,
aufdringlich bis zum Erbrechen - ein Erlebnis, als hätte man eine
Horde pöbelnder, stinkender, rülpsender Volldebiler im Wohnzimmer
sitzen, die ewig nicht wieder gehen wollen. Die unmotivierten
Sadismen (und sie sind reichlich) stoßen doppelt unangenehm auf,
weil eigentlich der Film allerhöchstens noch für Sechsjährige ein
Vergnügen sein mag - so sie denn an krankhaften Formen von
Insensibilität leiden. Dazu der Beweis, daß man große europäische
Schauspieler auch hierzulande ganz prima und skrupellos als
Knallchargen verheizen kann - nicht einmal Fassbinder-Star
Gottfried John in der Rolle des Caesar bleibt es erspart, den
Hanswursten geben zu müssen. Und von der Werbekampagne brauch'
ich wohl nichts mehr zu erzählen - schätze sich glücklich und
preise den Herrn, wer von ihr noch nicht überrollt wurde. Kurz
und schlecht: ASTERIX & OBELIX zieht auf der Flucht vor
jeglichem Niveau locker an so ziemlich allem vorbei, was das
geschmähte Hollywood in realiter an Übelstem zu bieten hat.
Das Klassenziel jedoch scheint erreicht: Zumindest in Frankreich
haben die Leute ihre patriotische Pflicht getan und sind brav
herdenweise in die Kinos gestapft, um enttäuscht wieder
herauszukommen. Hauptsache, sie haben gezahlt. Und es steht zu
befürchten, daß es in Deutschland nicht viel anders sein wird.
Für die europäische Filmwirtschaft war das Ganze aber sowieso
vorher schon ein Segen. So ein $50 Mio. Projekt, das ist doch schon
was völlig anderes, als wenn so komische Dänen mit der Videokamera
in der Hand und fünfköpfigem Team losziehen - und dabei noch tolle
Filme machen, die arbeitsplatzvernichtenden Schweine! Bei
ASTERIX & OBELIX, da herrschte flächendeckende
Vollzeitbeschäftigung für ganze Heerscharen an Filmschaffenden: Da
durfte sogar - entnehmen wir dem Presseheft - ein Team von
Skulpteuren, Bühnenbildnern und Gartenspezialisten monatelang am
gallischen Dorfbaum basteln und ein paar tausend Stoffblätter
(importiert aus China und dort zweifelsohne von minderjährigen
Lohnsklaven gefertigt) in echter Handarbeit anpinseln und an das
Plastikgewächs pappen. - Kino als ABM.
Der Kauf der Eintrittskarte ist also Ihr kleiner Beitrag zum
Bündnis für Arbeit - und da sollten Sie doch nicht auch noch
erwarten, einen schönen Film dabei zu sehen zu bekommen. Sollten
Sie dennoch so eigennützig sein, die zwei Stunden Qual nicht auf
sich nehmen zu wollen - auch nicht so schlimm. Denn Ihren Beitrag
zur Unterstützung der europäischen Filmwirtschaft auf dem Weg zur
gigantomanischen Geistlosigkeit haben Sie schon längst entrichtet:
Selbstverständlich sind, dank üppig fließender Fördermilliönchen,
bei ASTERIX & OBELIX fröhlich Ihre Steuergelder am Werk.
Was mich nachdenklich stimmt. Denn es wäre ein nicht zu erwartender
Akt der Gnade, stünde uns nicht dereinst die unvermeidliche
Fortsetzung bevor. Und da hätte ich dann eine dringende Bitte an
die Verantwortlichen: Könnten Sie dafür sorgen, daß meine
persönlichen Steuergelder dabei nicht Verwendung finden? Sondern
lieber in Aufrüstung, die Entwicklung biologischer Kampfstoffe,
unbeziehbare Regierungsbauten oder korrupte EU-Kommissionen
gesteckt werden? Ja? Danke!
Thomas
Willmann
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