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09.10.1997
 
 
   
 

Mehr Bargeld fürs Privatfernsehen

 
Blixa Bargeld
     
 
 
 
  Zwei Dinge sind unendlich. Erstens die Dummheit und zweitens das All. So philosophieren zumindest die Einstürzenden Neubauten. Star Trek-Infizierte werden hier in Teilsätzen freimütig zustimmen. Der Rest der zumal christlichen Welt wird noch die Religion genannt wissen wollen. Da diese aber als Ableitung aus Erstens begriffen werden muß, bedarf sie wohl keiner gesonderten Erwähnung. Den Kindern des Kapitalismus fällt freilich noch der Fetisch Geld ein: Nur Bares ist Wahres.

Der langen Leitung kurzer Sinn heißt: Mehr Bargeld für die Privaten, auf daß das Niveau des deutschen Fernsehens gehoben werde!

Nun sind die Spielfilm-Eigenproduktionen dieser Sender bislang höchstens durch exotisch-masturbatorische Titelergüsse aufgefallen ("Frauenschicksal nach Büroschluß - der Grapscher lauerte im Archiv", oder ähnliche Kaliber).
Dennoch, "was ist ist, was nicht ist, ist möglich". Eindrucksvoll bewies dies justament am Tag der deutschen Einheit RTL (Motto: "Sehen mit Schmerzen") mit dem filmischen Feuerwerk der Extraklasse DIE SIEBEN FEUER DES TODES. Ein böser Mensch zündelt gern, so die Synopsis, und weil er wirklich und wahrhaftig abgrundtief böse ist, zündelt er mit Vorliebe da, wo es den kapitalistischen Nerv der Hauptstadt am Schmerzlichsten trifft. Also: keine "Explosion im Festspielhaus", denn (Schiller)Theater sind entbehrlich in Berlin.

"Mag sein, daß es nichts nutzt, aber es beschleunigt, und wenn es nur beschleunigt, was ohnehin vergeht, ist das kein Vergehen und durchaus zu verstehen, ein Grund mehr für Feurio" - könnte man meinen. Die Ordnungshüter freilich denken den gesunden Menschenverstand, d.h. anders. Wer Ölraffinerien raffiniert abfackelt, muß krank sein im Kopf. Das finden auch der wackere Feuerwehrhauptmann Hannes Jänicke und die wackere Feuerwehrpsychologin Iris Berben. Der wackere Feuerwehrhauptmann ist geschieden und hat einen Hund. Die wackere Feuerwehrpsychologin ist geschieden und hat ein Kind. O Amor, du "letztes Biest am Himmel", merke auf!

Der wackere Drehbuchautor hat wohl weniger Stendahl als vielmehr Heine gelesen: Ärgert dich dein Auge, so reiß es aus, ärgert dich deine Hand, so hau sie ab, ärgert dich deine Zunge, so schneide sie ab, und ärgert dich deine Vernunft, so werde katholisch.

An den Brandstätten nämlich finden sich Bekennerschreiben der poetischen Art: Und der erste Engel goß seine Schale aus, etc., etc. Und dann der Zweite und der Dritte, immer hübsch der Reihe nach, und wenn der Siebte sein Scherflein beigetragen hat, geht alles von vorne los. "Ende neu".
Bibelzitate, folgert messerscharf der wackere Feuerwehrhauptmann, denn lesen kann er auch. Und die wackere Feuerwehrpsychologin diagnostiziert: Er ist ein Psychopath (der Zündler, nicht der wackere Feuerwehrhauptmann!?).

Alles scheint verloren für den "halben Menschen, gefesselt vom Abendprogramm". Aber dann kommt das Bargeld ins Spiel. Vorname Blixa. Er schlägt das Kreuzzeichen, rollt mit den Augen und flötet: Jetzt werdet ihr erlö-höst. "Denn nur die halbe Welt ist Teflon und Asbest, der Rest ist brennbar und mitunter angezündet ganz munter anzusehen!"

Blixa kommt..."aus dem Irrtum, aus dem Siechtum, aus dem Fürstentum derer von Sinnen uns alle zu (be)freien" aus der organisierten Verdummung mit Werbepausen. Ein Auftritt würdig des großen Ed Wood, der ebenfalls um die Kunst des Camp wußte, nur leider für seine Filme nie genügend Bargeld zur Verfügung hatte. Blixa demontiert, destruiert, desavouiert. Hannes Jänicke füttert unterdessen seinen Hund.

Und während der wackere Feuerwehrhauptmann seinen letzten finalen Rettungseinsatz in der Toilette eines brennenden Zuges mit Feuereifer absolviert, ist unsere Eingangsthese längst bestätigt: nur Bares ist Wahres. Also: das Bargeld muß endlich eine größere Rolle im deutschen Fernsehen spielen. Quod erat demonstrandum. Oder so.

Regine Welsch

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