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Eine kleine Hintertreppenpoesie

  04.09.1997
 
 
 
  Nun ist Artechock ja vor allem ein lokales Magazin, das aufmerksam machen soll auf bedeutende Münchner Kinoereignisse. Heute möchte ich drum mit einer besonders staunenswerten Begebenheit aufwarten; morgen nämlich startet der Erstlingsfilm von Dana Vávrová. Er heißt ‘Hunger’ und handelt vom Fressen und Kotzen. Dies könnte uns freilich allen wurscht sein, das Aufsehenerregende besteht jedoch darin, daß - man höre und staune - mein ehemaliges Treppenhaus in der Klenzestraße 105 in eben jenem Film zu sehen sein wird. Ach, ich erinnere mich noch gut, als ich eines Tages in aller Herrgottsfrüh um circa elf Uhr zum Semmeln holen gehen wollte, und plötzlich die Vávrová und ihre Crew saublöd im Weg rumstanden. Damit nicht genug: Später mußten sogar meinetwegen die Dreharbeiten unterbrochen werden, damit ich ungefilmt die Semmeln zu meiner Wohnung hinauftragen konnte. Da blies er mir also mitten ins müde Antlitz, der frische Wind der ganz, ganz jungen deutschen Filmgeschichte. Seitdem galt ‘Hunger’ schon vor seiner Entstehung für mich als Musterexemplar des Heimatfilmes, auch wenn ich mittlerweile in die Fraunhoferstraße gezogen bin.

Jetzt aber kommt das eigentliche Problem: Der morgige Filmstart hat mich in eine meiner vielen schweren Entscheidungskrisen gestürzt. Zum einen würde ich nämlich mein Ex-Treppenhaus liebend gern im Kino sehen, zum anderen habe ich nicht die geringste Lust auch nur einen Tropfen Bohnerwachs für einen Dana Vávrová-Film auszugeben, schon gar nicht, wenn Kai Wiesinger die Hauptrolle spielt. Was soll ich also tun? Soll ich warten, bis meine Treppe im Fernsehen kommt? Aber wahrscheinlich entfaltet sie nur auf großer Leinwand all ihre ästhetischen Reize, denn merke: Das symptomatische an einer Treppe ist ja, daß sie stufenweise eskaliert. Und wenn sie nicht in den blöden Siebzigern mit Linoleum beklebt worden wäre, hätte ich ihr noch eine große Karriere prophezeit. So, und das nächste Mal erzähl ich euch, wie mein Auto mal in einem Kurzfilm mitgespielt hat.

Tschüs.

Richard Oehmann

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