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28.08.1997
 
 
   
 

The Long, Hot Summer

 
Sommer-Saurier
     
 
 
 
 
Es war einmal, in jener Zeit, als das Wünschen noch nicht geholfen hat, da war der August ein Monat, in dem nur Filme in die Kinos kamen, von denen sich die Filmvertreiber nichts erwarteten. Die guten Filme und die teuren und auch die mit den bekannten Namen, die hoben sich die großen Zauberer in ihren Zauberschlössern in Hollywood für den Herbst auf, wenn die Menschen braungebrannt aus den Ferien zurückkamen, und nach vier Wochen Ballermann mal wieder ins Kino gehen mochten.

Hierzulande hinter den sieben Bergen, da ist es noch immer so, daß man uns im Juli und August meist mit leichter billiger Lückenbüßer-Kost bei der Stange halten will, und im Übrigen glaubt, uns mit "Kino-Open-Air", "Internationalen Filmkunstwochen" und ähnlichen Pseudoereignissen für ein paar schöne Stunden vom Biergarten ins Kino zu locken, und sich selbst ein wenig Umsatz zu bescheren.

In Amerika aber, wo die Menschen es bekanntlich besser haben, schon weil sie die meisten Filme früher sehen können, als wir, da ist der lange Sommer zwischen "Memorial Day" im Mai und "Labour Day" im September längst zum Hauptschlachtfeld im Kampf der Verleihgiganten geworden.

Inzwischen gehören die Ferienwochenden in den USA zu den begehrtesten Eröffnungsdaten für neue Filme. Ein Blockbuster reiht sich im Sommer an den anderen, nahezu jede Woche startet ein Filmhighlight, und um die Wochenenden ist ein entsprechend harter Wettbewerb entbrannt. Man will einerseits sicherstellen, daß ein Film nicht gleichzeitig mit einem anderen Blockbuster startet, um den direkten Wettkampf zu vermeiden. Andererseits ist der Erfolg eines Filmes noch glorreicher, wenn er mit dem Sieg über einen anderen, mit hohen Erwartungen ins Rennen gegangenen Streifen, verbunden ist. Im vergangenen Jahr glückte das etwa Roland Emmerichs "Independence Day": Die Zahlen von "Mission Impossible" sanken drastisch, als ID4 pünktlich zum 4.Juli in die Kinos kam.
Zwei große Filme an ein und demselben Wochenende - das funktioniert nur, wenn sich beide an ein unterschiedliches Publikum richten. "Counterprogramming" nennen die Studios dieses Vorgehen. So starteten etwa "Batman & Robin", ein Film für die jungen, vornehmlich männlichen Actionfans gleichzeitig mit "My Best Friend's Wedding", in dem Julia Roberts die Hauptrolle spielt, und der sich an die ganze Familie und die romantisch veranlagtere Gemüter richtet, am selben Tag.

So ist die Taktik der Positionierung und das Aushandeln des Startdatums eine eigene Wissenschaft. Und die Auseinandersetzung zwischen den Verleihen wird zunehmend schärfer, schon kommt es zu nervösen Reaktionen: Im Fall von "Conspiracy Theory" verschoben Warner Brothers den Filmstart, der ursprünglich für den 25.Juli vorgesehen war, kurzfristig auf den 8.August. Vorgeblich wegen der Ankündigung von 20thCentury Fox/Paramount, daß James Camerons Blockbuster "Titanic" nicht schon im August starten würde. In Wahrheit wohl auch deswegen, weil er sonst zeitgleich mit Wolfgang Petersens "Airforce One" gestartet wäre, eine unmittelbare Konkurrenz, der "Conspiracy Theory" auch nach Ansicht seiner Macher nicht gewachsen wäre.

Indem die Filme immer teurer werden, vergrößert sich die Abhängigkeit von einem trendsetzenden guten Start-Wochenende. Trotz immer höherer Kosten (12 Filme in diesem Jahr übersprangen bereits die Marke von 80 Millionen $ Produktionkosten, müssen also -Marketing hinzugerechnet- rund 100 Millionen $ einspielen, um überhaupt Gewinn zu machen) laufen sie für immer kürzere Zeit, bevor sie vom nächsten "Supermegaüberhammer" abgelöst werden.

"The Lost World: Jurassic Park" und "Men in Black", der am 4.Juli eröffnete, wurde amerikaweit gleichzeitig in mehreren tausend Kinos gespielt. Ungefähr 6000 Kopien sollen eine ganze Nation in die Filmtheater saugen, oft werden mehrere Kopien in einem einzigen Multiplex gespielt (eine Unsitte, die wir bereits auch in München erleben, im Fall von "Lost World"). Schon immer gilt: Filme sind Güter, die das kürzeste Leben aller Produkte der Unterhaltungsindustrie besitzen. Trotz der modernen Nachverwertungsmöglichkeiten im Video und TV-Bereich entscheidet sich ihr ökonomisches Schicksal in wenigen Tagen oder Wochen.

Dreht sich nun alles nur noch ums Geld ? Vieles schon, aber auch den profitfixierten Strategen der Studios könnte bald klarwerden, daß es mit Marketing und Gerangel um Startermine nicht getan ist. Ein bißchen Film muß auch noch dazukommen. Denn zumindest bisher gingen die kühlen Rechnungen nicht auf: Bis Mitte August liegen die Einspielergebnisse dieses amerikanischen Sommers 9 % unter denen des Vorjahres.

Rüdiger Suchsland

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