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07.08.1997
 
 
   
 

Knirsch, krach, mampf - Steven Spielberg weckt die Saurier

   
     
 
 
 
 
Würden Sie in den Jurassic Park gehen ? Nein, gemeint ist jetzt nicht der Film, in dem wir alle schon drin waren, sondern ein echter, realexistierender Jurassic Park. Ein Park, in dem genetisch zum Leben erweckte Dinosaurier zu besichtigen sind ?
Die Vorstellung, man könnte Saurier tatsächlich wiederaufstehen lassen, ist faszinierend. Und egal was uns die Wissenschaftler gerade dieser Tage an Fakten, Fakten, Fakten zur Unmöglichkeit solcher Hirngespinste zu sagen haben: das würden wir uns doch nur ungern entgehen lassen, ebenso wie die Weltraumreise für eine gerade noch erschwingliche Dollarsumme, die wir seit “2001" fest in unseren Terminkalender des kommenden Jahrtausend eingetragen haben. Der Plot von “Jurassic Park" und nun “Lost World" hat etwas Zauberhaftes - und diese Feststellung erklärt den Erfolg beider Filme wie ihre Schwäche. Eine Voraussetzung derartiger Monster-Filme (wie soll man sie eigentlich nennen, um Tierfilme handelt es sich wohl kaum ?) ist Pseudo-Wissenschaftlichkeit. “Irgendwas wird schon dran sein, vielleicht ist das ja doch möglich?" suggeriert Michael Crichtons Buch. Trotz allem aber sind Spielbergs Monstersaurier die realistischsten Filmmonster, die es je zu sehen gab. Technisch großartig, beeindruckend und glaubwürdig stampfen sie über die Leinwand. Und doch fehlt das Entscheidende.

Zufällig lief gerade erst, am 1.August, wieder einmal "King Kong und die weiße Frau" von 1933 im Fernsehen. Wer diesen Film schon einmal gesehen hat, weiß, was Spielbergs Sauriern fehlt. Nicht nur, weil hier alle Stereotypen der monster-movies bereits vollendet vorkommen, und Spielberg und alle anderen dem kaum etwas hinzuzufügen vermögen. Nicht nur, weil dieser Klassiker, auch visuell für Jahrzehnte unerreichte Maßstäbe setzte.
Sondern vor allem, weil die Geschichte des liebeskranken Riesenaffen soviel differenzierter ist, als es noch so viele gewalttätigen Riesenechsen je sein können. Beide Filme zeigen die andere Seite. Aber weil King Kong menschliche Züge besitzt, ist es hier etwas von uns selbst, daß gezeigt wird, und das die good guys stellvertretend im Monster bekämpfen.
Die Dinos dagegen haben allenfalls jene “family values", die einst US-Vizepräsident Dan Quayle von Hollywood einforderte. Schließlich verteidigen in “Lost World" die erwachsenen T-Rexe ihre Kinder. Aber King Kong ist demgegenüber ein wirklicher amerikanischer Held, ausgestattet mit all der Melancholie, die die Kinohelden der 30er Jahre besitzen. King Kong, der verzweifelt auf der Spitze des Empire State Building gegen die Doppeldecker der US-Air-Force seinen letzten Kampf kämpft, ist einer der unvergesslichen Momente der Filmgeschichte. King Kong ist ein Monster voller Poesie und versteckter Erotik, eine animalische Ausgabe von Dracula. Was er tut, tut er aus Liebe und mit manchmal erstaunlicher Vernunft. Die Dinos sind dagegen primitive Kampfmaschienen, Gestalt gewordene reine Gewalt, die von der der Tornados und ausbrechenden Vulkane, die andere US-Blockbuster der neueren Zeit bevölkern, nicht zu unterscheiden sind.

Und so werden wir in “Lost World", das in manchem wie schon “Jurassic Park" wenig mehr ist, als ein Remake von Motiven aus “King Kong", wieder viel Rennen und Schreien, viel Ooh und Aahs erleben, herumwirbelnde Autos und die Teilzerstörung San Diegos, bei der alle Freunde von Land und Natur ihre Anti-Großstadt-Aggressionen ausleben können. Das kann Spaß machen, und eventuell vorhandene Gelüste befriedigen. Wem das zuwenig ist, der kann sich den Spaß noch vergrößern, indem man das beliebte Ratespiel spielt, das bei allen Monster- und Katastrophenfilmen funktioniert: am beliebtesten ist die Frage: wer wird sterben, wer darf weiterleben. Im Gegensatz zum durch und durch ideologischen “Independence Day" im vergangenen Jahr, wo diese Fragen nach (konservativ-) politischen Kriterien beantwortet wurden, ist “Lost World" simpler gestrickt: suchen wir nach den Unsympathischen, den Dummen und Unaufmerksamen, suchen wir nach den völlig oder halbwegs unbekannten Schauspielern in scheinbaren Hauptrollen, und wir wissen die Antwort schnell.

Wer darüber hinaus aber nach Momenten fragt, wie sie im “Weißen Hai" noch vorkamen, der Ahnung nämlich, was Kinomonster sein können außer Anlaß für Spezialeffekte und Demo der Fähigkeiten von “Industrial Lights and Magic", der sollte den Gang in die Videothek nicht scheuen, und sich zum Vergleich “King Kong" ansehen.

Rüdiger Suchsland

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