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24.04.1997
 
 
   
 

Foreign Correspondent
Thomas Willmann in Hollywood - Teil II

   
     
 
 
 
 

Was bisher geschah: Thomas Willmann machte drei Wochen Urlaub in Los Angeles und recherchierte dabei exklusiv für die Leser von artechock in der amerikanischen Kinoszene.

Im ersten Teil meines Berichts ist es ja bereits angeklungen: in der Zeit kurz nach der Oscar-Verleihung herrscht in amerikanischen Lichtspielhäusern eher Flaute, was den Start neuer Filme angeht.
Die größte neue Produktion, die ich zu sehen bekam war THE SAINT, der nicht gerade für sich in Anspruch nehmen kann, besonders beeindruckend zu sein - auch wenn es mir fern liegt, über einen Film zu motzen, der Gelegenheit gibt, zwei Stunden lang Elizabeth Shue anzuhimmeln.
Doch auch wenn die Blockbuster noch bis zum Sommer auf sich warten lassen, hatten die Preisklassen unter $50 Mio. solide Kost zu bieten. Clint Eastwoods neue Regiearbeit ABSOLUTE POWER gibt sich auf den ersten Blick eher unspektakulär und zurückhaltend, ist aber deswegen nicht minder schön und hinterhältig.
Tsui Hark mußte, wie zuvor Hong-Kong Kollegen John Woo und Ringo Lam, sein amerikanisches Debut DOUBLE TEAM mit Jean-Claude Van Damme in der Hauptrolle besetzen (und dazu auch noch Basketballspieler Dennis Rodman und - es gibt ihn wirklich noch! - Mickey Rourke) - aber er hat sich dabei mehr als respektabel aus der Affäre gezogen und einen von der Ästhetik her erstaunlich unamerikanischen Film gezaubert. Dazu hat sicherlich auch beigetragen, daß er große Teile des Teams, darunter auch Kameramann Peter Pau, gleich aus Hong Kong mitgebracht hat.
Eine echte Entdeckung war für mich WAITING FOR GUFFMAN von Ex-SPINAL TAP-Gitarrist Christopher Guest: eine umwerfend komische, als Doku getarnte Komödie über den Versuch der Einwohner von Blaine, Missouri, zum 150. Geburtstag ihrer Stadt ein Musical auf die Beine zu stellen. Hoffentlich bald auch in deutschen Kinos zu sehen.
Ob PRIVATE PARTS den Weg in die "Bunsrebublik" (Helmut Kohl) finden wird, ist fraglich. Der Spielfilm ist die höchst amüsante Autobiographie des Radiomoderators Howard Stern, der sich - wie die meisten Personen im Film - selbst spielt. Während in Amerika schon mal ganze Straßenzüge gesperrt werden müssen, wenn Stern Autogrammstunden gibt, ist der König des schlechten Geschmacks dem deutschen Publikum hingegen bisher allenfalls durch seinen Auftritt als FARTMAN bei den MTV Music Video Awards unangenehm aufgefallen. Aber vielleicht bewegt der enorme Erfolg des Films in den USA den Verleih ja doch, PRIVATE PARTS auch zu exportieren - Spaß macht der Streifen auch als reine Komödie, und ich habe auch schon die Meinung gehört, der Film wäre ohnehin um so genießbarer, je weniger man mit den extremeren Entgleisungen Sterns vertraut sei - die in der beschönigenden Biographie wohlweislich unerwähnt bleiben.

Soviel zu den bereits gesehnen Filmen. Nun aber zu einem echten artechock-exklusive: einer meiner Freunde aus L.A., Ryan, hatte unlängst die Ehre, eine kleine Nebenrolle in einem Film spielen zu dürfen. Ryan ist eigentlich Komponist und Klavierstudent, und als solcher wurde er verpflichtet, in GATTACA den Pianisten Gregor zu mimen. GATTACA (vormals THE EIGHTH DAY) ist das Kinodebut von Andrew M. Niccol, mit Ethan Hawke, Ernest Borgnine, Alan Arkin und Uma Thurman, ein SF-Epos um genmanipulierte Mutanten. Folglich hat Ryan als Gregor auch zwölf Finger, mit denen er ein Schubert Impromptu zum Besten gibt. In der Szene, in der er auftritt, treffen sich Ethan und Uma eben bei einem Konzert von "Gregor", der dann seine Handschuhe ins Publikum wirft, wo Uma einen von ihnen auffängt.
Ryan hat Ethan Hawke kennengelernt und meinte, er sei ein "nice guy". Uma ist er nicht näher gekommen, meinte aber, sie habe durchaus auch in Person eine faszinierende Ausstrahlung. (Um Rückfragen vorzubeugen: Nein, Ryan weiß nicht, wie man an ihre Telefonnummer kommt.) Allerdings hatten die Leute von der Crew angeblich wenig Freundliches über Uma zu sagen, da sie wohl rechte Primadonna-Allüren an den Tag legt.
Und nun noch ein wenig bekanntes Bruce Willis-Fact, direkt von einem seiner ehemaligen Maskenbildner: zu seligen MOONLIGHTING Zeiten waren von Staffel zu Staffel zunehmende Anteile von Willis' Haar lediglich aufgesprüht. Bruce The Man benutzt Hair-in-a-Can - wer hätte das gedacht!

In Los Angeles ist der Unterschied zwischen wirklichem Leben und Film bekanntlich oft nur schwer auszumachen, und diesem Ruf wurde die Stadt jüngst auch wieder gerecht.
Viele Jahre galt das Silent Movie Theatre in der Fairfax Ave. als eine der wenigen Attraktionen der Stadt für echte Cinéasten, hatte es sein Programm doch ausschließlich alten Stummfilmen gewidmet. Nun ist L.A. um diese Institution ärmer geworden: der Besitzer wurde ermordet; offensichtlich von einem Geschäftspartner, der die Lebensversicherung kassieren wollte.
Und der rätselhafte Tod von David Lynchs Stammschauspieler Jack "Eraserhead" Nance wird vom LAPD nun auch als Mord untersucht. Anscheinend geriet Nance an einem Imbißladen in einen Streit und wurde später von seinen Kontrahenten in seine Wohnung verfolgt, wo er am nächsten Tag mit Kopfverletzungen tot aufgefunden wurde. Es ist bisher nicht geklärt, ob es in dem Streit darum ging, daß man mit dem Auto nicht zu dicht auffahren soll.

Glücklicherweise gab es aber dann doch auch noch weniger deprimierende Neuigkeiten: David Carradine erhielt einen verdienten Stern im Walk of Fame verliehen.

Das wär's dann auch schon wieder von mir. Wenn's Euch gefallen hat, und Ihr gerne öfter Neuigkeiten aus der großen weiten Welt in artechock finden wollt, dann sind Reisekostenbeihilfen jederzeit herzlich willkommen ;) . Oder schreibt einfach eine e-mail an die Redaktion und verlangt die Einrichtung eines ständigen Korrespondentenbüros in Los Angeles. Zur Übernahme des Jobs wäre ich, selbstlos wie immer, gerne bereit.

Thomas Willmann

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