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20.03.1997
 
 
   
 

Super-8-Revival: Revolutionär und abgedreht

 
Super 8 - konspirativ konservativ
     
 
 
 
 

Zu einer Zeit, da die Dinosaurier wieder auferstehen, das dreidimensionale Raumerlebnis die Kinosäle erobert und die Jahrtausendwende nur noch drei Jahre entfernt ist, formieren sich überall auf der Welt kleine Grüppchen, um bewährte Traditionen vor dem Fortschritt zu bewahren. Solche Konservative aus Leidenschaft findet man bekanntlich vor allem in Bayern, sie hausen in Bauernstuben, tragen Dirndl und pilgern nach Altötting. So auch Vroni & Vroni, zwei Waisenkinderinnen herzigster Art, die uns der Film „Rosen für Altötting" näherbringt. Zugegeben, ihre künstlichen Glitter-Wimpern und Springerstiefel irritieren den Bayernkundigen. Auch die tanzsüchtige fette Riesenbiene im Kornfeld entspricht nicht gerade dem Bayernbild aus dem Heimatkundeunterricht. Man ahnt es schon - die hier gemeinten Brauchtumsretter sind Mitte Zwanzig, tragen schräge Klamotten, nennen sich ABGEDREHT oder Banane und haben ein gemeinsames Ziel: technischer Perfektion und publikumsgefälligem Einheitsbrei entgegenzuwirken.

Als ideales Medium dafür haben sie den guten alten Super-8-Film wiederentdeckt. Einfach zu handhaben, ermöglicht diese Kultkamera einen unbefangenen Umgang und spontane Drehbedingungen, die jedem der No-Budget-Produktionen auf symphatische Weise anzumerken sind. Dementsprechend müssen auch die Rahmenbedingungen für deren Präsentation nicht perfekt sein; die Münchner Super-8-Szene zieht wie in guten alten Zeiten die Wohnzimmeratmosphäre der großen Kinoleinwand vor und veranstaltet ihre Kurzfilmnächte in Kulturwerkstätten oder Clubs, in Hamburg wird die Leinwand für die Street Film Screenings des ANRRP (All Nizo Restricted Revolution Pictures) einfach irgendwo in der Stadt aufgestellt oder durch eine Hauswand an der Elbe ersetzt. Natürlich gibt es dabei erfahrungsgemäß ziemlichen Trash zu sehen, von wirklich witzig bis gewollt&langweilig. Viele der Filme sind halt frei nach der Devise „War nix - macht nix" entstanden, so daß im Endeffekt dann die Macher oft mehr Spaß beim Drehen hatten, als das Publikum beim zuschauen. Man feiert sich selber. Aber das ist durchaus vertretbar angesichts der Tatsache, daß man zuvor selber zur Tat schreiten muß und unsere sogenannte Spaßgesellschaft sich sonst nur passivisch konsumierend vergnügt. Zudem kann jeder seine eigenen Filme mitbringen, wodurch sich jedesmal ein herrlich buntes Programm ergibt.

Während die Hamburger Fraktion es allein in den letzten zwei Jahren schon auf über zwanzig Events gebracht hat, ließ das Revival der Münchner Szene einige Zeit auf sich warten. Die Kümfel-Rollen-Karin, die einst einschlägige Abende im Werkstattkino veranstaltete, wanderte als Petra Perle bekanntlich endgültig ins Show-Business ab und auch Ralf Palandt, Organisator der Comix-Film-Nächte in der Kulturstation, widmete sich zwischenzeitlich wieder mehr dem Anfüllen von Sprechblasen. Wie schön also, daß es noch unverbrauchte junge Idealisten (hach!) wie Locke und Chris in München gibt, die uns - zusammen mit Ralf und „Partyking" Banane - am Sonntagabend im Atomic Café mal wieder eine WAHRE NACHT DER SUPER 8 bescheren werden. Selbstmitgebrachte Filme werden unzensiert gezeigt, im Anschluß spielt die Heavy-Listening-Band „The Squair". (Neuturmstr. 5, 20 Uhr, 23.03.1997)

Nina Stuhldreher

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