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30.01.1997
 
 
   
 

Rossini - Trotzdem gut.

 
George und Ferres
     
 
 
 
 

Deutsche Großproduktionen erinnern immer häufiger an die italienische Oberliga der Achtziger, nein, noch besser, an den FC Bayern. Der kauft vor der Saison alle verfügbaren Spitzenspieler ein, egal ob er sie alle braucht oder nicht. Folglich muß so mancher glänzende Stürmer auf der Reservebank hocken und mancher hervorragende Verteidiger wird ständig zu früh ausgewechselt. Auf dem Feld will dann ein Star dem anderen die Show stehlen, der Teamgeist leidet erheblich. Eins und Eins ist gar nicht immer Zwei.

Diese Problematik scheint für Produzent Franz... äh... Bernd Eichinger nicht sichtbar. "Rossini" ist , wie vorher schon "das Superweib" und "Der bewegte Mann", vollgestopft mit einem Dutzend Fressen aus jüngeren und älteren Filmerfolgen, als da wären: Adorf, George, Lauterbach, Landgrebe, Kr¢l, Milberg, Ferres, Liefers, .. Die meisten dieser vermeintlichen Besetzungscoups hätte sich der FC...pardon... Constantin-Filmverleih nicht nur sparen können, wie die Bayern den Klinsmann, sondern er vermiest sich außerdem den Spielfluß durch deren Präsenz; das lenkt ab vom Ballgeschehen und Torestand.
Denn trotz allem Star-Getöse handelt sich es ja immer noch um einen Film von Helmut Dietl, der ja auch deswegen bekannt wurde, weil er sowohl renommierten internationalen als auch nur regional bekannten Schauspielern zu denkwürdigen Rollen verhalf. Nie in seinem Leben war Wolfgang Fierek annähernd so gut, wie als "Tierpark-Toni" ("Des is er, der Monaco, die Drecksau!"), wann war Ruth-Maria Kubitschek je wieder erträglich seit ihrem Spatzl ("Franz, ich möchte jetzt gehen"; "Ich nicht, Spatzl!") oder ihrer "Frau von Unruh" ("Auf der Ebene habt ihr ein für alle mal ausgeschissen, Freunde."), bei den "Guldenburgs" vielleicht? Pah! Die Steeger Ingrid hat ihren vielleicht einzigen schönen Satz schon vor über zwanzig Jahren in "Münchner G'schichen" gesprochen: "Geht's vielleicht auch'n bißchen später?" Was sie seitdem geleistet hat? Ich weiß es nicht, aber den Satz hab ich mir gemerkt.

So mancher Schauspieler, der von der Branche in die urige Bayern-Ecke gestellt wurde, durfte beim Dietl sein verstecktes Genie beweisen: So zum Beispiel Walter, die alte Sedlmayerin. ("Kleine Mäderln - Mein G'schmack wär's nicht.") Unvergeßlich auch Erni Singerl beim Herzinfarkt ("Mein Bubi is im Fernsehen"), Gisela Schneeberger als liebevolle Zecke ("Mei, a Seife!"), Karl Obermayer- preiset seinen Namen! - als altbayrischer Sancho-Pansa ("Des is doch a g'mahte Wiesn, Franze!") oder als Gastwirt in der Sinnkrise ("Und nachad sperrma auf und nachad sperrma wieder zua"), Frithjof Vierock ("A Hund is a scho."), Gustl Bayrhammer ("Windigs Zigarettenbürscherl") und natürlich Helmut Fischer ("A bissl was geht immer"). Die Fernsehserien "Monaco-Franze", "Münchner G'schichten", "Der ganz normale Wahnsinn" und "Kir Royal" werden bei Diskussionen, ob der Deutsche jetzt einen Humor hat oder nicht, gern vergessen und haben dennoch den süddeutschen Zitatenschatz in den letzten zwanzig Jahren wesentlich mehr angereichert als jeder Faßbinder, Kroetz, Achternbusch oder alle mitnander; nur der Polt und der Beckenbauer können da mithalten. Fraglos findet sich auch in "Rossini" allerhand Merkenswertes, wie ja auch bei "Schtonk" ("...und Fritze Hitler hat er ja wohl nicht geheißen"), zudem entbehrt es nicht eines gewißen Charmes, wenn "Bunte"-Titelseiten-Füller wie die Ferres oder der Lauterbach ständig brachial-obszönes Zeug daherreden; wenn Frau Landgrebe das Wort "Zipfelspielchen" ausspricht oder ständig vom "Scheißen" spricht, dann ist das schon ein fieser Magenschwinger für die Freunde des Autorenfilms. Aber diese "großen" Namen sind zu sehr belastet mit Erwartungen, man sieht nicht die Person, die sie verkörpern, man sieht ihnen nur bei der Arbeit zu. Alle, mit Ausnahme, nuntja, der Ferres, sind exzellent, aber sie klagen durch ihren Bekanntheitsgrad ein gewißes Maß an Starinszenieruing ein; und so müssen wir uns, wenn es grade mal ruhig werden könnte im szenischen Getümmel, statt einen Blick hinter die Fassade der Film-Figur Ubu Zigeuner zu ergattern - vor allem deswegen interessant, da er das alter ego von Regisseur Dietl sein soll, den nackten Arsch von Götz George anschauen. Das stört.

Vor allem weil den gewiß nicht so viele Leute unbedingt sehen wollen, wie Produzenten glauben. Außerdem nuschelt der Götz immer so. Und wer zum Henker kauft denn wirklich wegen Heiner Lauterbach oder Gudrun Landgrebe eine Eintrittskarte?
Das Filmwerk "Rossini" leidet also darunter, kann aber trotzdem nicht wirklich verdorben werden. Denn beim ahnungslosen Betrachten all dieser schön beleuchteten, vertrauten Fernsehgesichter - vielleicht ist das gerade der Trick dabei - merkt der Zuschauer langsam, was das da eigentlich für eine hundsgemeine Welt ist, die uns mit Leichtigkeit und Brillianz vorgesetzt wird. Und eh man's richtig bemerkt, stehen der Dietl und der Süskind schon hinter einem mit dem Hackl in der Hand und zerstückeln unseren TV-Horizont; denn in unserer Vorfreude haben wir uns ja doch eher an der Erinnerung an heimelige, bayerische Serien orientiert, nicht jedoch an der Wucht des Cinemascop-Formats. Denn Dietl's Kino ist nicht mehr freundlich-melancholisch wie der "Monaco-Franze" oder die "Münchner G'schichten", auch nicht höhnisch wie "Schtonk", wo ja an sich alle Figuren nur Deppen sind, auch nicht hinterfotzig wie "Kir Royal", sondern tieftraurig. Denn nun, da Dietl seinem persönlichen Alltag so nah, wie für einen Komödienmacher nur denkbar, gekommen ist, scheint jede der kleinen "Rossini"-Geschichten zu sagen: Diese armseligen Tröpfe, diese kindischen Onanisten, diese verklemmten Heulsusen, diese widerwärtigen Angeber, das sind wir ja alle selber.

Und anschließend, nach diesem kunstvollen unumwundenen Armutszeugnis gibt's dann eine Premierenfeier, auf der auch Ottfried Fischer erscheint, die AZ berichtet, der Dietl gibt Interviews, die Ferres wird aus unerfindlichen Gründen mehrfach als schöne und tolle Frau bezeichnet, der Stern spendiert eine Titelseite, und der Stoiber überreicht den bayerischen Filmpreis.

Eine komische Welt.

Richard Oehmann

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