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söke dinkla
das flottierende kunstwerk.
zum entstehen einer neuen künstlerischen organisationsform

 

aspekte und geschichte der interaktiven kunst

„ Flotte Biene" und „flotter Käfer" – diese oder ähnliche Assoziationen verbinden wir eventuell mit dem Adjektiv „flott". Das wird sich nunmehr ändern, denn Söke Dinkla benutzt dieses Eigenschaftswort im Zusammenhang mit einer elektronischen Kunstform, die vor rund 25 Jahren entstanden und unter der Bezeichnung „Interaktive Kunst" bekannt geworden ist .
Doch warum der neue Begriff des „flottierenden Kunstwerks" – dies zu klären, war das Anliegen ihres Vortrages.
„Flot" stammt aus dem französischen und bedeutet so viel wie „schwebend", „flatternd", „schwankend" – für die Autorin sind dies ideale Begriffe um die (notwendige) Offenheit der interaktiven Kunstform zu umschreiben.
Denn deren Hauptmerkmal ist der ständige Wandel und die Veränderbarkeit – der herkömmliche Finitätsanspruch eines Kunstwerks ist nicht mehr gegeben.
Ein weiteres Kriterium der interaktiven Kunst entwickelte sich bereits Anfang des 20. Jahrhunderts in der klassischen Avantgarde, als zunehmend der Wunsch nach einer aktiven Zuschauerbeteiligung (sowohl auf der Bühne als auch bei Kunstausstellungen) verwirklicht wurde.
Seine Fortsetztung fand dieses Bestreben während der sechziger Jahre in den Happenings, Performances (vor allem den elektronischen Tanz-Performances), Site-spezific works und den Expanded Cinema Events. Der Betrachter folgte dabei jedoch den Anweisungen des Künstler niemals unvorbereitet.
Das änderte sich in den siebziger Jahren mit der kinetischen Kunst, den Reaktiven Environments und den Closed-Circuit Installationen - der Zuschauer wird ohne jegliche Anleitung zum Akteur. Der Computer spielte dabei die Rolle des neuen Kommunikationspartners, durch ihn erfolgte die, im Zuge des euphorischen Technologieglaubens, positiv gesehene Erweiterung der menschlichen Sinne.

Eine Desillusionierung (im Hinblick auf die Forschung und die Kunst) erfolgte Ende der achtziger Jahre. Man wurde sich der mangelhaften Bewertungskriterien der interaktiven bzw. digitalen Kunstform nach rein technischen Aspekten bewußt: Wie bereits die Fotografie, die Performances und die Videokunst stellte diese „neue" Kunstform die Systematisierung der Künste sowohl ästhetisch als auch institutionell in Frage. Eine kunstwissenschaftliche Beschreibungs- und Bewertungsmethode zu Beginn des neuen Jahrtausends ist bitter nötig geworden - Söke Dinkla erläutert an ausgewählten Beispielen ihre ästhetischen Beurteilungskriterien zum flottierenden Kunstwerk:

kriterien

Die Prozesshaftigkeit und der Wegfall einer distanzierten Betrachtersituation wurden bereits erläutert – Dinkla spricht von der Mittäterschaft des Beobachters, wobei der Betrachter aber stets Opfer und Mittäter zugleich ist. „A room of one’s own" von Lynn Hershman aus dem Jahre 1992 betont in hohem Maße die aktive Rolle des Betrachters. Der Besucher wird wie in einer Peepshow zum Augenzeuge einer intimen und zugleich öffentlichen Szene: Allein sein voyeuristischer Blick löst die Handlungen der Protagonistin aus, wobei sie sich aber verbal vehement gegen die Überwachung durch den Beobachter wehrt.

Bill Seaman’s „The exquisite Machanism of Shivers" (1992) verleugnet in aller Deutlichkeit den finalen Werkcharakter eines Kunstwerks – die Fülle der Neukombinationen aus Text, Sprache, Musik und Bildern geht nahezu ins Unendliche. Es erfolgt eine Verräumlichung der Sprache, wobei zugleich ihre Logik dekonstruiert wird.

Jeffrey Shaw, ein Pionier der interaktiven Kunst; betont in den drei Versionen seiner „Legible City" zum einen den Aspekt des „im Werk sein" als auch den Aspekt der „Karte". Der Betrachter/Täter sucht sich als Radfahrer den Weg durch eine Textstadt, wobei er allein die zeitliche und räumliche Neuordnung des Raumes beeinflußt. Der Raum wird zum visuellen und akustischen Hyperraum.

Die Künstlergruppe Knowbotic Research verdeutlicht in ihrem interaktiven Environment „Dialogue with the nowbotic south" (dwtks) den Unterschied des dynamischen Wissensraum zum zugrundeliegenden Naturraum – es entstehen hypothetische Modelle einer erweiterten Natur. Die Kritik der Repräsentation, die mit der neuen „Betrachtersituation" einher geht, wird offensichtlich: Das Bild als Verwirklichung der Realität ist heute nicht mehr gegeben. Da wir uns jedoch schwer von den traditionellen Sehgewohnheiten lösen können, befinden wir uns als user in einem permanenten Zustand der Unsicherheit.

Das flottierende Kunstwerk sucht beständig nach neuen Konzepten zur Rekonstruktion der Wirklichkeit und arbeitet in diesem Zusammenhang mit non-linearen Datenstrukturen. Im Netz entstehen neue Handlungsräume, wobei die Beziehung aller Teilnehmer in einer dynamischen Balance angestrebt wird. Die Forderung nach der mentalen Interaktion der Betrachter führt zum Wegfall der distanzierten Betrachtersituation. Die daraus resultierende temporäre Natur des Kunstwerks schafft die Voraussetzung für dessen ständige Veränderbarkeit. Der Computer macht die übliche Unterscheidung von Innen/Außen, Realität/Fiktion, Ursache/Wirkung obsolet. Daran müssen wir uns gewöhnen – ob wir nun wollen oder nicht.

Inwieweit die genannten Aspekte als äthetische Beurteilungskriterien zu verstehen sind - darüber sollte man noch diskutieren.

angelika steer

 



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