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kontrovers - die sammler und das ihrige

podiumsdiskussion im haus der kunst

keine rettung aus dem gesammelt-werden


Das Sammeln, seine Motive und die Frage nach einer eventuellen gegenwärtigen Krise musealen Sammelns waren vergangenen Donnerstag Thema einer Podiumsdiskussion im Haus der Kunst. Teilnehmer waren: Prof. Dr. Walter Grasskamp, Akademie der Bildenden Künste, München und Prof. Boris Groys, Zentrum für Kunst und Medientechnologie, Karlsruhe. Moderiert wurde die Veranstaltung von Prof. Dr. Hubert Gaßner, Hauptkurator im Haus der Kunst.

Leere Säle, verstaubte Bilder, nachgedunkelte Farben, die schleppenden Schritte müder Saalwächter, ob heute oder in 80 Jahren, es wird das gleiche sein.
"Alles bleibt wie es ist. Dies verbinden die meisten Menschen mit dem Museum. Es ist das einzige in unserer Kultur, von dem man annimmt, daß es bleibt", so eine These von Prof. Groys. Doch jetzt ändert sich auch dies. Im Zeitalter der Medien verläßt das Kunstwerk das Museum und damit auch einen gewissen Schutz, begibt sich auf Wanderschaft.

Seit etwa 20 Jahren verzeichnet die Ausstellungskultur einen unverkennbaren Boom, doch die Zeit, die dem Betrachter für ein Kunstwerk bleibt, wird angesichts des zunehmenden Angebots temporärer Ausstellungen immer kürzer. Statistiken belegen, daß der Besuch einer Ausstellung mit ca. 300 Exponaten im Schnitt nur noch rund eine dreiviertel Stunde dauert, der Blick des Betrachters in der Ausstellung wird immer kürzer.

"Selten schaue ich mir alles an, was ich für eine Ausstellung zusammen getragen, gesammelt habe", so Prof. Dr. Gassner. "Der Sammler ist befriedigt, wenn er das bekommen hat, was er wollte. Wenn das Werk dann hängt, ist es uninteressant." "Steht dem Besucher nicht dasselbe Recht zu, kann ich vom Besucher etwas verlangen, was ich selbst nicht tue?", so seine Frage.

"Die Kunst ist allein geschaffen für das Sammeln", verkündet die gewagte These von Prof. Groys. "Das Sammeln ist die Herstellung einer Unverkäuflichkeit innerhalb der Marktindustrie." Eine Sammlung ist auf Geschlossenheit angewiesen, strebt nach Vollkommenheit und ist von daher auch auf einen Ort angewiesen - das Museum. In unserer Kultur scheint das Bedürfnis vorhanden zu sein, solche kleinen Kosmen herzustellen. Dies belegen nach Ansicht von Prof. Dr. Gassner auch die vielen in den letzten Jahren neuentstandenen Museumsbauten. Doch die Art des Museum verändert sich. Unter den neuesten Museen sind auch neue Modelle: Das Sammlermuseum, das Teilsammlungen von Privatsammlungen zeigt, Museen, wie der Hamburger Bahnhof, die nur einen einzigen Sammler ausstellen; oder das Konzept Prof. Schneedes in der Hamburger Kunsthalle, der einzelne Kunstwerke ausleiht und neben der ständigen Sammlung zeitweise ausstellt.

Doch was hat es mit dem Sammeln auf sich? Noch immer gibt es keine zufriedenstellende Definition, darauf wies Prof. Grasskamp hin.
Es gibt keine Rettung aus dem Gesammelt-Werden, denn der Mensch ist in eine Welt geworfen, in der bereits gesammelt wird, auch er selber ist vielfältigt registriert und archiviert. Prof. Groys interpretiert eigenes Sammeln als Reaktion, als Schutzreaktion gegen das Gesammelt-Werden durch unterschiedliche Institutionen und erweitert diese These noch durch die interessante Assoziation mit dem Datenschutz - denn Kunstwerke sind Daten. Ins Museum zu kommen bedeutet registriert, beschrieben, verglichen und archiviert zu sein. Künstler haben in diesem Jahrhundert häufig versucht dem zu entgehen, teilweise indem sie selbst Sammler wurden.

Eine Sammlung lebt davon, daß der Sammler ihr ständig Neues hinzufügt. Dadurch übt der Sammler einen gewissen Druck auf den Künstler aus. Ständig soll er kreativ und innovativ sein. Hierdurch ist er unfrei. Darauf reagieren Künstler häufig, indem sie selber sammeln. Darin stellen sie sich auf eine Stufe mit den anderen Sammlern.

Was verändert sich am Museum? Man meint ja, man hätte es mit einer Institution der Beständigkeit zu tun, doch am Ende der Diskussion stellt sich heraus, daß das Museum bereits zur Legende wird - von nun an kann vieles auf unwiederbringliche Weise verpaßt werden.

Trotz der interessanten und vielfältigen Ansätze vollzog sich die Diskussion vornehmlich unter den Podiumssprechern. Leider wurde wie so häufig der Aspekt der Emotionalität gänzlich vergessen. Ist denn nicht häufig eine Liebhaberei oder das restlose Verliebtsein in ein Werk der Ausgangspunkt für viele Sammlungen? Wären die Motive der Sammler so rational und vernunftlastig wie Diskussion unter den "Kulturjunkies" - wie sich die Podiumsteilnehmer teilweise selbst bezeichneten - wir hätten heute bestimmt nichts anzusehen, geschweige denn zu diskutieren. Eine Sammlung spiegelt darüberhinaus die Vorlieben ihres Sammlers und darin auch dessen Persönlichkeit. Der verallgemeinernde Konsens der Diskussion sprach zwar von den Sammlern, gab diesen aber keine Persönlichkeit. Von einer Liebe zur Kunst war an diesem Abend trotz hochintellektueller Theorien leider nichts zu hören.

Friederike Gaa





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