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zur situation der photographie in münchen:
ein interview

new york - paris.
horst schäfer -
architekturphotographie


zur
situation der
photographie
in münchen

von milena greif

Dr. Ellen Maurer ist als wissenschaftliche Mitarbeiterin in der Neuen Sammlung tätig. Sie hat die aktuelle Ausstellung „Horst Schäfer: Architekturphotographie“ für München mitkonzipiert. Außerdem hat sie das Vorwort einer Begleitbroschüre zu den Münchner Photoausstellungen dieses Sommers verfaßt. Artechock wollte von ihr wissen, wie es um die Photographie in München bestellt ist.

Besteht in München ein besonderes Verhältnis zur Photographie?

Komisch, daß, wenn man in Deutschland an Photographie denkt, München eigentlich an der Peripherie zu agieren scheint, obwohl dort doch viel passiert. Es wäre Zeit, dies zu ändern; insbesondere, daß Münchens Angebot besser wahrgenommen wird.
Mit München sind zahlreiche, historisch bedeutende Namen zu verbinden: Josef Albert, Frank Eugene Smith, Willy Zielke, Hubs Flöter, Peter Keetman... bis hin zu Floris Neusüss. Von Anbeginn also hatte die Photographie einen Standort in München, auch wenn es nicht zu den avantgardistischen Zentren gehörte. Immerhin, eine wichtige Etappe auf dem Weg ins 20.Jahrhundert dürfte 1930 die Ausstellung „Das Lichtbild“ gewesen sein, auf der zum ersten Mal Tendenzen des "Neuen Sehen" in München präsentiert wurden. Gemessen an dem, was überhaupt in Europa passiert ist, blieb die Stadt aber eher Provinz. Der Wandel vollzog sich allgemein in den 70er Jahren, als Photographie als künstlerisches Medium an Bedeutung gewann, dann auch in München.

Was wird in München für die Photographie getan?

Heute gibt es für die Photographie interessante Initiativen in der Stadt: die Danner-Stiftung, der Förderpreis für Photographie, Musealisierung und Institutionalisierung der Photographie nehmen deutlich zu. Tatsächlich ist die Stadt für Künstler ein Anziehungspunkt, auch zur Niederlassung aufgrund der Anbindung zur Industrie und aufgrund der Sponsoren. Daneben gehört die Staatliche Fachakademie für Fotodesign zu den wichtigsten Ausbildungsstätten in Deutschland. Sie konzentriert sich zwar auf angewandte Photographie. Darüberhinausgehend weist sie aber sehr gute Lehrer auf. Für den süddeutschen Raum ist ihre Funktion zentral. Bedeutend sind auch die offiziellen Anerkennungen der letzten Zeit, v.a. die Preisverleihung der Stadtsparkasse an Jeff Wall. Sie öffnete in München den Blick für Künstler, die mit Photographie arbeiten. Es engagieren sich auch speziell für Photographie die Vereinigte Versicherungsgruppe, die Siemens-Kulturstiftung oder die Stiftung Wüstenrot als Förderinstitutionen, die eigene Sammlungen aufbauen.

Warum gibt es an der Münchner Kunstakademie keine Professur für Photographie?

Daß es in München keine Professur für Photographie gibt, ist auf eine Eigenart der Akademie zurückzuführen, die aus ihrer Geschichte resultiert: Klassische Gattungen überwogen dort schon immer als Orientierungspunkt. Es gibt dort eine Studienwerkstatt unter Dieter Rehm, die jedoch mehr als Übungsforum zur Verfügung steht. Jeff Wall erhielt eine Gastdozentur an der Akademie. Dadurch kam die Photographie in München zu neuen Ehren und an der Akademie zu verstärkter Aufmerksamkeit.

Wie steht es um das Ausstellungsangebot in München?

Die Galerien in München zeigen steigendes Interesse, zunehmend kommen große Wanderaustellungen hierher - nur zeigt sich in München leider kein dem angemessener Publikumszulauf. Insgesamt ist das breitgefächerte Angebot aber hervorzuheben: Das Photomuseum widmet sich der Geschichte und den künstlerischen Ausdrucksformen der Photographie. Das Deutsche Museum hat sein Augenmerk auf die Entwicklung der Technik gerichtet. Die Neue Sammlung, das Architekturmuseum, Schackgalerie, Stuckvilla, Lenbachhaus, Haus der Kunst, Lothringerstraße, Kunstraum, Kunstverein, Sammlung Goetz, die Praterinsel - sowohl private, wie auch staatliche und städtische Einrichtungen - betten Photographie in ihr Programm ein; auch in der Staatsgemäldesammlung werden entsprechende Exponate ausgestellt. Zugegeben, in den staatlichen Museen manifestieren sich neue Medien nur am Rande, das ist noch eine Schwachstelle. Die ständige Ausstellung von Photographie stellt aber ein Problem dar: Photographie ist nicht das ideale Objekt für eine ständige Präsentation, sie ist sehr lichtempfindlich und sollte klimatischen Bedingungen nicht dauernd ausgesetzt werden. Kompromißlösungen sind notwendig, eventuell sollte man mit Doubletten arbeiten. Originale sind oft sogar für die genaue Betrachtung aufgrund ihrer Größe und des Erhaltungszustandes nicht einmal so ideal.
München wird jedenfalls bislang unterschätzt, es passiert sehr viel. Z.B. die Ausstellung von Photographien neben antiker Skulptur in der Glyptothek: das ist ungeheuer aufgeschlossen, das kenne ich so in keiner anderen Stadt.

Welche Rolle spielt die Photographie für die Neue Sammlung?

Für die Neue Sammlung bedeutete Photographie zunächst v.a. eine Sammlung von Vorbildern und Anschauungsmaterial für Ausstellungen. Man verfolgte den Werkbund-Gedanken: Photographie als angewandte, zweckgebundene Kunst. Später, nach dem Zweiten Weltkrieg, entwickelte sich die Photographie zum eigenen Sammlungskomplex. Hinsichtlich Austellungen hat man initiatorische Leistungen vollbracht: z.B. wurde 1967 hier die erste Bernd und Hilla Becher-Ausstellung gezeigt. Seit den 80ern wurde Photographie auch zum eigenen Sammlungskomplex. Das Interesse an der Photographie als vermittelndes Medium blieb aber im Vordergrund.

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In der Neuen Sammlung haben in loser Reihe bereits mehrere Ausstellungen zu Architekturphotographie stattgefunden, welche die Gattung dokumentarisch oder konzeptionell vor Augen führten. Horst Schäfer ist stärker experimentell geprägt, die Subjektive Photographie kann als Vorbild geltend gemacht werden. Eigentlich kommt er vom Journalismus. Seine Architekturphotos entstanden nebenher.
Schäfer vertritt eine Ausprägung der sog. Documentary Photography, im Vorbeigehen fängt er einen Moment aus dem Großstadtbild, gewissermaßen als „pars pro toto“, ein. Das Innovative an seinen Arbeiten ist das abstrakte Detailbild gewesen. Im Detail wird die Struktur oft deutlicher, als in der Gesamtansicht. Spannend ist, daß seine Photos v.a. Fenster zeigen, womit sie in der entsprechenden kunsthistorischen Tradition der Fensterbilder stehen. Im 20.Jh. wurden diese zu abstrakten Formen, zu metaphorischen Gitterbildern.
Die vorhergehende Ausstellungstation (Coburg) hat einen Querschnitt des Oeuvres Schäfers gezeigt. Aus dem Kontext der Ausstellungsgeschichte der Neuen Sammlung besteht aber insbesondere Interesse an der experimentellen Komponente, die sich in den Architekturphotos am deutlichsten zeigt. Die Achse New York - Paris soll daher als Quintessenz dessen, was Horst Schäfers Blick ausmacht, verdichtet werden, z.T. mit extra angefertigten Abzügen. Die Bilderabfolge wird durch die Räume gegliedert: New York dient als Auftakt, dort sind all die berühmten Gebäude, die man automatisch assoziiert, versammelt. Starke Abstraktionen bis zum graphischen Muster folgen, die oft sogar unabhängig von Baukörpern, lediglich durch Licht verursacht werden. Daneben gibt es auch Bilder, die Mensch zeigen - aber nur als zusätzliche, in die Architektur eingepaßte Struktur und als Maßstab. Spiegelungen, Gebäude in Gebäuden sind ein weiteres Thema. Dann betritt man eine Art „Gelenkraum“, dessen Aufnahmen das Auge ausruhen lassen, dabei aber unser Amerika-Bild bestätigen. Schließlich begegnet Paris New York, vertreten durch die Stahlgiganten Eiffelturm und Williamsburg Bridge. Im Unterschied zu New York fehlt in Paris Schäfers persönlicher Bezug zur Stadt, was sich an den Bildern manchmal bemerkbar macht. Außerdem verschmilzt zwar im Zentrum von Paris die Moderne mit dem historischen Bestand, La Défense aber gibt seine Künstlichkeit preis. Und doch kann man Strukturen, die man aus N.Y. kennt, in Paris wiederfinden.
Obwohl Horst Schäfer in erster Linie intuitiv vorging, gab er sich von einem Photographen sehr beeindruckt: von Andreas Feininger - der wahrscheinlich schon nächsten Sommer in der Neuen Sammlung wiederentdeckt werden kann.

milena greif





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