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Podiumsdiskussion: Zustand und Zukunft des Fachs Kunstgeschichte

vortragsreihe der fachschaft kunstgeschichte im januar und februar

Teilnehmer der gut besuchten Podiumsdiskussion waren Prof. Beat Wyss, Prof. Anne-Marie Bonnet, Prof. Walter Grasskamp, Prof. Frank Büttner und Prof. Willibald Sauerländer. Die Diskussionsleitung hatte Dr. Hubertus Gaßner.
In dieser Zusammenfassung sollen die wichtigsten Thesen des Diskussionsforums zu Perspektiven und Aufgaben des Fachs Kunstgeschichte dargestellt werden.
Walter Grasskamp, der auch als Kunstkritiker publiziert, bezeichnete es als Herausforderung für den Kunsthistoriker, sich mit zeitgenössischer Kunst zu befassen und sich kritisch einzumischen. Die Kritik ist eine Aufgabe, die auch zum Fach gehören sollte.
Frank Büttner wurde als Ordinarius des kunsthistorischen Instituts gefragt, ob die Berührungsängste der Kunstgeschichte mit der Moderne schon in der Ausbildung begründet liegen. Die Kunstgeschichte ist ein riesiges Feld, das für eine Person nicht zu bewältigen ist und daher eine Aufteilung verlangt. Dies gilt auch für die Ausbildung. Der Student hat sich ein aufbaufähiges Inselwissen anzueignen, natürlich auch in der Kunst nach 1945. Büttner hielt es durchaus für möglich, die moderne Kunst nach den historischen Methoden der Kunstgeschichte zu erfassen und an die Öffentlichkeit zu vermitteln.
Willibald Sauerländer antwortete auf die Frage, ob die Öffnung des Faches zu den Neuen Medien Berufsperspektiven für den Kunsthistoriker bietet. Die Aufgabe für den traditionellen Kunsthistoriker bestehe darin, von alten Bildern für das Verständis der neuen Bilder zu lernen und dieses Wissen zu vermitteln. Die Kunstgeschichte übernimmt dabei die ethische Rolle, an den Bildgebrauch in älteren Gesellschaften zu erinnern. Eine kritisch-analytische Untersuchung im Bereich der Neuen Medien, die frei von ökonomischen Aspekten sein muß, stellt ein neues Betätigungsfeld für Kunsthistoriker dar. Am ehesten im Austausch mit der Kunstgeschichte soll die Medienwissenschaft als eigenes Fach entstehen. Generell gilt, daß das traditionelle Fach sich "gesundschrumpfen" muß.

Walter Grasskamp ging auf die Problematik ein, daß die Neuen Medien den Status von Kunst und Wissenschaft nicht explizit in sich tragen. Die Integration der Neuen Medien durch die Kunstgeschichte kann demnach nur eine "Adoption" darstellen.
Frank Büttner stellte fest, daß sich die Grenzen in den Geisteswissenschaften permanent ausweiten und daraus entstehende Überschneidungsgebiete neue Impulse hervorbringen. Es sei daher erforderlich, sich auch an anderen Fächern zu beteiligen, jedoch ohne dabei den Anspruch auf Gesamtheit zu erheben. Die Gründung eines Zentrums für Medienwissenschaften und eine spätere Integration in das Studium hielt Büttner für nötig.
Zum Abschluß der Podiumsdiskussion ging Willibald Sauerländer darauf ein, warum die traditionelle Kunstgeschichte die Moderne bisher zu sehr ausgeklammert hat und diskutierte die beruflichen Perspektiven für die "neuen" Kunsthistoriker. Das Fach Kunstgeschichte hat sich bisher mit einem abgeschirmten Kunstbegriff etabliert, der heutige Kunstbegriff ist aber wesentlich fragiler und umfassender geworden.
Das Fach an sich besteht aus Arbeitshypothesen, die zeitgebunden sind. Das heißt, daß das Fach selber nicht statisch, sondern veränderbar ist. Die Entstehung eines neuen Berufstyps liegt in einem freien, unprofessionalisierten Umgang mit Artefakten für eine neue Gesellschaft mit neuen Freizeitbedürfnissen, begründet. In der Beschäftigung im Bereich der musischen Dinge, in einer Gesellschaft, in der die Arbeit knapp wird, liegt die Chance für einen neuen Tätigkeitsbereich. Dies erfordert eine Mutation dessen, was wir heute Kunstgeschichte nennen. Die Änderung des Faches ist die Chance für das Fach selber in einer Welt von morgen.


Eva Schlipp

Um Stellungnahmen und Diskussionsbeiträge wird gebeten.





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