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vortrag von hans ulrich reck kunst als kritik des sehens? - bemerkungen zu problemen einer medientheorie der bildenden künste
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Die Frage hätte lauten müssen: Was ist ein Kunstwerk?
- stattdessen lautete der Titel von G. Boehms vielgelesenem Buch bezeichnenderweise:
Was ist ein Bild? Hierin offenbart sich - so Hans Ulrich Reck - das Dilemma der Kunstgeschichte gleich auf mehrfache Weise. Zum einen erhebt die Kunstgeschichte den Anspruch zu wissen, was ein Bild ist und wie dieses funktioniert. Zum anderen setzt sie voraus das Bilder automatisch Kunstwerke sind, zumindest wenn sie mit ihnen beschäftigt. Sie entlarvt sich somit als eine ‘Bildwissenschaft’, die sich ausschließlich mit 'gereinigten' Bildern auseinandersetzt, Bilder, die dem allgemeinen Konsens von 'Kunst' entsprechen. Die Kunstgeschichtsschreibung entlarvt sich auch noch Ende des 20. Jahrhunderts als Aufklärungs- programm des bürgerlichen Subjekts: “Sie widersteht den Phantasmen, den Bedrohungen des Imaginären, kontrolliert seine Obzessionen.” Das von der Kunstgeschichte postulierte Kunstwerk ist statisch und auf die zweidimensionale Reproduktionsoberfläche (Foto/Dia) reduzierbar. Für jede Rezeption von Kunst wird eine rigide moralische, hermeneutische Disziplinierung der Ästethik gefordert und auch präsentiert.
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Es ist nicht nur die Angst vor neuen Techniken, die die Kunstgeschichte
zögernd sich mit neuen Bildmedien beschäftigen läßt.
Die Schwierigkeiten, die bei Kunst entstehen, die sich nicht so einfach
mit dem etablierten Gebrauch von Diaprojektion vermitteln läßt,
ist eher nebensächlich. Das eigentliche Problem ist inhaltlicher Natur
und demnach existenziell. Es geht um die Frage nach der Wahrheit der Dinge.
Die Kunstgeschichte besetzt die Kunstwerke mit Zuschreibungen, mit Wahrheiten,
um sie kontrollieren zu können. Das Anathema für sie ist das Kunstwerk,
das sich nicht dementsprechend beugen bzw. zurechtstutzen läßt.
Was die ‘neuen Medien’ angeht, wäre die Kunstgeschichte froh, wenn
sie sich dieser entledigen könnte. Eine eigens ins Leben gerufene Medienwissenschaft
würde die klassische Kunstgeschichtsschreibung vor dem Horror bewahren,
sich klar zu machen, daß sie nie wirklich die Kunstwerke selbst zum
Thema hatte, sondern immer die eigenen Interessen verfolgte. Reck äußert
die Vorstellung, daß die Kunstgeschichte sich nie hat darauf einlassen
wollen (oder können), daß die Kunst als Kritik des Sehens verstanden
werden kann.
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Um das zu erkennen, muß man nicht einmal die ‘neuen Bildmedien’
bemühen. Malewitschs suprematistische Bilder stellen eine Abkopplung
von Zeichen und Bedeutung dar. Dem Entschlüsseln seiner Bilder geht
die Erkenntnis voraus, daß es eine Differenz gibt zwischen dem was
dargestellt ist und dem was es bedeutet (oder bedeuten könnte). Das
Kunstwerk gibt sich somit als ein dynamisches Medium zu erkennen, in dem
Zeit und Raum miteinzubeziehen sind. Das Bild zeigt in gewissen Maße,
was nicht zu sehen ist. Das Bild zeigt das Bild als ein Abwesendes und thematisiert
die (post)moderne Krise des Sichtbaren.
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Ein Bild der anderen Art stellt J.-L. Godards “L’Histoire du
Cinéma” (1980/81) vor: Es handelt sich um eine Bildmontage, in der sich
Filmsequenzen von Kinoklassikern mit klassischen Meisterwerken überlappen.
Allerdings ist es selbst kein Kinofilm, sondern eine videographische Arbeit,
die für den Heimgebrauch, also das individuelle Ein- und Auschalten
oder Vor- oder Zurückspulen gedacht ist. Hiermit kommt die Zeit ins
Spiel mit der der Kunsthistoriker und seinem klassischen Werkzeug nicht
umzugehen vermag. Das Zeitmotiv ist eines der wichtigen Themen in der Kunst der Moderne und daß nicht nur im Film oder im Video. Das von H. U. Reck gewählte Beispiel des ‘Großen Glases’ von Duchamp belegt dieses auch für andere Bereiche und deckt gleichzeitig den Mangel in der Rezeption auf. Eine seltene Aufnahme zeigt das ‘Große Glas’ als das, was es ausgestellt war: Der Bildträger war nicht ein Tableau, sondern das Glas, in (auf) dem man die Motive erkennen konnte, durch das man jedoch gleichzeitig blicken und sich selbst auch spiegelnd sehen konnte. Man konnte sich also selbst beim Sehen zusehen, wobei das klassische Motiv des Spiegels erwähnt wäre und man den Schritt schließlich zu J. Lacans weiterführen könnte. Das Leitmotiv von Godards Film ist die sich an Descartes anlehnende These:
Cogito ergo video. Diese alte Vorstellung, daß das Auge eine klare
Sicht auf die Welt verschafft (Platos Bild der Wahrheit) wird vom (post)modernen
Bild verworfen. Das Sehen ist jedoch nicht nur Modell der Wahrheit aufzufassen,
sondern eben auch als Quell von Irrtümern. Um Stellungnahmen und Diskussionsbeiträge wird gebeten.
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