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"vortrag" von
hans belting
alte methoden für neue medien? - fragen an die inhalte der zukunftsperspektive im fach

vortragsreihe der fachschaft kunstgeschichte im januar und februar

Pardoxerweise wurde dem Vortrag, dem die Studenten mit größter Spannung entgegengefiebert hatten, gleich zu Beginn das Wesen eines Vortrags aberkannt: Prof. Hans Belting erklärte, daß er hier in München keinen Vortrag halten, sondern vielmehr die Gelegenheit nutzen wolle, um dezidiert mit den Studenten (seiner ehemaligen Wirkungstätte) über Zukunftsperspektiven des Faches Kunstgeschichte zu diskutieren. Nur als Grundlage und Vorbereitung für diese Diskussion wollte er seine anschließend vorgetragenen Forderungen an das Fach sowie seine Vorschläge zum Umgang mit den neuen Medien verstanden wissen.

kritik am fach und forderungen:

Es sei wichtig voranzustellen, so Belting, daß nicht nur eine “kleine Truppe” der Kunsthistoriker für die Erforschung “Neuer Medien” abgestellt werden dürfe und der Rest im “alten Trott” weitermache, sondern daß die Auseinandersetzung mit den neuen Medien für eine generelle Standorts- und Zukunftsbestimmung genutzt werden müsse. Belting wolle jedoch nicht als “Werbeagent” der neuen Medien auftreten, sondern zum reflektierten Umgang mit diesen anregen.
Die Kunstgeschichte solle aus dem Dornröschenschlaf der nur auf das “Schöne” bezogenen, bildimmanenten Methoden aufwachen und “lebendiger und selbstbewußter” sich einerseits der eigenen Aufgabe bewußt werden und andererseits sich anderen Disziplinen öffnen. Eine Stilisierung der Errungenschaften früherer Kunsthistoriker, die zu einer “Selbsthistorisierung” führe, zeige dagegen die fatale Kreativitätslosigkeit des Faches.
Als Beispiel dafür, daß die Kritik angebracht sei, verwies Belting auf die kürzlich in der Kunstchronik erschienene Rezension durch Otto Karl Werckmeister, die sich mit seiner Revision vom “Ende der Kunstgeschichte” (1995) auseinandersetzte: Die hier formulierte Kritik an Belting - daß ihm durch sein “emphatisches Engagement” für die zeitgenössische Kunst die von einem Wissenschaftler geforderte Objektivität abginge - quittierte er mit dem Verweis auf die “Subjektivität und Kunstgeschichte”. Immerhin brächte ein subjektives Engagement seitens des Kunsthistorikers weitaus ehrlichere Ergebnisse, als die Illusion von Objektivität.

zukunftsperspektiven:

Angesichts der immer größer werdenden Bedeutung von Bildern in der heutigen Gesellschaft sei - so Belting - die Zeit gekommen, eine “Geschichte der Bilder” zu schreiben, in der jeweils ihre Bedeutung für den Menschen und ihre Rezeption behandelt werde - ein Projekt, welches aber die Kunstgeschichte als solche nicht absetzen wolle.
Mit dem Schlagwort der Globalisierung verwies Belting auf die Chance, einer Öffnung des Faches auf der Ebene eines interkulturellen Diskurses, um auf diesem Wege zu einem vertieften Bewußtsein der eigenen Kultur zu gelangen.
Im Sinne eines anthropologischen Verständnisses der Bilder regte Belting dazu an, das gesamte Bildmaterial der Geschichte und den Umgang mit diesem sowie die Rolle der Kunst generell für den Menschen zu überdenken.
Die Aueinandersetzung mit den neuen Medien bietet die Chance, uns mit unseren Lebensbedingungen auseinanderzusetzen und damit unsere Kultur zu retten.

In einer abschließenden Präsentation eines Videos, in welchem Studenten der Hochschule in Karlsruhe Videoinstallationen Bill Violas zu dokumentieren versuchten (“Slowly Turning Narrative”, 1992 und “Heaven and Earth”), zeigte Belting im Konkreten einen Weg, die neuen Medien als Arbeitsmittel für die kunsthistorische Ausbildung zu nutzen.

fazit:

Die Tatsache, daß viele dieser vorgetragenen Anregungen dem Zuhörer irgendwie bekannt vorkamen, mag daran liegen, daß sie schlichtweg nicht neu waren. In der Diskussion war eine Verwirrung über das tatsächliche Ausmaß der Anregungen für die kunsthistorische Praxis zu spüren. Es hätte vielleicht deutlicher gemacht werden müssen, daß zwischen einer Arbeitsmittel- und Methodendiskussion zu unterscheiden ist: Zum einen stehen mit den neuen Medien modernere “Arbeitsmittel” zur Verfügung. Außerdem kann der Umgang mit neuen Medien auch neue Fragestellungen und methodische Ansätze eröffnen, was jedoch nicht heißen muß, daß die “Methoden” des Faches generell als veraltet angesehen werden müssen.

Bedauerlicherweise schlug das Projekt gerade durch den Versuch, ohne ausgearbeiteten Vortrag in eine Diskussion mit Studenten überzuleiten, fehl, da diese Art der Vermittlung nicht dazu ausgestattet war, den im Publikum sitzenden Kollegen zu begegnen. Angesichts des vollbesetzten Hörsaals wurde die Diskussion weitestgehend von nicht-studentischen Redebeiträgen bestritten.
Verwirrung war auch bei den Studenten zu spüren, deren unvorbelastetes Interesse zum einen durch die von allen Seiten polemische geführte Debatte enttäuscht wurde. Hinzu kam, daß Beltings Ausführungen nur im Bereich der Verwendung neuer Medien als Arbeitsmittel konkret wurden, jedoch im Bereich der Methodik einen eher schwammigen Eindruck hinterließen.
Man darf auf die kommenden Vorträge und vor allem auf die abschließende Podiumsdiskussion (am 26.2.) gespannt sein.

Angelika Vorster

Um Stellungnahmen und Diskussionsbeiträge wird gebeten.







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