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293 07|10|2003
besprechung
UTOPIA STATION Poster Project / UTOPIA STATION kuratiert von Molly Nesbit, Hans Ulrich Obrist und Rirkrit Tiravanija
In Zusammenarbeit mit der Biennale Venedig 2003 und dem museum in progress, Wien UTOPIA STATION Poster Project
eine ausstellung im haus der kunst
vom 21. sept. bis 30. nov. 2003

Die Welt ist heute zu gefährlich für alles, was nicht Utopie ist," diesen Satz stellen die Kuratoren Molly Nesbit, Hans Ulrich Obrist und Rirkrit Tiravanija vor ihr variables, bewußt unvollendetes und strukturhaftes UTOPIA Projekt.
Das Projekt ist eine Durchgangsstation, ein Treffpunkt, ein Ort für Kontemplation, Kommunikation und - so liegt hoffend zugrunde - ein Ort für die Entwicklung neuer Denkweisen, neuer Handlungsansätze und Strategien, wenn möglich im Zusammen-Denken mit anderen. Die Utopie, ein Konzept mit langer Geschichte und vielen Ideologien soll hier einen Schritt auf die Menschen zugehen, benutzbar werden - als konkreter Gedanke im Prozess materialisiert werden - oder, wie Obrist im Eingangsgespräch am 21. 09. zitiert, "ihre Ideale nach unten schrauben, um machbar zu werden"?? Kunst solle in einem Zusammenhang von Öffentlichkeit entstehen, ohne deutlichen Auftrag, Kennzeichnung und ohne, dass Zusammenhänge ausser Kraft gesetzt werden. Kunst sei Störung, Ergänzung einer existierenden Situation in der Absicht diese Situation zu öffnen. So weit, so gut, so richtig, so spannend formuliert Obrist an andere Stelle. Hier soll nun also die Kunst (die hehre?) auf die Utopie einen Katalysatoreffekt ausüben in dem in dem diese konkretisiert und individualisiert werden kann. Zusätzlich zu allen Zweifeln am utopischen einer Utopie, wenn einmal "konkretisiert", respektive verwirklicht - stellt sich dem interessierten Betrachter die Frage warum sich des Vehikels Kunst bedient wird, um diesen offen formulierten Ansatz zu verfolgen.- Vor allem im Hinblick darauf, dass das Konzept hier, an dieser Stelle den Anspruch hat - sehr konkret und verwirklichbar zu werden???
Könnte - und sollte - sich die UTOPIA - (Kunst??) Konzeption auch in den Dienst von praktischer (wie auch immer grenzüberschreitendner) Politik stellen dürfen? Es drängen sich Vergleiche auf an "Poster" von John Heartfield und aktuell, Klaus Staeck, die ja durchaus diesen Anspruch haben und hatten, am aktuellen (politischen ) Geschehen kritisch teilzuhaben , zu beeinflußen und mitzuwirken. Oder "soziale Skulpturen" à la Beuys? Gerne zitiere ich wieder Obrist, der an wiederum anderer Stelle Dialoge und Synergien durch die Verzahnung von Kunst und der gegebenen Funktionalität von Räumen zu erreichen beabsichtigt, wobei das bestehende Display nicht ausser Kraft gesetzt werde, sondern durch eine kaum wahrnehmbare Verschiebung neue Denk-Möglichkeiten zu erschließen erlaube. Hier wird im Haus der Kunst nur die frühere "Ehrenhalle" für diese Ausstellung geöffnet: Einst Symbol der nationalsozialistischen Kunstideologie - als Gegenbild zur Utopie einer offenen Gesellschaft - Verzahnung, Verschiebung?? Hoffentlich erfüllt sich die Vorgabe des Konzeptes und neben den 160 Plakaten, den Vorträgen und Veranstaltungen zum Thema Utopie entspinnen (...) sich rege Diskussionen und tatsächliche neue Denkansätze!

 

   
die utopia station


In Venedig, zur Biennale materialisierte sich die erste UTOPIA STATION, als Zusammenarbeit verschiedener Künstler und Architekten. 160 internationale Künstler, Designer, Architekten und Filmemacher wurden hier gebeten, Plakate zum Thema der Utopie zu entwerfen.

Die Ergebnisse dieses Werkteils sind nun im Haus der Kunst zu sehen, der zweiten UTOPIA STATION, dem UTOPIA STATION Poster Project - 160 Plakate u.a. von Javier Tellez, Jakob Kolding, Isaac Julien , Agnes Varda, Hans-Peter Feldmann, John Baldessari, Matthew Barney, Douglas Gordon, Hans Haacke, Thomas Hirschhorn, Rem Koolhaas, Bruce Mau, Florian Pumhoesl, Andreas Slominski, Rosemarie Trockel. Annette Messager, Asymptote, Diaz Moretti, Gabriel Kuri , Jay Chung, Kamin Lertchaiprasert, (um nur einige zu nennen - ein vollständige Liste mit Bildbeiträgen finden Sie unter: http://www.e-flux.com/projects/utopia/index.html . Die Teilnehmer des Projekts UTOPIA STATION, das prinzipiell als unabschließbar gilt, stammen aus aller Welt. Unter anderen wirken mit: Ecke Bonk, Tacita Dean, Olafur Eliasson, Fischli/Weiss, Joseph Grigely, Ilya Kabakov, Joep van Lieshout, Yoko Ono, Philippe Parreno, Michelangelo Pistoletto, Christoph Schlingensief und Patti Smith.
Diese, zweite UTOPIA STATION begreift sich wiederum selbst als Übergangsstation, weil sie Vorbereitung und Einleitung für eine dritte UTOPIA STATION sein wird, die im Herbst 2004 im Haus der Kunst gezeigt werden wird. Unterwegs stößt man auf Seminare, Begegnungen, Stationen, Poster, Performances und Bücher.


 

   

das programm



Allsonntäglich wird das Programm, ganz im Sinne einer diskursiven Duchgangsstation, ergänzt. Die Veranstaltungen finden sonntags um 11 Uhr in den Räumen des UTOPIA STATION Poster Projects statt. Am 21. September eröffnete Rem Koolhaas (Fifteen Utopias) mit Chris Dercon und Hans Ulrich Obrist Der Versuch wurde unternommen wird den Utopie-Gedanken inhaltlich einzugrenzen und - wie Utopie an sich wahrscheinlich herausfordert, sie auf ihre Machbarkeit hin zu überprüfen. Dass das utopische einer Utopie verschwindet, wenn man den Versuch unternimmt, diese an der Realität schrumpfend, zu verwirklichen, zeigen nicht nur realpolitische Versuche, wie der des Kommunismus. Koolhaas (geb.1944), Pritzker- und Praemium Imperiale-Preisträger beschreibt Bauwerke, vor allem sowjetische aus der Zeit des Kommunismus, die symptomatisch, anhand ihrer Planungen, Verwirklichung und auch am Zustand ihres Verfalls die mit der Utopie verbundenen Vorstellungen, Wünsche und Wirklichkeiten zeigen.
Am 28. September folgt Jochen Meister Der Bauch des Architekten - der Nabel der Kunststadt mit einer Einführung von León Krempel. Jochen Meister (geb.1967) studierte Kunstgeschichte in Berlin und ist Autor zahlreicher Beiträge über zeitgenössische Künstler. Meister arbeitet u. a. für die Bayerischen Staatsgemäldesammlungen und für das Haus der Kunst, dessen Geschichte er seit zwei Jahren erforscht.
Am 5. Oktober Roger M. Buergel: Was ist eine Ausstellung? Mit einer Einführung von Chris Dercon. Roger M. Buergel (geb. 1962) ist freier Ausstellungsmacher und Autor zahlreicher Veröffentlichungen. Für seine zum Teil provokanten, zum Teil konzeptionellen Ausstellungen wurde er mit dem Walter Hopps Award for Curatorial Achievement ausgezeichnet. Zur Zeit bereitet er mit Ruth Noack die Ausstellung Die Regierung vor, die ab Winter 2003 u. a. im MACBA, Barcelona, und im Witte de With, Rotterdam, zu sehen sein wird.
Am 12. Oktober Stephan Barbarino:Utopie braucht Heimat, mit einer Einführung von León Krempel Der Theatermacher Stephan Barbarino (geb. 1955) war 1991-1994 Intendant der Hamburger Kammerspiele. 1995-2000 verwirklichte er seine Idee vom Gesamtkunstwerk mit dem Musiktheater für Ludwig II., den Königsschlössern gegenüber gelegen. Zwischen dem eigens erbauten Theater und dem Konzeptkunstwerk Neuschwanstein im Forggensee, realisiert er zur Zeit verschiedene Unter- und Überwasserwerke von zeitgenössischen Künstlern.
Am 19. Oktober Ebru Özseçen Intervention mit einer Einführung von Stephanie Rosenthal Ebru Özseçen (geb. 1971) studierte Kunst, Innenarchitektur und Environmental Design in Ankara. 2001 hatte sie ihre erste Einzelausstellung in New York in der Henry Urbach Architecture Gallery, 2002 war sie Teilnehmerin der 25. Sa~o Paulo Biennale. In diesem Jahr erhielt Özseçen das Couvent des Recollets-Stipendium (Paris). Die Künstlerin lebt und arbeitet in München.
Am 26. Oktober Ernst Pöppel: Warum man von Utopie nicht sprechen kann, sondern von Syntopie sprechen muss mit einer Einführung von Chris Dercon Ernst Pöppel (geb. 1940) hat seit 1976 den Lehrstuhl für Medizinische Psychologie an der Ludwig-Maximilians-Universität München inne. Seit 1997 leitet er dort als Geschäftsführender Vorstand das Humanwissenschaftliche Zentrum. Pöppel gilt als einer der führenden Neurowissenschaftler und Hirnforscher.
Am 2. November Konstantin Grcic: Unplugged Utopia mit einer Einführung von Chris Dercon Konstantin Grcic (geb. 1965) zählt zu den bedeutendsten Industriedesignern seiner Generation. Seit der Gründung seines Büros in München 1991 entwirft er für die führenden Designunternehmen Europas. Seine Produkte wurden vielfach ausgezeichnet, die Leuchte Mayday wurde in die permanente Sammlung des Museums of Modern Art in New York aufgenommen. 2001 erhielt er den renommierten Compasso d'Oro Award für Industriedesign in Italien. Im Rahmen der Ausstellung droog 10 - Zehn Jahre Droog Design von März bis Juni 2004 ist eine Zusammenarbeit zwischen Konstantin Grcic und dem Haus der Kunst geplant. Im Anschluss findet ein Gespräch zwischen Konstantin Grcic mit Chris Dercon statt.
Am 9. November Andreas Siekmann: Welcome to the side of …im Gespräch mit Angelika Nollert und Chris Dercon Der Künstler Andreas Siekmann (geb. 1961) lebt und arbeitet in Berlin. Auf der Documenta11 war er mit seiner etwa zweihundertteiligen Zeichnungsserie Aus: Gesellschaft mit beschränkter Haftung vertreten und auf der Biennale Venedig 2003 zeigt er seine Arbeit The Structure of Survival. 2002 nahm er an der Ausstellung Stories. Erzählstrukturen in der zeitgenössischen Kunst im Haus der Kunst teil. Zur Zeit arbeitet Andreas Siekmann an einem Großprojekt über Argentinien. Die Vorträge und ein umfangreiches Kinderprogramm zum Thema der Utopie erweitern das Ausstellungsprojekt. UTOPIA STATION wird unterstützt von der AFAA (Association Française Action Artistique), (ASEF) Asia-Europe Foundation, IASPIS (International Artists Studio Program in Stockholm), dem British Council und dem Kulturministerium der Slowakei.

julia wegat

 

   

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