

|
293
07|10|2003 |
besprechung
UTOPIA STATION Poster Project / UTOPIA STATION kuratiert
von Molly Nesbit, Hans Ulrich Obrist und Rirkrit Tiravanija
In Zusammenarbeit mit der Biennale Venedig 2003 und
dem museum in progress, Wien UTOPIA STATION Poster Project |
|
Die Welt ist
heute zu gefährlich für alles, was nicht Utopie ist," diesen Satz
stellen die Kuratoren Molly Nesbit, Hans Ulrich Obrist und Rirkrit
Tiravanija vor ihr variables, bewußt unvollendetes und strukturhaftes
UTOPIA Projekt.
Das Projekt ist eine Durchgangsstation, ein Treffpunkt, ein Ort für
Kontemplation, Kommunikation und - so liegt hoffend zugrunde - ein
Ort für die Entwicklung neuer Denkweisen, neuer Handlungsansätze und
Strategien, wenn möglich im Zusammen-Denken mit anderen. Die Utopie,
ein Konzept mit langer Geschichte und vielen Ideologien soll hier
einen Schritt auf die Menschen zugehen, benutzbar werden - als konkreter
Gedanke im Prozess materialisiert werden - oder, wie Obrist im Eingangsgespräch
am 21. 09. zitiert, "ihre Ideale nach unten schrauben, um machbar
zu werden"?? Kunst solle in einem Zusammenhang von Öffentlichkeit
entstehen, ohne deutlichen Auftrag, Kennzeichnung und ohne, dass Zusammenhänge
ausser Kraft gesetzt werden. Kunst sei Störung, Ergänzung einer existierenden
Situation in der Absicht diese Situation zu öffnen. So weit, so gut,
so richtig, so spannend formuliert Obrist an andere Stelle. Hier soll
nun also die Kunst (die hehre?) auf die Utopie einen Katalysatoreffekt
ausüben in dem in dem diese konkretisiert und individualisiert werden
kann. Zusätzlich zu allen Zweifeln am utopischen einer Utopie, wenn
einmal "konkretisiert", respektive verwirklicht - stellt sich dem
interessierten Betrachter die Frage warum sich des Vehikels Kunst
bedient wird, um diesen offen formulierten Ansatz zu verfolgen.- Vor
allem im Hinblick darauf, dass das Konzept hier, an dieser Stelle
den Anspruch hat - sehr konkret und verwirklichbar zu werden???
Könnte - und sollte - sich die UTOPIA - (Kunst??) Konzeption auch
in den Dienst von praktischer (wie auch immer grenzüberschreitendner)
Politik stellen dürfen? Es drängen sich Vergleiche auf an "Poster"
von John Heartfield und aktuell, Klaus Staeck, die ja durchaus diesen
Anspruch haben und hatten, am aktuellen (politischen ) Geschehen kritisch
teilzuhaben , zu beeinflußen und mitzuwirken. Oder "soziale Skulpturen"
à la Beuys? Gerne zitiere ich wieder Obrist, der an wiederum anderer
Stelle Dialoge und Synergien durch die Verzahnung von Kunst und der
gegebenen Funktionalität von Räumen zu erreichen beabsichtigt, wobei
das bestehende Display nicht ausser Kraft gesetzt werde, sondern durch
eine kaum wahrnehmbare Verschiebung neue Denk-Möglichkeiten zu erschließen
erlaube. Hier wird im Haus der Kunst nur die frühere "Ehrenhalle"
für diese Ausstellung geöffnet: Einst Symbol der nationalsozialistischen
Kunstideologie - als Gegenbild zur Utopie einer offenen Gesellschaft
- Verzahnung, Verschiebung?? Hoffentlich erfüllt sich die Vorgabe
des Konzeptes und neben den 160 Plakaten, den Vorträgen und Veranstaltungen
zum Thema Utopie entspinnen (...) sich rege Diskussionen und tatsächliche
neue Denkansätze!
|
|
|
|
In Venedig, zur
Biennale materialisierte sich die erste UTOPIA STATION, als Zusammenarbeit
verschiedener Künstler und Architekten. 160 internationale Künstler,
Designer, Architekten und Filmemacher wurden hier gebeten, Plakate
zum Thema der Utopie zu entwerfen.
Die Ergebnisse dieses Werkteils sind nun im Haus der Kunst zu sehen,
der zweiten UTOPIA STATION, dem UTOPIA STATION Poster Project - 160
Plakate u.a. von Javier Tellez, Jakob Kolding, Isaac Julien , Agnes
Varda, Hans-Peter Feldmann, John Baldessari, Matthew Barney, Douglas
Gordon, Hans Haacke, Thomas Hirschhorn, Rem Koolhaas, Bruce Mau, Florian
Pumhoesl, Andreas Slominski, Rosemarie Trockel. Annette Messager,
Asymptote, Diaz Moretti, Gabriel Kuri , Jay Chung, Kamin Lertchaiprasert,
(um nur einige zu nennen - ein vollständige Liste mit Bildbeiträgen
finden Sie unter: http://www.e-flux.com/projects/utopia/index.html
. Die Teilnehmer des Projekts UTOPIA STATION, das prinzipiell als
unabschließbar gilt, stammen aus aller Welt. Unter anderen wirken
mit: Ecke Bonk, Tacita Dean, Olafur Eliasson, Fischli/Weiss, Joseph
Grigely, Ilya Kabakov, Joep van Lieshout, Yoko Ono, Philippe Parreno,
Michelangelo Pistoletto, Christoph Schlingensief und Patti Smith.
Diese, zweite UTOPIA STATION begreift sich wiederum selbst als Übergangsstation,
weil sie Vorbereitung und Einleitung für eine dritte UTOPIA STATION
sein wird, die im Herbst 2004 im Haus der Kunst gezeigt werden wird.
Unterwegs stößt man auf Seminare, Begegnungen, Stationen, Poster,
Performances und Bücher.
|
|
|
|
Allsonntäglich
wird das Programm, ganz im Sinne einer diskursiven Duchgangsstation,
ergänzt. Die Veranstaltungen finden sonntags um 11 Uhr in den Räumen
des UTOPIA STATION Poster Projects statt. Am 21. September eröffnete
Rem Koolhaas (Fifteen Utopias) mit Chris Dercon und Hans Ulrich Obrist
Der Versuch wurde unternommen wird den Utopie-Gedanken inhaltlich
einzugrenzen und - wie Utopie an sich wahrscheinlich herausfordert,
sie auf ihre Machbarkeit hin zu überprüfen. Dass das utopische einer
Utopie verschwindet, wenn man den Versuch unternimmt, diese an der
Realität schrumpfend, zu verwirklichen, zeigen nicht nur realpolitische
Versuche, wie der des Kommunismus. Koolhaas (geb.1944), Pritzker-
und Praemium Imperiale-Preisträger beschreibt Bauwerke, vor allem
sowjetische aus der Zeit des Kommunismus, die symptomatisch, anhand
ihrer Planungen, Verwirklichung und auch am Zustand ihres Verfalls
die mit der Utopie verbundenen Vorstellungen, Wünsche und Wirklichkeiten
zeigen.
Am 28. September folgt Jochen Meister Der Bauch des Architekten
- der Nabel der Kunststadt mit einer Einführung von León Krempel.
Jochen Meister (geb.1967) studierte Kunstgeschichte in Berlin und
ist Autor zahlreicher Beiträge über zeitgenössische Künstler. Meister
arbeitet u. a. für die Bayerischen Staatsgemäldesammlungen und für
das Haus der Kunst, dessen Geschichte er seit zwei Jahren erforscht.
Am 5. Oktober Roger M. Buergel: Was ist eine Ausstellung? Mit
einer Einführung von Chris Dercon. Roger M. Buergel (geb. 1962) ist
freier Ausstellungsmacher und Autor zahlreicher Veröffentlichungen.
Für seine zum Teil provokanten, zum Teil konzeptionellen Ausstellungen
wurde er mit dem Walter Hopps Award for Curatorial Achievement ausgezeichnet.
Zur Zeit bereitet er mit Ruth Noack die Ausstellung Die Regierung
vor, die ab Winter 2003 u. a. im MACBA, Barcelona, und im Witte de
With, Rotterdam, zu sehen sein wird.
Am 12. Oktober Stephan Barbarino:Utopie braucht Heimat, mit
einer Einführung von León Krempel Der Theatermacher Stephan Barbarino
(geb. 1955) war 1991-1994 Intendant der Hamburger Kammerspiele. 1995-2000
verwirklichte er seine Idee vom Gesamtkunstwerk mit dem Musiktheater
für Ludwig II., den Königsschlössern gegenüber gelegen. Zwischen dem
eigens erbauten Theater und dem Konzeptkunstwerk Neuschwanstein im
Forggensee, realisiert er zur Zeit verschiedene Unter- und Überwasserwerke
von zeitgenössischen Künstlern.
Am 19. Oktober Ebru Özseçen Intervention mit einer Einführung
von Stephanie Rosenthal Ebru Özseçen (geb. 1971) studierte Kunst,
Innenarchitektur und Environmental Design in Ankara. 2001 hatte sie
ihre erste Einzelausstellung in New York in der Henry Urbach Architecture
Gallery, 2002 war sie Teilnehmerin der 25. Sa~o Paulo Biennale. In
diesem Jahr erhielt Özseçen das Couvent des Recollets-Stipendium (Paris).
Die Künstlerin lebt und arbeitet in München.
Am 26. Oktober Ernst Pöppel: Warum man von Utopie nicht sprechen
kann, sondern von Syntopie sprechen muss mit einer Einführung von
Chris Dercon Ernst Pöppel (geb. 1940) hat seit 1976 den Lehrstuhl
für Medizinische Psychologie an der Ludwig-Maximilians-Universität
München inne. Seit 1997 leitet er dort als Geschäftsführender Vorstand
das Humanwissenschaftliche Zentrum. Pöppel gilt als einer der führenden
Neurowissenschaftler und Hirnforscher.
Am 2. November Konstantin Grcic: Unplugged Utopia mit einer
Einführung von Chris Dercon Konstantin Grcic (geb. 1965) zählt zu
den bedeutendsten Industriedesignern seiner Generation. Seit der Gründung
seines Büros in München 1991 entwirft er für die führenden Designunternehmen
Europas. Seine Produkte wurden vielfach ausgezeichnet, die Leuchte
Mayday wurde in die permanente Sammlung des Museums of Modern Art
in New York aufgenommen. 2001 erhielt er den renommierten Compasso
d'Oro Award für Industriedesign in Italien. Im Rahmen der Ausstellung
droog 10 - Zehn Jahre Droog Design von März bis Juni 2004 ist eine
Zusammenarbeit zwischen Konstantin Grcic und dem Haus der Kunst geplant.
Im Anschluss findet ein Gespräch zwischen Konstantin Grcic mit Chris
Dercon statt.
Am 9. November Andreas Siekmann: Welcome to the side of …im
Gespräch mit Angelika Nollert und Chris Dercon Der Künstler Andreas
Siekmann (geb. 1961) lebt und arbeitet in Berlin. Auf der Documenta11
war er mit seiner etwa zweihundertteiligen Zeichnungsserie Aus: Gesellschaft
mit beschränkter Haftung vertreten und auf der Biennale Venedig 2003
zeigt er seine Arbeit The Structure of Survival. 2002 nahm er an der
Ausstellung Stories. Erzählstrukturen in der zeitgenössischen Kunst
im Haus der Kunst teil. Zur Zeit arbeitet Andreas Siekmann an einem
Großprojekt über Argentinien. Die Vorträge und ein umfangreiches Kinderprogramm
zum Thema der Utopie erweitern das Ausstellungsprojekt. UTOPIA STATION
wird unterstützt von der AFAA (Association Française Action Artistique),
(ASEF) Asia-Europe Foundation, IASPIS (International Artists Studio
Program in Stockholm), dem British Council und dem Kulturministerium
der Slowakei.
julia wegat
|
|


|

kunst in münchen
|

berichte, kommentare,
archiv |

kulturinformation
im internet |
|