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besprechung
snap me one! - afrikanische studiofotografie

snap me one!
-afrikanische Studiofotografie

eine ausstellung im Münchner Stadtmuseum

noch bis
10.01.1999

Ghana, Burkina Faso,Mali, Westsudan – weiße Flecken auf der geistigen Landkarte der meisten Mitteleuropäer. Landstriche, die, wenn überhaupt, mit Buschbränden, Bilharziose und Bürgerkriegen assoziiert werden. Daß man sich aus Ost- und Westafrika nicht nur die Schlafkrankheit, sondern auch Reisefieber 3. Grades holen kann, beweist die Ausstellung
"Snap me one," die noch bis zum 10. Januar im Münchner Stadtmuseum zu sehen ist.

Präsentiert wird hauptsächlich Studiofotografie: In den vorgestellten Ländern gibt es zwar tausende kleiner Fotostudios und Straßenfotografen, doch nur wenige Bildjournalisten oder Werbefotografen.
So blieb es in den letzten Jahrzehnten fast ausschließlich den Studiofotografen überlassen, Afrikas Alltag und seine gesellschaftliche Entwicklungen zu dokumentieren, wobei die Grenze zwischen Auftragswerken und politischer Dokumentation oft fließend ist - wie zum Beispiel bei dem Ghanaer James K. Bruce Vanderpuye , einem der ältesten der hier gezeigten Künstler: Ende der vierziger Jahre, als sich in Ghana eine nationale Bewegung zu formieren begann, die für die Unabhängigkeit des Landes kämpfte, hielt es Vanderpuye nicht mehr in den eigenen vier Studiowänden aus und mischte sich unter die Leute. Er fotografierte Parteitage, Kundgebungen, Jugendliche in Straßencafés, Soldaten, Wartende auf Busbahnhöfen, und hielt so die Euphorie der 50er Jahre und 60er Jahre fest, aber auch die bald nach der Unabhängigkeitserklärung von 1957 beginnende Skepsis und Enttäuschung über die politische und wirtschaftliche Entwicklung des Landes.
Ghana, einst das reichste Land Afrikas ("Goldküste"), zählt mittlerweile zu den ärmste Regionen des Kontinents.

Weitere Vertreter aus Augustts Generation sind Cornelius Yao Azaglo Augustt, der über Jahrzehnte hinweg fast die gesamte Einwohnerschaft der ghanaesischen Stadt Korhogo portraitierte, und Abdouramane Sakaly, der Mitte der 50er Jahre aus dem Senegal in den Sahelstaat Mali kam, und dessen Werk ihn durch Umfang und Modernität zu einem der bedeutendsten Künstler des Landes machte. In Ostafrika experimentierte ungefähr zur gleichen Zeit Omar Said Bakor mit Techniken der Fotomontage und bastelte mit deren Hilfe glückliche Junggesellen an den Busen ihrer Lieblingsschauspielerinnen.
Naryander V. Parekh, Sohn indischer Einwanderer in Mombasa, ließ sich ebenfalls von der Bilderwelt Holly- und Bollywoods inspirieren und arrangierte Liebespaare als Moviestars.

Die nächste Fotografen-Generation, in "Snap me one" unter anderem vertreten durch Philip Kwame Apagya aus Ghana und dem kenianischen Kollektiv "Likoni Ferry Fotographers", setzt die Tradition fort, Bilder durch hyper- oder surreale Komponenten zu bereichern und mit ihnen Nachrichten wie "Mir gehts prima in der Fremde" oder "Bin reich, heirate mich" zu vermitteln: Apagya hat sich auf handgemalte Bildhintergründe spezialisiert und fotografiert seine Kunden so vor offenen, mit Bier und Mangos gefüllten Kühlschränken, vor der mit prestigefördernder Unterhaltungselektronik bestückten Schrankwand oder auf der Gangway eines Flugzeugs. Die Likoni Ferry Fotographers durchkämmen Mombasa nach immer neuen Requisiten wie Plastikblumen, Sofas, Schildern, Girlanden und Postern, aus denen sie sie bunte Environments für ihre Bilder zaubern.

Leider muß sich "Snap me one" aus verschiedenen guten Gründen (Umfang, vorliegendes Archivmaterial, ...) auf die genannten Regionen beschränken, bietet aber dennoch zusammen mit dem umfangreichen Katalog und dem in der Ausstellung gezeigten Dokumentarfilm "Future Remembrance" einen leckeren Happen für den bildungshungrigen Nachwuchsethnologen.

 

Kathrin Herwig



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