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magazin



 
besprechung
kuchen für die toten

ryan mendoza - sean scully

eine ausstellung in der
Galerie Bernd Klüser
von 10.09.1999
bis 27.11.1999

In großformatigen Ölbildern kombiniert Ryan Mendoza eine fulminante Malweise mit transparenten, oft widersprüchlichen Bildebenen und fordert so sein Publikum zu einer spannenden, aber auch oft irritierenden Auseinandersetzung mit seiner Kunst heraus.

Er sei ein gescheiterter Schriftsteller, sagte Ryan Mendoza kürzlich in einem Interview über sich selbst und fügte hinzu, daß er es daher bevorzuge, sich in Bildern auszudrücken. Nun hat der 28jährige Amerikaner tatsächlich etwas mit der Literatur zu tun ­ sein Vater, George Mendoza, ist ein bekannter Schriftsteller und er selbst hat einige Zeit Literaturwissenschaft studiert, bevor er sich der Malerei zuwandte. Als Heranwachsender im New York der 80er Jahre war Mendoza Zeuge des schwindelerregenden Erfolges von Graffiti-Künstlern wie Keith Haring und Jean-Michel Basquiat, wobei speziell Basquiats obsessive Verschränkung von kruden, an die Art Brut angelehnten Strichmännchen mit geschriebenen Textfetzen richtungsweisend auf den späteren Künstler einwirkte. Einen ebenso nachhaltigen Einfluß hatten die Maler des amerikanischen Neo-Expressionismus auf Mendozas Arbeit, insbesondere David Salles weibliche Akte, die mit abstrakt-expressionistischen Formen und Zitaten der klassischen Malerei überlagert waren.

Nach anfänglichen Studien in St. Louis hatte der angehende Künstler sein Heimatland gründlich satt; angewidert von dem bigotten Puritanismus, dem hohlen Patriotismus, der Konsumwelt und überhaupt nicht willens, im Schatten seines berühmten Vaters zu leben, setzte Mendoza sein Studium erst in Paris und dann in Rom fort, um schließlich in Neapel ein ideales Arbeitsklima zu finden. Davor hatte er für eine Weile ausschließlich in Schwarz und Weiß gemalt, erweiterte aber bald seine Palette und fand zu dem Stil,der ihm rasch zu Erfolgen verhalf und auch eine so renommierte Galerie wie die von Bernd Klüser veranlaßte, ihn in ihr Programm aufzunehmen und nun anläßlich der Open Art vorzustellen.

   
narratives in mendozas werken



Mendoza geht stets von teils privaten, teils den verschiedenen Medien entnommenen Portraitphotos aus, legt ein zentrales Motiv an, um das er ein oder mehrere Sekundärmotive gruppiert. Auf einer zweiten Bildebene überlagern graffitiartige Zeichen oder Textfetzen die meist fragmentierten und anonym bleibenden Bildnisse und machen damit zunächst eine kohärente Rezeption des Gemäldes unmöglich. Wie bei Basquiat oder Salle ist auch hier das Auge gezwungen, das Bild nacheinander inhaltlich und formal wahrzunehmen, zwischen den furios-expressiv gemalten Bildelemnten und den in unbeholfener, infantil wirkender Handschrift formulierten Sprachfragmenten hin- und her zu springen. Anders als seine Vorbilder setzt der Amerikaner jedoch den Schwerpunkt auf Pinselduktus und Farbauftrag, auf seine extrem ausdrucksstarke Maltechnik, die sich vor Sujet und Bildmitteilung drängt. Doch trotz aller vordergründigen Malerei um ihrer selbst willen und Mendozas Verneinung einer narrativen Dimension in seinen Werken müßte man blind sein, um die erzählerische, eine Bildaussage suggerierende Komponente zu übersehen. Allzu oft taucht das Portrait Abraham Lincolns oder anderer symbolträchtiger historischer Persönlichkeiten in seinem 'uvre auf, zu sehr scheint der Künstler von Prostituierten (meist ohne Kopf) fasziniert zu sein und immer wieder zeichnet er Relikte der Kindheit, erwähnt Vater und Mutter oder verwendet die gleichen Ansichten von jenen Häusern des amerikanischen Mittelstandes, die auch sein zuhause waren, ganz zu schweigen von den Lautmalereien und Wortspielen, die Mendozas großformatigen Leinwände sowohl bedecken als auch betiteln. Solche Anspielungen und Mehrdeutigkeiten verstärken natürlich die Attraktion, die von seinen Bildern ausgeht ­ die irritierende Unmöglichkeit einer linearen Bildentschlüsselung und die Spekulationen darüber machen gerade die Stärke dieser Arbeiten aus, abgesehen ­ und das muß man immer wieder betonen ­ der fulminanten Maltechnik, die dem Betrachter zuallererst ins Auge springt.

   

impulse aus münchen



Nun ist der ruhelose Amerikaner mit dem irischen Vor- und dem spanischen Nachnamen zum erstenmal im deutschsprachigen Raum zu sehen; daß es gerade in München sein soll, sicherlich auch damit etwas zu tun, daß Mendoza seit kurzem hier seinen Wohnsitz hat. Ob die betuliche Isarmetropole ähnlich befreiend auf ihn wirken wird wie das pulsierende Neapel, darauf kann man gespannt sein.

armin mühsam



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