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besprechung
zurück zum herd - rosemarie trockel im kunstbau

rosemarie trockel

- anläßlich des kunstpreises der kulturstiftung der stadtsparkasse münchen

eine ausstellung im kunstbau
von 27.05.2000 bis 20.08.2000

Die Ausstellung "Rosemarie Trockel", die zur Zeit anläßlich der Verleihung des Kunstpreises München im Kunstbau des Lenbachhauses zu sehen ist, zeigt sämtliche medialen Facetten, mit denen ein Künstler arbeiten kann. Trockel hat für ihre Ausstellung neben ihren großformatigen Kochplattenbildern eigene Installationen, Kurzfilme und Diaprojektionen aus- sowie eine Auswahl von Kinofilmen zusammengestellt. Aber trotz - oder gerade wegen - dieser medialen Vielfalt läßt sich ein roter Faden in Trockels Werk erst in ihren Zeichnungen erkennen.

Im hinteren, abgetrennten und abgedunkeltem Raum der Ausstellung durchlaufen 80 Zeichnungen in schneller Abfolge ein Diakarussell. Die Zeichnungen, obwohl zumeist in der Technik Bleistift auf Papier gemalt, widersetzen sich durch ihre Projektion auf die Wand jeder haptischen Wahrnehmung. Wer eine Zeichnung eingehender betrachten will, muß den zweiten Durchlauf des Karussells abwarten und selbst dann hat man nicht mehr als ein paar Sekunden Zeit. Dabei sind die Zeichnungen für sich auch nicht auf eine lange Betrachtung angelegt, sondern es ist gerade der Schnelldurchlauf, der Trockels Vorgehensweise verdeutlicht: Ein Thema, viele Ausdrucksformen! Die immer wiederkehrende Herdplatte zieht sich als Sinnbild durch den Durchlauf. Der Herd als Metapher für die Hausfrau, für das Kochen aber auch für zivilisiertes Essen taucht in immer neuen Variationen in den teils witzigen, teils grausam-melancholischen Skizzen auf. Eine Zeichnung kann Trockels Ansatz besonders deutlich machen: In schnellen, skizzenhaften Zügen sind vier Herdplatten aufs Papier gebracht, daneben, eine Frau, in deren Umrissen sich die kreisrunden Formen als Brüste wiederfinden. Das einfache Kreissymbol ist nicht nur negatives Erkennungsmerkmal einer biederen Köchin, sondern gehört auch zu den sinnlichen Eigenschaften der Frau schlechthin. Auch die anderen Zeichnungen bewegen sich häufig zwischen den Polen reiner Sinnesfreude und dem negativ konnotierten Bild der an den Herd gebundenen Hausfrau.

der herd als sinnliches symbol


Trockel hat in den letzten Jahren eine ganz eigene Symbolsprache aufgebaut, die man auch als private Mythologie des Post-Feminismus bezeichnen könnte. Mal witzig-amüsant, mal zynisch-böse spielt sie mit Rollenbildern und Klischees. Dem - männerdominierten - Minimalismus setzt sie etwa ihre Herdplattenbilder entgegen: groß, kräftig, dominant, aber eben aus Herdplatten bestehend, karikieren diese häuslichen Tafelbilder abstrakte Kompositionen. Hier wird nicht nur - mit einem verschmitzten Lächeln - der minimalistischen Formensprache gehuldigt, sondern auch der Frau, dessen häusliches Attribut schlicht zur abstrakten Kunst erklärt wird. Allerdings können nicht alle Arbeiten Trockels so überzeugen: Großformatige Fotoprints zeigen die Herdplatten in verschiedenen Kontexten, etwa als zerstörte Filmküche in idyllischer Natur oder als Zivilisationsmüll in einer Schneelandschaft. Zu plump der Hinweis auf das häusliche Relikt, denn auch ein großes Format kann nicht von inhaltlicher Leere ablenken.



Auch das Spiel mit verschiedenen Wahrnehmungsebenen (gern gebrauchtes Wort des neuen Jahrtausends) wirkt bisweilen etwas verkrampft: Um ihre eigenen Videos zu präsentieren, hat Trockel eine kreisrunde, große Platte auf dem Boden montiert, die sich im Schneckentempo dreht. Der Betrachter kann auf die mit Karostoff bezogene Platte steigen und sich langsam drehend die Filme betrachten. Allerdings ist es eine Illusion, zu glauben, daß sich die Wahrnehmung durch die Drehbewegung verändert. Vielmehr ist es das unwohle Gefühl, sich in einer Ausstellung seiner Schuhe entledigen zu müssen, welches haften bleibt.

Neu beschuht, und mit unveränderter Wahrnehmung kann man die kleine Empore hinaufsteigen und im Videoraum des Kunstbaus eine Auswahl an Spielfilmen sehen, die Trockel eigens für die Ausstellung ausgewählt hat. Erfrischend zu sehen, wie etwa Billy Wilder mit dem Bild der Frau umgeht; da braucht es weder schnelle Bilder noch drehende Standflächen, um sich des kleinen Unterschieds zwischen Mann und Frau und ihrer jeweils so anders gearteten Wahrnehmung bewußt zu werden!

christine walter



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