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magazin



 
besprechung
von profis und bildern
die vierte photoausstellung der vereinten versicherung professionelle fotografie


von 27.04.1999 bis 18.06.1999

Was unterscheidet einen Heimwerker von einem Handwerker? Was den Amateur vom Profi? Unterstellt man dem ersten Leistung durch Leidenschaft, dem zweiten aber Leistung für Gegenleistung, wird man doch beiden nicht gerecht. Man sage dem Leidenschaftlichen, er hätte nicht das Zeug zum Profi, dem Profi spreche man die Leidenschaft ab... einstimmige Entrüstung wäre die Folge.

Der Titel der Ausstellung in der Vereinten Versicherung „Professionelle Fotografie“ könnte daher als Reizwort gelten. Tatsächlich nennt Hubertus Hamm seine Arbeiten schlichtweg „Gebrauchsphotographie“. Im Auftrag zu Werbezwecken erstellt, bezahlt, gedruckt, vergessen? Aber warum hängen sie dann plötzlich im Rahmen an der Wand? Sie sind nicht erst jetzt Bild geworden, sondern schon immer gewesen, deshalb hängen sie da. Aus diesem Grund ist es auch müßig zu differenzieren, zwischen amateurhaft und professionell, zwischen Kunst und Anwendung. Oder sogar im Gegenteil, gerade professionelle Bilder müssen stärker unter die Lupe genommen werden, denn mit ihnen trifft Mensch ständig zusammen, sei es mit der Plakatwand in der U-Bahn, sei es beim Durchblättern von Zeitschriften. Bilder wirken immer direkt, man kann ihre Kenntnisnahme nicht unterdrücken. Sie dienen als Orientierungspunkte, örtlich wie ideell.




Anlaß genug, sie auszustellen, außerhalb ihres ursprünglichen Kontextes, um auf sie zu fokussieren. Da wird schnell deutlich: Der Photographie geht immer die Inszenierung voran, gerade bei Profis. Um in Szene zu setzten, benötigt der Photograph eine Bildidee, er arbeitet ein Konzept aus – und schöpft zu diesem Zwecke aus dem kulturellen Bilderschatz, aus der Kunstgeschichte. Auch auf diesem Weg kommt die Kunst wieder ins Bild. Was die Notwendigkeit deutlich macht, jegliche Bilder einer näheren Inspizierung für Wert zu befinden. Beispielsweise die Schwarzweißaufnahmen von Ben Oyne, dem offensichtlichen Favorit der Betrachter. Er unterhält mit seinen irrwitzigen Szenen, wenn z.B. die Hausfrau von ihrem rasenden Einkaufswagen in die Luft geschleudert wird. Die Verbindung zur Knäckebrotreklame ist hier ebenso gegeben, weil Anlaß, wie zur anerkannten Photographie der Blumes, weil Inspiration. Die klassische Schwarzweißphotographie, die das Wesen der Dinge an ihrer Oberfläche zu konzentrieren vermochte, hat hingegen auf Kai-Uwe Gundlach und auf Peter Hönemann gewirkt. Beide wecken mit ihrer Anknüpfung Assoziationen, die weit über das Bild hinausgehen. Wenn Walter Schels dem Porträt des Dalai Lamas den Kopf eines Elefanten zur Seite stellt, macht er damit nicht an der Oberfläche der Darstellung halt. Bert Brüggemanns preisgekröntes Bild „Hanna zappt“ und auch Gerhilde Skobernes „Drei“ sehen aus wie Film Stills und sind es auch – dadurch daß sich die vorhergehende und die folgende Szenerie im Kopfe des Betrachters abspielt. Uwe Christian Düttmann, Christin Losta, Manfred Riecker und Bernhardt Brill greifen mit photographischen Mitteln Objekte, Kleider, Menschen und Autos so isoliert aus ihrem gewöhnlichen Kontext heraus, daß sie innerhalb des Bildgevierts zu etwas ganz anderem werden; auf ihren realen Referenten sind sie nicht mehr rückführbar. Hans Hansen begeht den umgekehrten Weg. Indem er biologische Demonstrationsobjekte wie Kleinodien umschmeichelt, schafft er mit ihnen Bilder, die es vorher so nicht gab.
Photographien Peter Keetmans dem zur Seite gestellt, machen die Schau schon fast übervoll. Aber seine Aufnahmen aus dem VW-Werk aus den sechziger Jahre machen unverkennbar, daß es auch in der Photographie eine stilistische Ahnenschaft gibt, die die Werke der Jüngeren immer wieder bereichert, die Werke der Alten wertvoll macht und den Motivschatz generell anreichert.

milena greif

   


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