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besprechung
der schöpfer

picasso und die photographie

eine ausstellung des Fotomuseum des Münchner Stadtmuseums

"Ein Genie wird entmythifiziert: Picasso malte nach der Photographie!" Kaum zu glauben, doch diese Kritik wurde 1994 in Paris laut, als erstmals Picassos enge Beziehung zur Photographie vorgestellt wurde. Der Künstler des 20. Jahrhunderts, der durch seine unbändige Schaffenskraft Malerei und Bildhauerei revolutionierte, sollte photographische Vorlagen umgesetzt haben?
Es hat lange gedauert, bis die Kunstwissenschaft die Photographie für betrachtungswürdig erklärte. Bezeichnenderweise war es dabei die wechselseitige Beziehung zwischen Malerei und dem 'neuen' Bildmedium, die im Zentrum des Interesses stand. Dabei wurde jedoch meist der Standpunkt vertreten, es sei entweder gegen die Photographie gemalt oder gegen die klassische Malerei photographiert worden. Die Kunstwürdigkeit der Photographie sollte im Rahmen dieser Fragestellung genauso bewiesen werden, wie die ungeschwächte Bedeutung der Malerei. Daß für einen Künstler jedoch andere Kriterien zählen, das vermittelt die Ausstellung im Stadtmuseum eindrucksvoll.

Es ist so offensichtlich wie banal: Auch Pablo Picasso hat die Photographie als Motivquelle benutzt, hat sich durch sie inspirieren lassen. Der Teil der Ausstellung, der vergleichende Beispiele von vermeindlicher Vorlage und künstlerischer Umsetzung dokumentiert, ist auf den ersten Blick auch somit der langweiligste.
Die Postkarten von afrikanischen Eingeborenen sind jedoch auf eine ganz besondere Art aufschlußreich. Für den Künstler fungierten die Aufnahmen der nackten Eingeborenen quasi als archaische 'Modelle', die er auf seiner Suche nach der reinen, 'primitiven' Form gebrauchte. Ihn mag nicht interessiert haben, daß diese Aufnahmen den touristischen (imperialistischen) Blickwinkel auf die exotischen Dinge einnehmen, denn es ist der westlich, 'zivilisierte' Photograph (und Betrachter), für den die Menschen hier posieren.

Auch die Künstlerselbstdarstellungen erscheinen ob ihrer Direktheit weniger spannend. Häufig inszeniert sich Picasso, mal als kraftstrotzender Potenzling, mal als halbseidener Intellektueller. Was uns an diesen Aufnahmen fasziniert, resultiert vor allem aus unserem Bedürfnis, den Menschen Picasso zu ergründen. Von vergleichbarer Neugier geprägt, ist auch unser Blick auf die Lichtbilder, die den Entstehungsprozeß seiner Werke dokumentieren. Dieses ist auch insofern interessant, da hier der Photoapparat dem Künstler dazu diente, eine Distanz zwischen sich und dem Werk aufzubauen. Schon in der Renaissance empfahl man das 'Spiegelurteil', um so die Wirkung des Bildes 'objektiver' beurteilen zu können. Den Spiegel ersetzte hier die Photographie.

Es ist so offensichtlich wie banal: Auch Pablo Picasso hat die Photographie als Motivquelle benutzt, hat sich durch sie inspirieren lassen. Der Teil der Ausstellung, der vergleichende Beispiele von vermeindlicher Vorlage und künstlerischer Umsetzung dokumentiert, ist auf den ersten Blick auch somit der langweiligste.
Die Postkarten von afrikanischen Eingeborenen sind jedoch auf eine ganz besondere Art aufschlußreich. Für den Künstler fungierten die Aufnahmen der nackten Eingeborenen quasi als archaische 'Modelle', die er auf seiner Suche nach der reinen, 'primitiven' Form gebrauchte. Ihn mag nicht interessiert haben, daß diese Aufnahmen den touristischen (imperialistischen) Blickwinkel auf die exotischen Dinge einnehmen, denn es ist der westlich, 'zivilisierte' Photograph (und Betrachter), für den die Menschen hier posieren.

Auch die Künstlerselbstdarstellungen erscheinen ob ihrer Direktheit weniger spannend. Häufig inszeniert sich Picasso, mal als kraftstrotzender Potenzling, mal als halbseidener Intellektueller. Was uns an diesen Aufnahmen fasziniert, resultiert vor allem aus unserem Bedürfnis, den Menschen Picasso zu ergründen. Doch: "die Photographie lügt". Diese Auffassung teilte Picasso mit Rodin, der dennoch vergleichbar intensiv mit dem Medium experimentierte. Von vergleichbarer Neugier geprägt, ist auch unser Blick auf die Lichtbilder, die den Entstehungsprozeß seiner Werke dokumentieren. Dieses ist auch insofern interessant, da hier der Photoapparat dem Künstler dazu diente, eine Distanz zwischen sich und dem Werk aufzubauen. Schon in der Renaissance empfahl man das 'Spiegelurteil', um so die Wirkung des Bildes 'objektiver' beurteilen zu können. Den Spiegel ersetzte hier die Photographie.
Über Picassos Verhältnis zur Photographie lernen wir hier jedoch auch noch nichts Entscheidendes, auch wenn er oftmals selbst hinter der Kamera steht. Erst mit seinen photographischen Experimenten wird sein Interesse an dem Medium mehr und mehr deutlich, und das nicht nur weil es durch 'Verfremdungstechniken' einen 'Kunstcharakter' bekommt. Picasso beschneidet Negative, zeichnet auf Abzüge und kombiniert photographische und druckgraphische Techniken. Eindrucksvoll gestaltet er seine Bildräume, und mehr und mehr wird deutlich, daß er die Photographie als künstlerisches Ausdrucksmittel mit ganz spezifischen Qualitäten versteht. Er spielt mit dem Trug, dem das Auge zum Opfer fällt, wenn es hinter dem Bild einen Realraum vermutet; der klassische Gegensatz von Motiv und Hintergrund wird aufgehoben. Es verschwimmen die Realitätsebenen, die räumlichen und zeitlichen Koordinaten. Seine photographischen Arbeiten vermitteln die gleiche nicht zu bremsende kreative Energie wie seine Zeichnungen, Gemälde oder Skulpturen, sofern man sich von dem klassischen Vorurteil freimacht, die Photographie könne nur als Hilfsmittel gedient haben. Mit dieser Einsicht kann man sich dann auch getrost nochmals den eben kritisierten Aufnahmen zuwenden, um sie aus neuem Blickwinkel zu betrachten und den schöpferischen Geist Picassos auch hier zu entdecken.

Im Archiv des Musée Picasso schlummern ca. 17.000 Photodokumente. Eine ungeheure Sammlung, die für den schöpferischen und allumfassend interessierten Geist Pablo Picassos spricht und die für die kommenden Jahre noch weitere spannende Entdeckungen erhoffen läßt.

Christian Schoen



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