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besprechung
lügende polizisten - digitale fotografien von petra karadimas

petra karadimas

eine ausstellung in der
galerie im osramhaus
von 23.01. bis 22.03.2002

 

Man sollte eigentlich annehmen, dass der Wettstreit, der paragone zwischen Fotografie und Malerei längst ad acta gelegt wurde. Welche der beiden Künste die Wirklichkeit nun genauer abbilde, ist längst in beiden Disziplinen kein Thema mehr. Denn dass ein Foto die Wirklichkeit festzuhalten vermag, von dieser kindlichen Vorstellung hat man sich in dem Moment verabschiedet, als die Bilder das Laufen lernten. Und das ist schon lange her. Und dennoch wirft das Konzept von Christian Schön, dem Leiter der Galerie im Osramhaus, Aspekte auf, die dem zumeist aus dem heimischen Werk stammenden Besuchern zum Nachdenken anregen können. Konsequent verfolgt Schön sein Konzept und stellt nun zum wiederholten Male Bilder aus, die Explizit den Grenzbereich zwischen Malerei und Fotografie ausleuchten. So sind seit einigen Tagen Arbeiten von Petra Karadimas in den aufgrund ihrer eigenwilligen Inneneinrichtung sich übermäßig aufdringlich gebenden Räumen der Galerie im Osramhaus zu sehen.

   

"Die Photographie lügt" wusste schon Rodin, und bei Petra Karadimas lügt sie wie gedruckt. Die 1967 in Stuttgart geborene Künstlerin beschäftigt sich seit ihrer Studienzeit in New York mit digital manipulierter Fotografie. In einer Ausstellung in der Galerie im Osramhaus zeigt sie Arbeiten, die auf Schnappschussfotografie von Menschen in Straßen, Parks oder am Strand basieren. Diese Fotos, falls nicht bereits digital aufgenommen, werden gescannt, und es wird ein Bildausschnitt bestimmt. In einem zweiten Schritt unternimmt sie dann eine minutiöse Bearbeitung der Bildstruktur. Sie verändert stellenweise die Textur der Bildobjekte und führt verwischte, malerische Effekte à la Richter für einige der Bildbereiche ein. In anderen Partien behält sie die Schärfen der fotografischen Aufnahme bei, gelegentlich löscht sie aber auch ganze Bildhintergründe aus und setzt monochrome Farbflächen an ihre Stelle. Zum Schluss belichtet sie das Endprodukt wieder auf Fotopapier aus. Verwirrend für den Betrachter sind die Ungleichmäßigkeit in der Behandlung der Bildoberfläche, sie machen es ihm schwer zu entscheiden, was er da vor sich hat: Malerei oder Fotografie. Doch gerade diese schwebende Unwegbarkeit ist es, die die Qualität ihrer Arbeiten ausmacht. Bei einigen Sujets, wie dem "Strandbad" kann sich Petra Karadimis die Anspielungen an die Kunstgeschichte, in diesem Fall Seurats "Après-Midi" nicht verkneifen, ein wenig trendy wirken auch die Kirmesmotive. Sehr gelungen sind aber ihre Polizistenbilder, die sie sowohl zu Fuß aus auch beritten im Angebot hat.

   



Aber wozu das Ganze, frägt man sich. Allein der Materialreiz kann es nicht sein, ist man heutzutage solches schon bis zum Überdruss gewohnt. Würde es sich noch um gemalte Bilder handeln, könnte man wenigsten die Kunstfertigkeit des Produzenten bewundern. Aber ein im Computer manipuliertes Bild ist nun wirklich nicht neu. Und dennoch weisen Petra Karadimas Arbeiten einen gewissen Reiz auf. Denn gerade dass hier mit den klassischen Kontrahenten Fotografie und Malerei gespielt wird, lässt beider Bezug zu der sogenannten Wirklichkeit in den Vordergrund treten. Welche der beiden Künste näher sich der Wirklichkeit aufrichtiger, welche zeigt ein authentischeres Bild von dem, was ist? Ist es die Fotografie mir ihrer angeblich so gnadenlos objektiven Optik oder ist es der subjektive Blick, eingefroren in der Geste des Produzierenden? Dieser Dualismus zwischen Subjektiv und Objektiv ist es, der in Karadimas Bildern den totalitären Anspruch der allgemein für gültig angenommenen Wirklichkeit aufsprengt. Eine Antwort auf die Frage, was denn nun eigentlich Wirklichkeit ist, bietet Karadimas natürlich nicht. Das war wohl auch nicht ihr Ziel. Dafür verweisen ihre Arbeit auf die Fragilität unseres Wirklichkeitsbegriffes.

alescha birkenholz & nina zimmer



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