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312 29|03|2004
besprechung
olaf martens - masken und fassaden
galerie f 5;6

 

! Achtung: Zusätzliche Abendveranstaltung mit Olaf Martens persönlich bei Edmeiers Art am 1. April 2004 um 18:00 im U-Bahnhof Odensplatz im Zwischengeschoss.

 

hoffnung osten
Die Entdeckung des Ostens ist spätestens seit Herbst letzten Jahres in aller Munde; genau genommen seit der Frankfurter Buchmesse, bei der eine Unzahl an Büchern präsentiert wurden, die um das Thema Osten kreisen. Ja der Osten, märchenhaftes Land Dostojewskis, ewig verschlossen, neu entdeckt und heute wahrscheinlich mehr denn je hoffnungsvolles Land einer in der Stagnation befangenen Westkultur. Olaf Martens, Jahrgang 1963, wird sicherlich nicht ein solches Bild vom Osten in sich tragen. In Halle geboren, in der ehemaligen DDR zur Schule gegangen, in Leipzig ausgebildet, ist er - man kann es ruhig so sagen - durch und durch deutsch-sozialistisch aufgewachsen. Aber ist das wichtig? Ein Gang durch die Galerie f5;6 wird diese Frage sicherlich beantworten und vielleicht trägt auch diese Frage dazu bei, Unklarheiten aus den Weg zu räumen.
   

kunstfotos?


Betritt man unvoreingenommen die Ausstellung "Masken und Fassaden" auf der Ludwigstraße, so wird man sich fragen, mit was für einer Art von Fotografie man es hier zu tun hat. Man wird nach Kategorien suchen, die es erlauben, die ausgestellten Exponate einzuordnen und zu bewerten. Handelt es sich um Reportagefotos oder um verklemmt Aktaufnahmen, sind das Fashionfotos oder Kunstfotos? Überhaupt Kunstfotos? Was sind Kunstfotos? Ist ein später Newton ein Aktfoto oder ein Kunstfoto? Sind die Arbeiten von Lachapelle kommerzielle Fotos oder Kunstfotos? Ist ein Modefoto von Mapplethorpe ein Modefoto oder ein Kunstfoto? Lapidar könnte man hierauf antworten: das hängt davon ab, in welchem Kontext das Foto zusehen ist, gebraucht wird. Das solche Antworten nicht befriedigend sind, haben bereits Philosophen wie Quine und Goodman hinlänglich gezeigt. So gesehen wird man Olaf Martens' Fotografien am ehesten als Fashionfotos qualifizieren. Doch da taucht bereits das erste Problem auf: Es gibt nahezu kein einziges Bild, bei dem ein geübtes Auge nicht mindestens eine Nachlässigkeit entdecken würde, die im Bereich dieser hohen Kunst (und das ist sie tatsächlich) zu akzeptieren wäre. Man mag wiederum einwenden, dass es Fashionfotografen gibt, die ganz bewußt mit solchen Brüchen arbeiten. Aber handelt es sich bei Olaf Martens um wirklich bewußt eingesetzte Brüche?

   

norm und form

Was man mit Bestimmtheit sagen kann ist, dass Olaf Martens schlicht und ergreifend viel zu lange fotografiert, um schlecht zu fotografieren. Ist es nicht vielmehr so, dass wir alles nach westlichen Klischees beurteilen? Alles was wir sehen, beurteilen wir nach westlichen Standards. Sei es die verflucht schlechte Kampagne einer schwedischen Modekette, die letzten Jahres mit der "Neuen Armut" Werbung machte, sei es eine Jeansfirma, die dieses Jahr die Anti-Form in der Anti-Ästhetik furchtbar dilettantisch anmutenden Fotografien sucht. Sofort vermutet man marktstrategische Manipulationen, die sich binnen kurzer Zeit als werbetechnische Kalküle feinster Machart zu erkennen geben. Das alles ist aber nur zu sehen, wenn man mit den Augen eines Wessis sieht. Ein Asiate würde dies wahrscheinlich nicht so wahrnehmen.

   

neue sicht

Vielleicht ergeht es ja uns wie dem Asiaten, wenn wir die Bilder von Olaf Martens betrachten. Vielleicht liegt hier eine Bildsprache vor, deren Urformen im ehemaligen sozialistischen Deutschland geprägt wurden, die wir nicht so leicht verstehen. Dem im westlichen Sinne gestylten Bild, dessen Perfektion am Computer vollendet wird, steht ein Bild mit Formfehlern gegen über. Einem coolen Bildaufbau, dessen Bildsprache reduziert ist, steht ein eigenwillig nüchterner Blickwinkel entgegen. Statt in ein charmantes Licht stellt Martens seine Modelle in ein absolut undramatisches Licht. Martens macht irgendwie alles anders, obwohl er sich gängiger Sujets bedient: leicht bekleidete Mädchen in prunkvoller Umgebung, nacktes Fleisch gegen kalten Stahl, Varietédarstellerinnen in festlicher Umgebung. Doch seine Herangehensweise an diese Sujets ist derart unüblich, dass sie einen zwingt, alt bekanntes neu zu entdecken. Die Ausstellung "Masken und Fassaden" in der Galerie f 5;6 ist absolut sehenswert: nicht nur weil hier mit den gängigen Kategorien von Fashionfotos und Kunstfotos eine Art Katz und Maus Spiel betrieben wird, nicht nur weil mit standardisierte Wertvorstellungen gebrochen wird, sondern vor allem weil sie Fragen aufwirft, die zum Nachdenken anregen - und nicht nur dazu.

birkenholz

   


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