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269 11|03|2003

besprechung
sonne statt regen
olafur eliasson im kunstbau des lenbachhauses

sonne statt regen

eine ausstellung im
kunstbau des lenbachhauses
von 08.03.2003 bis 15.06.2003

Mein Nebensitzer meinte, man könne doch die reine Natur nirgendwo mehr in vollkommener Ergriffenheit genießen, weil einem alles durch Film und Abbild so geläufig wäre, dass das "Original" zu keinerlei originärer Ergriffenheit mehr verlocke! Das Gegenteil scheint bei Olafur Eliassons Lichtinstallation im Kunstbau der Punkt zu sein: Die Ergriffenheit wohl transponiert, läßt das "Original" vergebens auf sich warten. Ist nicht überhaupt die Frage nach den Originalen und der Originalität diejenige, die die imponierende, berührende Lichtinstallation aufwirft? Die Ergriffenheit, das Berührtsein im bekannten romantischen Sinne voraussetzen, kann diese Installation sich mit der Frage nach Mittel / Medium und Aussage auseinandersetzen. Was also geschieht, wenn einer ein Naturphänomen aus seinem Zusammenhang löst und in einen Kunstraum transponiert, ohne dieses dabei zu zitieren und ursprüngliche - Original-Zusammenhänge aufzuzeigen? Wird dann der Mensch, der Künstler, der Creator zum Schöpfer, der sich die Welt macht, wie sie ihm gefällt? Oder sind doch Autor, wie Spektator von Ergriffenheit überwältigt, die hier ihre Ausdrucksform findet; diejenige, die mein Sitznachbar durch die häufige Abgebildetheit von Naturvorgängen entweiht sieht?
   


Worauf ich hier hinauswill? Ich will versuchen, es mit einer Anekdote präzisieren: Neulich saßen wir bei mir im Atelier zusammen; mehrere Leute, die sich mehr oder minder der Gelegenheit folgend eingefunden hatten, ein sehr engagierter Natur- und Reisefilmer und ich. Das Thema war die Abbildbarkeit von Naturereignissen. Und der Reisefilmer sagte, wie folgt: Ein Naturereignis bekäme für ihn eigentlich nur Realität (!), wenn er es im Film eingefangen habe. Die Naturansicht, die sich ihm nach dem Abschalten der Kamera dargeboten hätte wäre schlicht vergessen und nicht mehr real (sic!): Und ein anderer warf ein, ihm ginge es ähnlich: Seine Urlaubsfotos wären die erlebte, erinnerte Realität und alle erlebten Ereignisse, die sich zwischen den fotografierten Momenten abgespielt hätten, wären sozusagen verloren, wie nicht-stattgefunden.

 

   


Ist denn nicht, strenggenommen, durch alle Zeiten, die abgebildete Realität, sei es in Gemälden, Fotos, Filmen, diejenige, die wahrgenommen werden KANN und die Und hier wieder in den Kunstbau, in die Lichtinstallation von Olafur Eliasson: nicht abgebildete die für einen menschlichen Gedankenkontext verloren? Und wenn das so ist, was geschieht dann, wenn ich dieses Prozess umwandle, abwandle, umdrehe? Wenn ich die Wirkung ohne die Ursache zeige? Das Urlaubsfoto ohne den Urlaub? Den Naturfilm ohne die Natur? Olafur Eliason packt uns hier in unserem ganzen menschlichen Wahrnehmungserlebnis, das unsere Naturerfahrung und unsre Abbilder derselben, in einem romantischen Sinne zur auschliesslich möglichen Naturerfahrung ernennt. So, als ob es Natur ohne menschliches Abbilden nicht gäbe. Eliasson setzt hier an und simuliert den sinnlichen Gehalt der Naturerfahrung, die Wirkung der Naturereignisse, ohne sich der Natur selbst auch nur ansatzweise zu bedienen oder den technischen Ursprung seiner Installationen zu verbergen. Olafur Eliasson zeigt uns im Kunstbau eine vollendete Sience ficionale Natur-Erhabenheit, Ergriffenheit beim Genuss mit eingeschlossen. Erschreckend, wie spät sich einem der Gedanke aufdrängt, diese Gefühle einem technischen Konstrukt entgegenzubringen. Noch erschreckender den hier begonnenen Gedanken weiterzudenken und zu dem Schluß zu kommen, eines von beiden sei überflüssig: Die (reale...) Natur oder meine Ergriffenheit?

julia wegat




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