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269 11|03|2003 |
besprechung |
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Mein Nebensitzer meinte, man könne doch die reine Natur nirgendwo mehr in vollkommener Ergriffenheit genießen, weil einem alles durch Film und Abbild so geläufig wäre, dass das "Original" zu keinerlei originärer Ergriffenheit mehr verlocke! Das Gegenteil scheint bei Olafur Eliassons Lichtinstallation im Kunstbau der Punkt zu sein: Die Ergriffenheit wohl transponiert, läßt das "Original" vergebens auf sich warten. Ist nicht überhaupt die Frage nach den Originalen und der Originalität diejenige, die die imponierende, berührende Lichtinstallation aufwirft? Die Ergriffenheit, das Berührtsein im bekannten romantischen Sinne voraussetzen, kann diese Installation sich mit der Frage nach Mittel / Medium und Aussage auseinandersetzen. Was also geschieht, wenn einer ein Naturphänomen aus seinem Zusammenhang löst und in einen Kunstraum transponiert, ohne dieses dabei zu zitieren und ursprüngliche - Original-Zusammenhänge aufzuzeigen? Wird dann der Mensch, der Künstler, der Creator zum Schöpfer, der sich die Welt macht, wie sie ihm gefällt? Oder sind doch Autor, wie Spektator von Ergriffenheit überwältigt, die hier ihre Ausdrucksform findet; diejenige, die mein Sitznachbar durch die häufige Abgebildetheit von Naturvorgängen entweiht sieht? | |
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Worauf ich hier hinauswill? Ich will versuchen, es mit einer Anekdote
präzisieren: Neulich saßen wir bei mir im Atelier zusammen; mehrere
Leute, die sich mehr oder minder der Gelegenheit folgend eingefunden
hatten, ein sehr engagierter Natur- und Reisefilmer und ich. Das Thema
war die Abbildbarkeit von Naturereignissen. Und der Reisefilmer sagte,
wie folgt: Ein Naturereignis bekäme für ihn eigentlich nur Realität
(!), wenn er es im Film eingefangen habe. Die Naturansicht, die sich
ihm nach dem Abschalten der Kamera dargeboten hätte wäre schlicht
vergessen und nicht mehr real (sic!): Und ein anderer warf ein, ihm
ginge es ähnlich: Seine Urlaubsfotos wären die erlebte, erinnerte
Realität und alle erlebten Ereignisse, die sich zwischen den fotografierten
Momenten abgespielt hätten, wären sozusagen verloren, wie nicht-stattgefunden.
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Ist denn nicht, strenggenommen, durch alle Zeiten, die abgebildete
Realität, sei es in Gemälden, Fotos, Filmen, diejenige, die wahrgenommen
werden KANN und die Und hier wieder in den Kunstbau, in die Lichtinstallation
von Olafur Eliasson: nicht abgebildete die für einen menschlichen
Gedankenkontext verloren? Und wenn das so ist, was geschieht dann,
wenn ich dieses Prozess umwandle, abwandle, umdrehe? Wenn ich die
Wirkung ohne die Ursache zeige? Das Urlaubsfoto ohne den Urlaub? Den
Naturfilm ohne die Natur? Olafur Eliason packt uns hier in unserem
ganzen menschlichen Wahrnehmungserlebnis, das unsere Naturerfahrung
und unsre Abbilder derselben, in einem romantischen Sinne zur auschliesslich
möglichen Naturerfahrung ernennt. So, als ob es Natur ohne menschliches
Abbilden nicht gäbe. Eliasson setzt hier an und simuliert den sinnlichen
Gehalt der Naturerfahrung, die Wirkung der Naturereignisse, ohne sich
der Natur selbst auch nur ansatzweise zu bedienen oder den technischen
Ursprung seiner Installationen zu verbergen. Olafur Eliasson zeigt
uns im Kunstbau eine vollendete Sience ficionale Natur-Erhabenheit,
Ergriffenheit beim Genuss mit eingeschlossen. Erschreckend, wie spät
sich einem der Gedanke aufdrängt, diese Gefühle einem technischen
Konstrukt entgegenzubringen. Noch erschreckender den hier begonnenen
Gedanken weiterzudenken und zu dem Schluß zu kommen, eines von beiden
sei überflüssig: Die (reale...) Natur oder meine Ergriffenheit? julia wegat |
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