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Loris Cecchini, Stage evidence, 2001

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besprechung
leggerezza - schweres leichtes aus italien

leggerezza

eine ausstellung im
lenbachhaus
von 10.11.2001 bis 13.1.2002

In einer feinen kleinen Ausstellung untersucht das Lenbachhaus die zeitgenössiche italienische Kunst. Ko-Kurator Giovanni Iovane erklärt in seinem Katalogbeitrag, dass der Begriff der Leichtigkeit, der Leggerezza, im inneritalienischen Kunstdiskurs der letzten Jahre immer wieder aufgetaucht ist und postuliert, dass wir es hier mit so etwas wie dem unausgesprochene Leitmotiv der jüngsten Künstlergeneration zu tun haben. Iovane tut sich naturgemäß schwer, dieses Neue inhaltlich zu fassen, er meint jedoch ganz allgemein, dass diese Künstergeneration die großen, symbolträchig donnernden Gesten vermeidet und stattdessen leichtfüßig mit einigen indivuellen Beiträgen auf die Gegenwart einwirken möchte. Die Kuratorin auf der deutschen Seite, Marion Ackermann vom Lenbachhaus, ist etwas vorsichtiger beim Beschriften von neuen Schubladen, sie weist in ihrem Text auf die Gefahr hin, den alten Mythos von der italianità wiederzubeleben und grenzt Arbeiten der leggerezza-Künstler lieber ab gegenüber künstlerischen Positionen, die auf Skandal und Konfrontation zielen, wie etwa Maurizio Cattelan. Das leichte der ausgestellten Arbeiten liegt für sie in den verwendeten Materialien und in einer ironischen Haltung der Künstler begründet. Das überzeugt dann aber doch nur halbwegs, da sich die verwendeten Materialien der ausgestellten Arbeiten – Gummi, Papier, Leinwand, Video, Licht, Parfum – in nichts von anderen Strömungen der zeitgenössischen Kunst unterscheiden, ein paar von diesen Materialien, wie etwa die Steine in Luca Vitones theatralisch inszeniertem Nachbau einer Genueser Gasse – sind sogar ziemlich schwer. Was diese Beispiel von pesantezza mit den anderen ausgestellten Arbeiten der leggerezza verbindet ist jedoch die intellektuelle Haltung, das freie Bedienen auf dem Basar von Vergangenheit und Kunstgeschichte, kombiniert mit allem was der Megastore der medialen Möglichkeiten heute so her gibt.
   
apokalyptische qualitäten


Sehenswert sind die Papierskulpturen von Gianni Caravaggio: Er stapelt Papiere zu großen Quadern und fräst dann Hohlräume in diese labile Form – eine ironische und dennoch formal streng durchdeklinierte Paraphrase auf Formprobleme der Skulptur der 70er Jahre. Technisch ein bisschen schlampig umgesetzt, aber sehr sympathisch: der Beitrag von Diego Perrone. Er hat historische Porträts – ausschließlich von Königen, wie er behauptet – digital bearbeitet und alle Mundwinkel nach oben gezogen, bis die Gesichter lächelten. Damit steht er in bester Tradition des situationistischen Détournements, man könnte auch sagen, in der von schnurbartmalenden Plakatbeschmierern. Ebenfalls eindrucksvoll eine Bodenarbeit von Loris Cecchini: er bedeckt die gesamte Bodenfläche mit einem aschefarbenen Gummischaum, über den der Betrachter, leicht einsinkend drübergeht. Aus dem unförmigen Schaumteppich ragen immer wieder vertraute Formen auf: Ebenfalls in Uretan- Kautschauk gegossene Repliken von technischem Alltagsgerät: Steckdosen, Datenbanken, Kabel, Verstärker – alles weich wie Marshmallow und grau wie Asche. Die Szene ist poppig wie ein Claes Oldenburg und hat gleichzeitig apokalyptische Qualitäten – man ist an Bilder von Verwüstungen durch Brandkatastrophen und erstickender Vulkanasche erinnert.

Leggerezza kann eben manchmal auch ein bisschen schwer sein.

nina zimmer



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