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besprechung
"niedrige prachtmischung" - jef geys "1962-2001"

jef geys "1962-2001"

eine ausstellung im kunstverein münchen e.v.
von 13.10.2001 bis 25.11.2001

"Niedrige Prachtmischung", "Courgette, Groene Niet Rankende", "Stiefmütterchen, Schw. Riesen Abendrot" - welch seltsame Blüten Expertentum und Spezialwissen treiben kann, zeigen die Untertitel der "Grooten Zadzaakjes", einer farbenfroh-leuchtenden Bildersammlung ausgesuchter Blumen- und Gemüsesorten, die als Element einer mehrteiligen Installation Jef Geys' im Kunstverein präsentiert werden. Von 1962 bis heute übertrug der belgische Künstler jedes Jahr nahezu fotorealistisch die Bildseite einer Samentüte, wie man sie im Gartencenter findet, mit Lackfarbe auf Holzplatten - zunächst miniaturhaft auf ein kleines, dann auf ein großes Format. Zwei Serien von Tafelbildern sind so entstanden, die in ihrer symmetrischen Anordnung an der einen Wandseite der beiden Räume und in ihrer Form - und Farbästhetik dem "Pop-Art-geübten" Auge im ersten Moment wahrscheinlich näher sind als die schmutzig-braunen Baugerüste, die auf der anderen Wandseite bis zu den Fenstern der Galerie reichen. Diese stellen zunächst die größere Irritation dar.

   
 


Die Frage nach ästhetischen Kategorien und Normen, nach High and Low Culture bildet seit 1958 ein zentrales Thema in Jef Geys Schaffen und rückt ihn in die Nähe damals aktueller Kunstströmungen wie eben die Pop Art. Vor allem die hier gezeigten "Zaadzakjes" legen formal eine Parallele nahe. In eine kunstgeschichtliche Schublade stecken, läßt sich die Arbeit Geys' jedoch nicht so einfach. Sein Anspruch einer Kunst, die die Symbiose von Kunst und Leben nicht nur propagiert und auf selbstreferentielle Gesten verzichtet, führte sogar schließlich zu einem Rückzug von der Kunstwelt und ihren Institutionen für einige Jahre. Das Scheitern des "Vielle Montagne"-Streiks 1972, bei dem sich eine Gruppe Künstler und Intellektueller den Protesten des Arbeiterkomitees gegen die Schließung eines Betriebs anschlossen, markiert einen wichtige Punkt dieses Prozesses.
Sozial-politisch engagiert, will Geys' mit seinem komplexen Schaffen vor allem verschiedenste Diskurse miteinander verbinden, kommunizieren. Diesem Gedanken entspricht auch die Übernahme der regionalen Zeitung "Kempens Informatieblad" (seit 1970/71), das gleichzeitig ein Sprachrohr des autarken Künstlers ist und ein Forum für andere Stimmen bietet. Der Katalog der Ausstellung ist wie eine Ausgabe dieser Gazette gestaltet.
   
 


(Inter-) Aktion ist ebenso wichtiger Bestandteil der künstlerischen Konzepte Geys' und so pflanzte er die Samen Jahr für Jahr tatsächlich in die Erde. Ein winziges verblaßtes Foto von Lauchpflanzen, das die Reihe der kleinen Bilder ergänzt, zeugt von der Diskrepanz zwischen Werbung und Realität. Die Natur hält nicht, was die Expertise - "Perfection", wie auf manchen Samentüten zu lesen ist - verspricht, aber auch die Kunst in Form der gemalten Blumen-"porträts". Doch auch das Foto ist wieder nur ein subjektives Bild.
Wie vielschichtig und klug konzipiert Geys Installation ist, erfährt man beim Erklettern der Gerüste, auch wenn diese konzeptuell mit einem anderen Element der Installation verknüpft sind. Auf Schreibtafeln zwischen den Gerüsten stehen mit Kreide die Ethnien der Welt geschrieben. Gefesselt durch die Blütenbilder jedoch bringt man den Blick durch die sonst unerreichbaren Fenster eher mit den "Zaadzakjes" in Verbindung. Durch die Glasscheibe sieht man auf den Münchner Hofgarten, kann sich ein eigenes Bild machen. Dort bietet sich wieder die Vorstellung von Natur und Perfektion - diesmal nicht die des "kleinen Mannes" und seinen Schrebergärten, sondern die einer herrschenden, repräsentierenden Klasse längst vergangener Zeiten. Vervollkommnet wird die Natur aber durch den Jahreszeitenzyklus, der die herbstlichen Bäume in bunten Farben erscheinen läßt.
Für die kunstprojekte_riem will Jef Geys ein Gartenprojekt ("Internationale Völkergärten") realisieren und auch in der Münchner Stadt, an verschiedenen Kirchen, finden sich seine Arbeiten. Die Komplexität seines Werkes läßt sich so Stück für Stück erfahren.

tina fröhlich



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