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besprechung italien in schwarz-weiß
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„Unter all dem mechanischen Gift, das dieses schreckliche 19.Jahrhundert
auf die Menschheit ausschüttet, hat es uns ein Gegengift
gegeben...“, schrieb der bedeutende Kunstkritiker John Ruskin
und meinte damit die Photographie. Während er wie viele
anderen mitansehen mußte, wie die Modernisierung im Eilschritt
über historisch gewachsene Städte hinwegfegte, bot
die neue Technik die einzige Möglichkeit, deren Antlitz
in die Zeit hinüberzuretten. Diese Mission lassen die Photographien
von Florenz spüren, die bis zum 15. Februar in der Schackgalerie
zu sehen sind. Aber nicht nur für archivalische Zwecke wurden
solche Aufnahmen gemacht; gleichermaßen wurden sie zum
Handels- und Sammelobjekt für die ersten Touristen, die
Florenz nicht nur in der Erinnerung mit nach Hause nehmen wollten. Nicht umsonst wurde als Ausstellungsort für italienische Photographie des 19. Jahrhunderts die besucherarme Schack-Galerie ausgewählt, Nachlaß eines leidenschaftlichen Kunstliebhabers und Reisenden der gleichen Epoche. Letztes Jahr gab es dort bereits Photos von Venedig zu sehen, 1998 soll Rom die Reihe abschließen. Dazwischen liegt, nicht nur vom Breitengrad her, la bella fiorentina, die Stadt Florenz. Im vergangenen Jahrhundert hatte sie zunächst an Bedeutung eingebüßt und war eingeschränkt auf ihre Funktion als Provinzhauptstadt. Bei der Eröffnung der Ausstellung ließ sich diesbezüglich Prinz von Hohenzollern sogar versehentlich zur Behauptung hinreißen, Graf von Schack habe behauptet, Florenz sei eine „Geisterstadt“ gewesen. Richtig hätte es heißen müssen: „Stadt des Geistes“. 1865 wurde Florenz aber für sechs kurze Jahre zur Hauptstadt Italiens erwählt, bevor sie diese Rolle an Rom abtrat. Um diesem Zeitraum sind die Photographien der Fratelli Alinari entstanden. Einer der Brüder war eigentlich Kupferstecher und mußte sich in die neue Technik erst einmal einweisen lassen. Weitere Geschäfte zum Vertrieb von Photographien wurden kurz darauf eröffnet, z.B. die Edizione Brogi. Die Inventarisierung Florenz’ nahm ihren Ausgang. Die Ansichten waren aber nicht nur für Touristen ein begehrtes Gut. In den Buden der Photographen werde er bluten müssen, bemitleidete beispielsweise der berühmte Kunsthistoriker Jakob Burckhardt die eigene Sammlerwut. Von den „Besonderheiten“ kaufte er übrigens Alinari-, vom Rest Brogi-Aufnahmen. | |
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Unabhängig von dem Grund ihrer Anfertigung spricht aus den
Exponaten der Odem der photographischen Errungenschaften des
noch jungen Mediums. Die in der Regel 30x40 cm großen Aufnahmen
wurden von Glasplattennegativen gleicher Maße abgezogen;
es erklärt sich daraus die beeindruckende Brillianz, die
trotz leichtem Verbleichen an nichts eingebüßt hat.
Achtet man auf die verschatteten Partien, wird die breite Skala
an Tonstufungen deutlich. Weil aber die frühe photographische
Emulsion noch nicht panchromatisch, d.h. für alle Spektralfarben
sensibel war, sind auf den älteren Bildern keine Wolken
zu sehen, nur milchige Helligkeit. Aufgrund der noch verhältnismäßig
langen Belichtungszeit wirkt derweilen das Wasser des Arnos wie
aquarelliert. Für den heutigen Betrachter geben die Aufnahmen nicht nur Anlaß, vom eigenen Italienurlaub zu erzählen. Sie bieten auch die Möglichkeit, Florenz noch ohne die Verbesserungen des 19.Jahrhunderts zu sehen, alt und neu nachzuspüren: Dem Dom fehlte noch die Fassade, der Fassade von Santa Maria Novella fehlte die rechte Volute, anstelle der Piazza della Repubblica kann der alte Markt von Florenz angeschaut werden. Schließlich sind noch Teile der heute verschwundenen Stadtmauer zu sehen. Photos von Pisa lassen Kunstbegeisterte vor allem bei den Ansichten des Camposanto erbleichen: Auf diesen Bildern sind die Fresken aus dem 14. Jahrhundert, die im Zweiten Weltkrieg stark zerstört wurden, noch unversehrt. | |
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