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besprechung
Verrückt nach Angelika!
Gemälde, Luxusgegenstände und Utensilien des alltäglichen Lebens zeigt die

Retrospektive: Angelika Kauffmann 1741-1807

eine ausstellung im Haus der Kunst
noch bis 18. April

Hatten Frauen im 18. Jh. eigentlich andere Nasen als heute? Man könnte es fast meinen, wenn man die zahlreichen Frauengestalten im Werk der Malerin Angelika Kauffmann betrachtet. Zumindest malte sie, dem klassischen an der Antike orientierten Ideal ihrer Zeit folgend, allen die gleiche lange gerade Nase. Noch bis zum 18. April würdigt das Haus der Kunst das Werk dieser Künstlerin mit einer umfangreichen Retrospektive, die neben Gemälden und Zeichnungen Angelika Kauffmanns auch zahlreiche Stiche nach ihren Bildern zeigt sowie Porzellan, Tische, Tabletts, Fächer und Dosen, die mit Motiven nach Angelika Kauffmann verziert sind. Angelika Kaufmann kam am 30. Oktober 1741 in Chur in der Schweiz auf die Welt. Schon früh förderten die Eltern ihre Talente: der Vater, selbst Maler, lehrte sie Zeichnen und Malen, die Mutter widmete sich ihrer Musik- und Sprachbegabung. Auf ihrem ersten Selbstporträt stellte sich die junge Künstlerin als Sängerin mit Notenblatt dar. Daß sich Angelika Kauffmann jedoch für eine der beiden Künste entscheiden mußte zeigt das wesentlich später - 1792 - entstandene "Selbstbildnis am Scheideweg zwischen Musik und Malerei". Mit 12 Jahren erhielt sie erste Porträtaufträge, mit 16 half sie dem Vater bei der Ausmalung der Schwarzenberger Kirche im Bregenzer Wald, der Heimat ihres Vaters. Auch wenn sie nur kurze Zeit dort verbrachte, blieb sie ihrer Heimat ein Leben lang verbunden und unterstützte als berühmte und wohlhabende Malerin ihre zahlreiche Verwandtschaft. Während ihrer Ausbildungsreise nach Italien 1760 bis 1766 studierte sie die Werke Alter Meister und machte die Bekanntschaft zahlreicher Wegbereiter des Klassizismus wie Johann Joachim Winckelmann, Gavin Hamilton, Anton von Maron, Giovanni Battista Piranesi und Pompeo Battoni. Ihr vielbewundertes Porträt Winckelmanns verhalf ihr zum Durchbruch. Grandtour-Reisende sicherten durch ihre vielen Porträtaufträge ihren Unterhalt und machten sie vor allem in England bekannt. Im Frühjahr 1766 siedelte Angelika Kauffmann dann auch nach London über, wo sie bis 1781 ihre größten Erfolge feiern sollte.

London feierte sie als Miss Angel



Am Golden Square richtete sie sich ein Atelier ein. Früh erkannte sie, daß die Aristokratisierung ihres Verhaltens und Wohnraumes eine notwendige Voraussetzung für ein florierendes Geschäft ist. Nur so konnte sie ihre überwiegend adelige Klientel entsprechend empfangen. Obwohl Porträts ihre Haupteinnahmequelle darstellten galt ihr eigentliches Interesse der Historienmalerei - ein damals für Frauen unübliches Genre, denn man war der Ansicht, Frauen eigneten sich besonders für Porträtmalerei aufgrund ihrer weiblichen Intuition, mit Hilfe derer sie die Persönlichkeit ihres Gegenübers besser zu fassen vermochten. Die Historienmalerei hingegen galt als das höchste Genre an den Akademien und war selbstverständlich den Männern vorbehalten. Doch Angelika Kauffmann wählte vor allem die tugendhaften Frauen, d. h. liebende, opferbereite Frauen wie Penelope, Andromache oder Cornelia, trauernde Frauen wie Dido, Ariadne und Kalypso aber auch Venus oder mit Amor spielende Nymphen der griechischen Mythologie als Protagonistinnen ihrer Historiengemälde. Als einzige Frau in diesem Genre gehörte sie 1768 zu den Gründungsmittgliedern der Royal Academy in London. Gemeinsam mit der Stillebenmalerin Mary Moser zählte sie für die nächsten 200 Jahre zu den einzigen weiblichen Mitgliedern der Akademie. Bereits 1762 war sie zum Mitglied der Akademien von Bologna und Florenz, zwei Jahre später der Accademia di San Lucca in Rom ernannt worden. 1782 erfolgte dann auch noch die Aufnahme an die Akademie von Venedig. 1781 heiratete sie den venezianischen Vedutenmaler Antonio Zucchi und kehrte gemeinsam mit ihrem Mann nach Italien zurück, wo sie sich in Rom niederließ. Dort erwarb sie das ehemalige Atelier von Anton Raphael Mengs nahe der Spanischen Treppe. Zu ihren Auftraggebern zählten der spätere Zar Paul I. von Rußland, die Königin von Neapel und Sizilien, die sie gerne als Hofmalerin an ihren Hof gebunden hätte, der Kaiser von Österreich und der König von Polen. Und in ihrem Salon verkehrten die geistigen Größen Europas wie, Johann Wolfgang Goethe oder Johann Gottfried Herder, die ihr Haus als einen Tempel der Musen priesen. Angelika Kaufmann nutzte sehr bewußt die ihr als Frau zugestandenen Möglichkeiten. Ihr unermüdlicher Fleiß, ihre bewußt für ihr Publikum ausgewählten Motive und Themen sowie zahlreiche Nachstiche ihrer Werke, die die Künstlerin selbst in Auftrag gab, steigerten ihre Popularität in einem bis dahin nie dagewesenen Maße.

Der Kult um die berühmteste Malerin
ihrer Zeit



Mit ihrem Namen verbindet sich noch heute der Stil einer ganzen Epoche und ihre Motive zierten nicht nur Luxusgegenstände und Utensilien des täglichen Lebens, sondern auch komplette Wohnräume und Einrichtungen. Sie traf den Nerv der Zeit und alle wollten sich mit ihren Motiven umgeben. Den Einfluß, den die Kunst Angelika Kauffmanns auf ihre Zeit hatte, ist auch an zahlreichen Gebrauchsgegenständen in der Austellung zu sehen. Seltsamerweise befinden sich die Beschriftungen zu den ausgestellten Objekten in den Vitrinen in Fuß- und nicht in der erforderlichen Augenhöhe. Ein weiterer Schwachpunkt der ansonsten klar gegliederten Ausstellung ist, wie häufig im Haus der Kunst, mal wieder die Ausleuchtung der Bilder. Im Ganzen präsentiert die Ausstellung jedoch einen phantastischen Überblick über das Werk einer außergewöhnlichen Frau.

friederike gaa



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