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besprechung
alles müller,
oder was?

von Cézanne bis Tinguely kunst über grenzen

eine ausstellung im haus der kunst
von 07.03.1999 bis 30.05.1999

Beim Müller sieht es aus wie bei Hempels unterm Sofa. Zwar kennen wir die Lebensgewohnheiten der Familie Hempel nicht, doch von Herrn Müller wissen wir Einiges. In diesem Fall handelt es sich nicht um ein Synonym für Jedermann, sondern um Josef Müller (1887 - 1977), den Schweizer Sammler, dessen von ihm angehäufte Kunstschätze derzeit im Haus der Kunst zu bestaunen sind.
Die Vielfalt der Kunstgegenstände, die dort bestaunt werden können, verwirrt den an didaktisch aufbereitete Ausstellungen gewöhnten Besucher. Gemälde der klassischen Moderne bis zur Gegenwart sind dort mit Volkskunst aus Afrika, Indonesien, Ozeanien und Amerika unmittelbar konfrontiert. Keine tiefschürfenden inhaltlichen Bezüge legitimieren hierbei die Hängung. Es sind rein optische Übereinstimmungen oder auch Spannungen, der kulturen- und zeitübergreifenden Hängung, die den ungeheuren Reiz dieser Ausstellung ausmachen. Der Titel “Kunst über Grenzen” darf in diesem Sinn in doppelter Hinsicht verstanden werden: aus Sicht des Sammlers, der nach seinem Geschmack ohne kulturelle Vorbehalte ankauft und aus der Sicht des Besuchers, der sich gleichfalls freimachen kann, von den Regeln, die definieren was Kunst zu sein hat und was nicht.

aus der schweiz und dem rest der welt



Bereits als Student begann der Sohn eines Schweizer Uhrenfabrikanten Kunst zu sammeln. Er erwarb früh die kapitale Arbeit der “Liebe” von Ferdinand Hodler, ein über fünf Meter langer Fries (vom Künstler schon bald in zwei Bilder aufgeteilt) mit drei nackten Paaren nach dem Liebesakt. Zu wenigen Künstlern verband ihn eine enge Freundschaft wie mit dem über dreißig Jahre älteren Hodler. Im Gegensatz zu einem Albert C. Barnes war es nicht sein Ziel durch die Ateliers der Künstler zu flanieren, sein Augenmerk lag ganz auf der Kunst selbst. In Cézanne sah Müller einen der wichtigsten Künstler und so finden sich - nebst einem Courbet - einige interessante Stücke des Wegbereiters der Moderne im Haus der Kunst. Frühe kubistische Werke von Picasso und Bracque fanden Aufnahme in die Sammlung, genauso wie der düster, melancholische Rouault. Oft über seine Verhältnisse erstand er zudem eine große Zahl an Arbeiten von Joan Miró und Fernand Léger. Zu Beginn der dreißiger Jahre geriet Müller in finanzielle Schwierigkeiten, so daß er sich von einigen Werken trennen mußte. Parallel begann er sich jedoch für außereuropäische Kunst zu interessieren. Zwischen 1930 und 1942 baut er den Großteil seiner Sammlung ethnischer Kunst auf und beginnt sich daneben für klassische Antiken zu interessieren. Bei den Kunstwerken, von denen das älteste im 3. Jahrtausend v. Chr. entstand, könnte man den Eindruck gewinnen, Josef Müller sei ein Globetrotter gewesen. Jedoch weit gefehlt. Zwar unternahm er eine Reise nach Afrika, doch war eine Hängematte das einzige, was er von dort mitbrachte. Alle seine Schätze hat er in Antiquariaten und Galerien erworben. Heute bildet seine Sammlung den Kern der Münchner Ausstellung.

fortsetzung der sammlung



Nach dem Tod Müllers haben jedoch seine Tochter Monique und Jean Paul Barbier-Müller das leidenschaftliche Sammeln weitergeführt. Dementsprechend finden sich auch späte Arbeiten etwa von Francis Bacon, Jean Tinguely und jüngere von Gerhard Richter und Georg Baselitz im Haus der Kunst. Die gewaltige Sammlung von Josef Müller ist heute auf mehrere Museen Europas verteilt. Die Gelegenheit sich von einer Ausstellung derart inspirieren lassen zu können, gibt es nicht häufig, zudem mit solch hochkarätigen Exponaten. Damit können Hempels sicherlich nicht konkurrieren.

christian schoen



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